17

10 1 0
                                    


Ich bin so nervös, dass ich glaube, mein Herz zersprengt meinen Brustkorb. Aber eigentlich habe ich überhaupt keinen Grund, nervös zu sein? Warum bin ich es dann? Raphaels Schwester hat die Situation auf jeden Fall nicht erleichtert. Eigentlich lege ich nicht viel Wert auf Worte von anderen, aber die Worte von Raphaels Schwester waren wichtig. Vielleicht weil es um Raphaels Gefühle ging? Vielleicht weil laut den Worten ich diejenige bin, die Raphaels Herz zum höherschlagen bringt? Ach keine Ahnung, warum... 

Raphael führt mich durch das Haus in das Wohnzimmer. Das Kindergeschrei ist kaum zu überhören. Drei kleine Jungs sitzen auf dem Teppich und streiten sich um einen Teddybären. Müsste ich schätzen, würde ich sie alle drei auf gerade einmal fünf Jahre schätzen. Raphael kniet sich zu seinen Brüdern und nimmt ihnen den Teddybären weg. Lautet Protestgeschrei erhebt sich gegen ihn und ein Junge fängt sofort an zu heulen. 

"Wieso streitet ihr euch denn schon wieder, jeder von euch hat doch von Dad seinen eigenen Teddy bekommen", sagt Raphael mit ruhiger Stimme und streicht dem weinenden Jungen über das Haar. 

"Das ist mein Teddy", schluchzt der Weinende und vergräbt da Gesicht an Raphaels Schulter. 

"Nein das ist meiner!", protestiert einer der anderen Jungs und verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust. 

"Zum Glück tragen die Bären auf den Pfoten eure Anfangsbuchstaben, dann können wir leicht herausfinden, wem der Bär gehört", seufzt Raphael sieht sich die Pfote des Teddy an. 

"S für Sandro.  Du hattest recht, Großer. Das ist dein Teddy" Raphael reicht seinem weinenden Bruder den Teddy und wischt ihm mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen.

"Aber wo ist meiner?", winselt einer der anderen zwei und jetzt kommen auch ihm die Tränen. 

"Keine Sorge, Jacob,  wir finden deinen Teddy schon. Und deinen auch, Liam", beruhigt Raphael seine Brüder. "Amber hilft uns bestimmt, wenn wir sie lieb fragen" 

"Ja! Bitte hilf uns, Amber!" Raphaels zwei kleine teddylosen Brüder kommen auf mich zugerannt und klammern sich an meine Füße fest. 

"Da kann ich wohl kaum nein sagen" Lachend befreie ich mich von den Klammergriffen und beginne mit Raphael und seinen Geschwistern die Teddysuche. Nach einer geschlagenen Stunde finden wir einen Teddy im Kühlschrank und den anderen in einem Schrank im Bad. 

"Ich hätte nicht gedacht, dass das so lange dauert, tut mir leid, Amber", entschuldigt sich Raphael bei mir, nachdem seine Brüder wieder ins Wohnzimmer verschwunden sind mit den Teddybären im Arm. 

"Kein Problem, ich habe gerne geholfen", winke ich ab und schenke ihm ein Lächeln. 

Raphael erwidert es, doch er kann nicht verbergen, wie müde er ist. Seine tiefblauen Augenringe verraten ihn.

Er führt mich in die Küche und bietet mir an, mich zu setzen. Er nimmt gegenüber von mir Platz und legt die Hände auf die Tischplatte. 

"Es muss schwer sein, auf alle deine Geschwister auf einmal aufzupassen", stelle ich nach einer Weile schweigen fest.

Raphael lacht leise. "Das kannst du laut sagen. Zoe hat einen unglaublichen Sturkopf und Liam, Sandro und Jacob sind Drillinge. Jeder von ihnen hat einen vollkommen anderen Charakter. Es ist nicht leicht, es jedem recht zu machen." 

"Es ist unglaublich, was du leistest. Du passt freiwillig auf deine Geschwister auf und achtest dabei überhaupt nicht auf deine eigenen Wünsche oder Gefühle"

"Was soll ich machen? Ich liebe sie. Und Mom muss hart arbeiten, um mit dem Geld nicht nur uns ernähren zu können, sondern auch die ganzen Anwälte zahlen zu können" 

Aus Raphaels Mund klingt das alles selbstverständlich, aber das ist es nicht. Es ist nicht selbstverständlich, dass man sich aufopferungsvoll um seine kleinen Geschwister kümmert und seine Mutter unterstützt. Doch für Raphael ist es das. Und das macht ihn zu etwas ganz besonderem. Die Tatsache, dass er nicht einmal weiß, wie viel er eigentlich in den Augen anderer leistet. Ich wünschte, ich hätte meiner Mom das Leben leichter gemacht. Aber dafür ist es zu spät. 



Mindless - Eine Party.  Eine falsche Entscheidung. Eine ewige SchuldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt