Lost in Darkness

"Shay... Shaylin... Shaylin..."

Die Stimme klang brüchig, alt und halb tot. Was war das?

"Shaylin... Hilf mir..."

Erschrocken riss ich die Augen. "Shay?". Elena stupste mich an. Verwirrt sah ich auf mein Arbeitsblatt und dann zu ihr. Sie musterte mich skeptisch. "Damon kommt gleich." "Oh. Uhm... Okay, kann's kaum erwarten, ihn kennenzulernen.". Immer noch misstrauisch nickte sie, stand auf, ging in die Küche und kramte im Kühlschrank. Den Arm voll beladen mit Früchten, Jogurts, zwei kleinen Schüsseln und Löffeln kam sie zurück. "Machen wir Pause" schlug sie vor. "Wir lernen jetzt schon fast drei Stunden.". Erleichtert nickte ich und griff nach einem Apfel. Gedankenverloren dachte ich über die Stimme nach, die gerade noch in meinem Kopf gehallt hatte.

Mein Name ist Shaylin Ross. Seit ungefähr vier Wochen "wohnte" ich bei Elena Gilbert, meiner Cousine vierten Grades. Meine Eltern waren nämlich getrennt, und letztens hatte es einen sehr, sehr heftigen Streit um mich gegeben. Da meine Mutter mich nicht hergeben wollte, hatte sie mich in meinem Zimmer eingesperrt. Ich wusste aber, warum sie es tat. Sie wollte mich beschützen. Vor einem ganz bestimmtem Jemand. Oder besser gesagt, etwas. Vater hatte ihr jedoch nicht geglaubt und die Polizei gerufen, die mich letztendlich ins Jugendheim brachten. Das Gericht hatte schließlich beschlossen, ich solle bei meiner Tante, Jenna, wohnen, bis sich die Sache mit meinen Eltern geklärt hatte. Doch jeder wusste, dass das noch eine ganze Weile lang dauern würde. Meine Mutter hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass ich nach Mystic Falls kam. Denn er war hier. Doch sie hatte nichts ausrichten können. Der Richter war steinhart geblieben.

Nach einem kompletten "Umzug" und einer Umschulung in die Highschool von Mystic Falls (welches leider 200 Kilometer von meiner eigentlichen Heimat entfernt lag) musste ich den ganzen Stoff, der bereits durchgemacht worden war, aufholen. Gottlob half mir Elena dabei.

Just in dem Moment, als ich den Apfel fertig abgenagt hatte, klopfte es an der Tür. "Das muss Damon sein" stellte Elena fest. "Komm mit.". Wie befohlen wieselte ich hinter ihr her, als sie zur Tür ging und sie öffnete. Lässig an den Türrahmen gelehnt stand dort ein ungewöhnlich attraktiver junger Mann. Er trug eine schwarze Lederjacke, dunkle Jeans und schwarze Chucks. Auch seine Haare waren rabenschwarz. Die blasse Haut bildete einen krassen Kontrast zu den saphirblauen Augen, die ein ganz klein wenig zusammengekniffen waren. Auf seinen Lippen saß ein kühles Lächeln. "Hallo" grinste er. "Damon, ich und Shalyin machen grade Pause. Komm doch rein.". 'Damon' gab seine kasuale Haltung auf, betrat das Haus und schloss die Tür hinter sich. Sein Blick traf mich, und er zwinkerte mir zu. "Du musst Shaylin sein. Elena hat mir viel von dir erzählt.". Er grinste kühl. Draußen kam heftiger Wind auf. Die Äste des Baumes, welcher neben dem Fenster stand, peitschten gegen die Scheibe, die Tür flog auf und krachte mit einem lauten Knall gegen die Wand. Hektisch sah ich nach draußen. Elena kam angerannt und schaute entsetzt nach draußen. "Ich muss mal kurz raus!" rief ich, und rannte hektisch aus dem Haus.

So schnell mich meine Beine tragen konnten, sprintete ich die Straße entlang. Ich war früher eine der schnellsten aus meinem ganzen Jahrgang in der Schule gewesen - hundert Meter in vierzehn Sekunden. Der Wind verstärkte sich, und wirbelte Blütenblätter um mich herum. Keuchend und schon vollkommen außer Atem starrte ich nach vorne, wo langsam der Wald in Sicht kam. Als ich dort ankam, verlangsamte ich mein Tempo. Ich blieb stehen und fiel auf die Knie. Der Wind ebbte etwas ab, doch die Blütenblätter, die sich während meinem Lauf um mich versammelt hatten, schwebten immer noch um mich herum. Ich stand auf. Die Blüten waren schneeweiß. Ich wusste nicht, was das hieß, aber ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass die Blütenblätter der Bäume in Elenas Straße rosa waren, nicht weiß. Sie hatten sich verfärbt. In winzigen Wirbelstürmchen scharrten sich die Blüten zu einer Wolke zusammen.