36. Kapitel

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Nervös stand ich nun neben Kyle im Flur seines Hauses und zog meine Jacke und meine Schuhe aus. "Mum, ich bin wieder da!", rief Kyle laut. "Ich bin in der Küche.", kam sofort die Antwort. Er griff nach meiner Hand und lächelte mich nochmal beruhigend an, bevor er mit mir zur Küche ging, wo seine Mutter gerade am Herd stand, sich aber umdrehte, als sie uns kommen hörte. "Hey Schatz, wie war die Schule?", fragte sie Kyle lächelnd und bemerkte mich erst jetzt. "Oh, hallo. Wen hat du denn mitgebracht?", wollte sie von ihrem Sohn wissen und sah mich am Ende freundlich aber auch neugierig an. "Das ist Ava. Meine Freundin.", stellte er mich vor. "Hallo. Freut mich sie kennenzulernen.", sagte ich schüchtern und hielt seiner Mutter die Hand hin. Diese zog mich allerdings direkt in eine herzliche Umarmung. "Mich freut es ebenso. Und du kannst mich ruhig duzen. Ich heiße Mary. Willkommen in der Familie.", begrüßte sie mich überschwänglich und drückte mich nochmals an sich. Ich versuchte mich vorsichtig von ihr zu lösen, da ich langsam Panik bekam, aber nicht unhöflich erscheinen wollte, doch Mary ließ mich einfach nicht los. Zum Glück bemerkte Kyle wie unwohl ich mich fühlte und half mir, indem er seine Mutter darauf hinwies, dass sie mich auch mal wieder loslassen könnte. Erleichtert atmete ich auf, als sie ihre Arme von mir nahm und einen Schritt zurück trat. "Oh entschuldige bitte Liebes, aber ich freu mich einfach so. Endlich hat mein Kleiner eine Freundin gefunden. Und dann auch noch so ein hübsches und sympathisches Mädchen." Ich wurde rot und senkte meinen Blick. Ich konnte einfach immer noch nicht mit Komplimenten umgehen. "Soll ich euch etwas zu Essen machen oder wollt ihr lieber nach oben gehen?" Kyle sah mich fragend an, doch ich zuckte bloß mit den Schultern und überließ ihm die Entscheidung. "Du brauchst nichts zu machen. Wir gehen nach oben. Aber trotzdem danke.", erwiderte Kyle schließlich und gab seiner Mutter noch einen kurzen Kuss auf die Wange, bevor er meine Hand nahm und mich die Treppe nach oben in sein Zimmer führte.

Dieses war relativ groß und gemütlich eingerichtet. Eine zweite Tür an der linken Seite in seinem Zimmer führte wahrscheinlich in sein eigenes Badezimmer. Ansonsten sah es wie ein typisches Jungszimmer aus, zumindest so wie ich mir diese vorstellte, denn selbst hatte ich noch nie eines gesehen. Gegenüber von seinem Bett hing noch ein Fernseher an der Wand und überall im Raum waren Bilder verteilt, auf denen man Kyle als er noch klein war mit seiner Mutter und einem Mann, ich vermutete seinen Vater, sah. Vorsichtig nahm ich eines davon, wo die drei am Strand lagen, in die Hand. "Ist das dein Vater?" "Ja, das war auf unserem letzten gemeinsamen Urlaub in Italien.", erzählte er mir und ich hörte Trauer in seiner Stimme mitschwingen. "Ist er... ist er gestorben?", traute ich mich schließlich nach einer kurzen Pause zu fragen. "Nein, er lebt noch. Aber er und meine Mum haben sich getrennt als ich vierzehn war. Das wäre nicht so schlimm, da wir uns trotzdem noch sehr oft sehen konnten und er und meine Mum sich auch noch erstaunlich gut verstanden hatten, aber vor zwei Jahren hat er eine andere Frau kennengelernt und ist zu ihr nach Florida gezogen. Deshalb sehen wir uns natürlich auch nur noch sehr selten und ich vermisse ihn. Ziemlich stark sogar. Natürlich liebe ich meine Mum und bin mit meinem Leben hier auch sehr glücklich, aber sie kann Dad nun mal nicht ersetzen. Er war zusammen mit ihr die wichtigste Person in meinem Leben. Er hat mir das Fußball spielen beigebracht, mir erklärt wie Mädchen ticken, als ich in der Grundschule das erste Mal verliebt war und so vieles mehr.", erzählte er mir und während er sprach sammelten sich Tränen in seinen Augen an. Sein Dad bedeutete ihm wirklich viel und ich wusste es sehr zu schätzen, dass er mir anvertraute, wie stark er ihn vermisste und mir so auch seine verletzliche Seite zeigte. Vorsichtig stellte ich das Bild wieder zurück aufs Regal, nahm Kyle in den Arm, strich mit meinen Händen sanft über seinen Rücken und versuchte ihn so etwas zu trösten und ihm zu zeigen, dass ich für ihn da war. Nach einiger Zeit schob mich Kyle ein kleines Stück von sich, um mir in die Augen sehen zu können. "Danke Ava.", flüsterte er leise, beugte sich zu mir herunter und gab mir einen sanften Kuss voller Gefühl. Nachdem wir uns wieder voneinander gelöst hatten, schlug er mir vor einen Film anzusehen und ich stimmte zu. Also setzten wir uns nebeneinander auf sein Bett und schauten uns einen Action Film an, da ich keinen Horror und er keinen Liebes Film sehen wollte. Während des Films spürte ich, wie ich immer müder wurde und kaum noch meine Augen offen halten konnte. Schließlich schlief ich mit meinem Kopf auf Kyles Schulter gelehnt ein.

