Luhan war lange nicht mehr so nervös gewesen. Normalerweise behielt er bei Dates immer einen kühlen Kopf, weil er wusste wieso er zu ihnen ging und was er sich daraus erhoffte. Dieses Mal jedoch, fühlte sich Luhan weit entfernt von dieser üblichen Selbstsicherheit.
Er war unsicher, zappelte herum und sah immer wieder in die Richtung, aus der er gekommen war. Seit er den ersten Fuß vor die Tür gesetzt hatte wollte er nichts lieber tun, als sich umzudrehen und wieder nachhause zu gehen. Dieses Mal lief wirklich alles ganz anders.
Es war Zufall gewesen, dass er die Telefonnummer des Mannes gefunden hatte, die er vor Junmyeons und Sehuns Augen in die Hosentasche gesteckt hatte, als Junmyeon sie ihm gegeben hatte. Die kleine Rechnung mit der Zahlenreihe war ihm beim Wäschewaschen vor die Knie gefallen, als er seine Hosentaschen kontrolliert hatte, um nicht versehentlich ein Taschentuch oder ähnliches mit zu waschen.
Er hatte geseufzt und sich daran erinnert, wie dumm es gewesen war die Nummer einfach vor Junmyeons Augen einzustecken und wollte sie gerade wegwerfen als er inne hielt. ‚Wieso sollte ich?', hatte er gedacht. ‚Er sah eigentlich ganz gut aus...'
Luhan hatte wirklich überhaupt keine Lust auf ein Date, aber als ihm das Bild von Sehun in den Sinn kam, hatte er schnell nach seinem Handy gegriffen und die Nummer in den Bildschirm getippt.
Seine Stimme hatte ruhig und tief am anderen Ende der Leitung geklungen und Luhan hatte gestottert – verflucht noch einmal gestottert! – als er ihm sagte, dass er der Kellner aus dem Exordium sei und...im Gesamten stellte er sich wirklich absolut dämlich an. Dieses Telefonat würde in die Geschichte dummer Telefonate eingehen, aber schlussendlich hatte Luhan eine Uhrzeit und einen Ort an dem sie sich in zwei Tagen treffen würden und das war es doch, worauf er gebaut hatte.
Und hier war Luhan nun. Absolut schlicht gekleidet, als würde er sich absichtlich unattraktiv machen, mit eingefallenen Schultern und einem gejagten Ausdruck in den Augen. Er hätte sich selbst einen Gefallen tun und schnell wieder abhauen sollen, aber dann kam ihm immer wieder Sehuns Gesicht in den Sinn und das war ihm Ansporn genug doch zu bleiben.
Was auch immer er angefangen hatte für Sehun zu...zu empfinden...er wollte es schnell im Keim ersticken. Immerhin war er Junmyeons kleiner Bruder und Junmyeon noch immer die Person in die Luhan ver-...
„Luhan? Du bist doch Luhan, nicht wahr?"
Luhan sprang in die Höhe vor Schreck. Vor ihm stand ein älterer Mann mit grauen Strähnen in seinem dunklen Haar, gekleidet in einen schwarzen Anzug, der maßgeschneidert war und ordentliche Bügelfalten aufwies. Alles an ihm, einfach seine ganze Person, schrie ihm ‚Bürojob' und ‚Verheiratet' und ‚Luhan-kratz-die-Kurve' entgegen, aber Luhan hatte seine Chance zu entkommen bereits verpasst.
„Ja richtig", sagte er schnell. „Dann bist du Changwoo?"
Der ältere Mann lächelte breit. „Ich war wirklich überrascht, als du dich bei mir gemeldet hast, ich dachte nicht mehr, dass es noch dazu kommen würde. Du hast dir ziemlich viel Zeit gelassen."
„Mh ja", antwortete Luhan und mochte nicht, wie Changwoo einen Schritt näher trat. Sie hatten sich vor dem Bahnhof getroffen und hier herrschte, wie üblich, geschäftiges Treiben. Es war keine gefährliche Gegend und Luhan musste sich an so einem belebten Ort natürlich keine Gedanken um Gewalt oder ähnlichem machen, aber er fühlte sich dennoch nicht gut, als Changwoo so nahe an ihn herantrat. Sein Parfum, irgendetwas Würziges, stach ihm in der Nase, obwohl Luhan solche Düfte eigentlich mochte.
Changwoo lächelte ein wenig, wahrscheinlich weil er Luhans wortkarges Erscheinen mit Schüchternheit verwechselte. „Du bist mir sofort ins Auge gestochen, als ich ins Restaurant gekommen bin." Sein Ehering blitzte an seiner linken Hand auf, als Changwoo sich die Haare aus dem Gesicht strich. Luhan wurde übel. „Wie wäre es?", fragte er mit leiser Stimme und trat noch näher. „Ich kenne ein nettes kleines Hotel in der Nähe, wollen wir dort nicht hingehen und uns ein bisschen besser kennenlernen?"
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Bittersüß
FanfictionLuhan hätte das schleichende Gefühl von Wiedererkennen nicht ignorieren sollen. Er hätte auf sein Gehirn hören sollen, denn sein Schritt war wirklich kein Tempel der guten Entscheidungen - war es nie gewesen. Aber Sehun war nun einmal verdammt gutau...