In einem Loch im Boden, da lebe ich. Es ist kein schmutziges, feuchtes Loch, auch findet man hier keine Würmer, Asseln oder anderes Getier ... nein, es ist eine Hobbithöhle. Genauer ein großzügiges Smial, gelegen in einer der vielen flachen Anhöhe in Hobbingen, einer Siedlung des Auenlandes ... meiner Heimat in Mittelerde. Im Winter warm gehalten durch gemütliche Kamine, im Sommer angenehm kühl durch die dicken Lehmwände. Aufgeräumt, behaglich, voller Bücher und mit einer immer gut gefüllten Speisekammer ... das ist Beutelsend ... mein Zuhause.
Aber da fällt mir ein ... ich vergaß ganz mich vorzustellen ... mein Name ist Bil ... Bil Beutlin, eine einfache Hobbitfrau. Mütterlicherseits dem ehrenvollen, aber nicht ganz so angesehenen Geschlecht der Tuks abstammend. Warum nicht achtbar? Nun ... meiner Familie eilt der Ruf voraus, abenteuerlustig, engstirnig und so ganz hobbituntypisch zu sein. Denn wir Hobbits lieben eigentlich keine Abenteuer ... auch kann man uns nicht wirklich als mutig, kampferfahren oder heldenhaft bezeichnen. Wir leben im Verborgenen, da das Auenland nur selten von Fremden oder anderen Völkern aufgesucht wird. Ähnlich haben manche Hobbits in ihrem Leben noch nie die Grenzen ihres Heimatdorfes übertreten. Ruhe, Frieden, ein heimeliges Kaminfeuer, täglich sieben Mahlzeiten und alles was wächst und gedeiht, liegt uns mehr am Herzen. Die Tuks hingegen haben viele Familienmitglieder in ihrem Stammbaum, die ausgezogen sind, um Gefahren in der Fremde zu suchen. Todesmutig stürzten sie sich in Kämpfe, entdeckten Mittelerde und schlossen Freundschaften mit den anderen Rassen. Einige sollen sogar auf Schiffen die weit entfernten Küsten im Süden bereist haben. Auch mich hat es in jungen Jahren mehr nach draußen gezogen, aber seitdem meine Eltern tot sind und ich alleine in Beutelsend lebe, widme ich mich lieber einem guten Buch, dass von Abenteuern erzählt, als selber eines zu bestreiten. Bis zu diesem sonnigen Tag, an dem mein beschauliches und ruhiges Leben in seinen Grundfesten erschüttert wird und sich für immer verändern soll ...
Ich liege ausgestreckt auf der grünen Wiese vor meinem Haus. Das Buch, in dem ich bis vor wenigen Minuten noch gelesen habe, ruht aufgeschlagen auf meinem Bauch. Mit geschlossenen Augen genieße ich an diesem friedlichen Vormittag die ersten warmen Sonnenstrahlen des aufkommenden Frühlings ... Er riecht bereits nach blühenden Narzissen und Tulpen, vermischt mit dem nach feuchten Moss und langsam auftauenden Boden, frisch gemähten Gras und der auf den Feldern für die Saat gelockerte Erde. Gedanklich verweile ich in der Geschichte, die ich eben zu Ende gelesen habe ... Oder wohl eher hungrig verschlungen, wie meine Mutter immer sagte, wenn ich für mehrere Stunden faktisch nicht anwesend und in der Welt der Sagen und Mythen, Abenteuer und romantischen Liebesgeschichten versunken war.
Sie handelte von einem mutigen Menschenkönig, der für seine große und wahrhaftige Liebe ... einer edlen und wunderhübschen Prinzessin ... einen Feuerdrachen besiegte, der sie in seiner dunklen Höhle gefangen hielt und dadurch nicht nur sein Königreich zurückeroberte, sondern auch ihre Hand erwarb. Ich sehe ihn geradezu vor mir ... herrschaftlich und furchtlos wie ein König nur sein kann ... in voller Rüstung stehend und mit einem funkelnden Schwert in der Hand, tritt er dem furchterregenden Drachen entgegen. Immer wieder versucht das Untier ihn mit gesäuselten Worten unvorsichtig zu machen, damit er ihn mit einem einzigen feurigen Auflodern seiner Brust töten kann. Aber der Krieger ... immer nur das Gesicht seiner Geliebten vor sich sehend ... besteht die Prüfung und kann die Bestie schließlich mit einem Hieb in seine empfindliche Stelle ... dort wo sein loderndes Feuer entsteht und das Herz schützt ... töten.
Plötzlich fällt unerwartet ein Schatten auf mich, hält die wärmespendenden Strahlen der Sonne vom mir fern und augenblicklich ist die Fantasie erloschen. Mürrisch über die Unterbrechung meiner Gedanken spähe ich unter halbgeöffneten Lidern hervor, um zu sehen, wer meine Ruhe stört. Ein groß gewachsener, alt und gebrechlich wirkender Mann, gehüllt in einen grauen Mantel und mit spitzem Hut, steht vor mir. Misstrauisch öffne ich meine Augen schließlich ganz und starre ihn an, mit der Hand die Strahlen der Sonne abschirmend, denn sie steht in seinem Rücken und verweigert mir im ersten Moment den Blick auf sein Gesicht. Sein langer, ebenfalls grauer Bart, reicht fast bis auf seine mit Lehm verkrusteten Schuhspitzen und wie er da so steht, aufgestützt auf seinen Stab, den ein weißer Edelstein ziert, kommt er mir merkwürdig bekannt vor.
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Die kleine Hobbitfrau
Fiksi PenggemarIn einem Loch im Boden, da lebte eine Hobbitfrau... Bil führt ein genügsames, ruhiges Leben ... bis sie eines Tages ein alter Bekannter aufsucht und sie zusammen mit 13 Zwergen in ein höchst gefährliches Abenteuer verwickelt, in dem sie letztendlich...