Knarzend öffnete sich meine Zimmertür. Erschrocken fuhr ich aus meinem Halbschlaf hoch und konnte durch das schwache Licht vom Flur bloß schemenhaft eine Gestalt in meiner Tür erkennen. Als diese dann aber das Licht anmachte und herein taumelte erkannte ich meinen Dad. Meinen highen Dad. Seine Augen waren knallrot, sein Blick abwesend und sein Gang unsicher. "Du bissst soooo schön.", lallte er vor sich hin und kam immer näher. Anscheinend hatte er es heute mal wieder übertrieben, wahrscheinlich sogar mehrere  verschiedene Drogen gemischt, denn sonst konnte er zumindest noch normal reden und laufen. Allerdings machte das keinen großen Unterschied, da ich wusste was so oder so jetzt kommen würde. Aber vielleicht könnte ich es diesmal schaffen mich zu wehren. Vielleicht hatte er es soweit übertrieben, dass ich ihn abwehren könnte. Ich würde es auf jeden Fall versuchen. Durch das ganze Nachdenken hatte ich allerdings nicht bemerkt, dass mein Vater schon vor mir stand und zuckte deshalb erschrocken zusammen, als er mich am Handgelenk packte. Erschrocken schrie ich auf, trat nach ihm und versuchte mein Handgelenk aus seinem festen Griff zu befreien. "Lass mich los! Ich will das nicht!", schrie ich in an. "Halllt den Mund duuu kleine Schllllampe! Mir doooch egal, ob duuuu das willllllst oder nnnnicht!" Er drückte mich in mein Bett und legte sich über mich, aber noch wollte ich nicht aufgeben und zog mit Schwung mein Bein nach oben. Schmerzhaft schrie mein Vater auf und rollte von mir herunter, als mein Knie seine Mitte traf. Sofort sprang ich auf und wollte rausrennen, doch mein Vater griff nach meinem Fuß und bekam tatsächlich meinen Knöchel zu fassen. Er zog mich daran zurück, sodass ich mein Gelichgewicht verlor und mit dem Kopf auf den Boden knallte. "Dasss hättest duuu nicht tun sollllen.", knurrte er bedrohlich, richtete sich wieder auf und fing an seinen Gürtel aus der Hose zu ziehen. Ich blieb zitternd vor Angst und mit verschwommener Sicht durch dem Aufprall am Boden liegen. Dann holte er aus und der Gürtel traf zum ersten mal auf meinen Rücken. Nach dieser Nacht hatte ich nie wieder versucht mich gegen ihn zu wehren.

Mit einem Schrei wachte ich kerzengerade im Bett sitzend auf und fasste mir an den Rücken, um sicherzugehen, dass es wirklich nur ein Traum war. Es hatte sich so verdammmt echt angefühlt. Neben mir war nun auch Kyle aufgewacht. "Ist irgendwas?", fragte er noch ganz schlaftrunken, doch als er meine Tränen sah wirkte er sofort wacher. "Was ist los? Ist etwas passiert?" Besorgt musterte er mich und wartete auf meine Antwort. Sollte ich ihm von meinem Traum und was es damit aufs sich hatte erzählen?

Bis Anfang Januar kommen jetzt wieder regelmäßig Kapitel, da ich diese Woche meine letzte Klausur für dieses Jahr geschrieben hab. Als kleine Entschädigung dafür, dass letzte Woche kein Kapitel kam ist dieses hier etwas länger als sonst. Ich hoffe es hat euch gefallen.
Eure Lili

Ava - My life with fearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt