5. The Falling

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Der Tag, an dem sie mich verließ, mich einfach alleine auf dieser Welt zurückließ, war der schlimmste meines Lebens. Ich konnte es nicht begreifen. Ich konnte einfach nicht begreifen, was man mir da am Telefon sagte. Konnte es nicht glauben.

Ich dachte, sie wäre immer noch da. Immer noch am Leben. Ich wollte, sie sogar besuchen. Ich glaubte einfach nicht, was man mir sagte. Noch im Schulhaus brach ich schließlich zusammen. Bis auf meine damaligen Freunde weiß niemand, weswegen es überhaupt dazu gekommen ist.

Ich ging aus dem Klassenraum, als mein Handy klingelte. Ich konnte es nicht verarbeiten, lief weiter und wollte schreien. Jedoch bekam ich keinen Laut raus. Ich rannte durch die Schulflure bis ich immer langsamer wurde und auf meine Knie sank. Und dann war alles schwarz.

Ich dachte, es wäre vorbei. Mein Leben.

Ohne sie dachte ich, war es vorbei. Wir hatten unsere eigene kleine Welt. Sie verschwand aus dieser Welt und meine zerbrach in tausend Einzelteile, als sie ging. Und so ist es immernoch. Ich habe zwar versucht die Einzelteile meines Herzens wie ein Puzzle wieder zusammen zu setzen, aber es hat immernoch tiefe Löcher.

Ihre Beerdigung war sehr schmerzhaft für mich. Ich wäre sogar fast nicht hingegangen. Ich hatte nur ihre Eltern, die mich schon immer unterstützten und mich auch an der Seite ihrer Tochter mochten. Sie waren auch die Einzigen, die mich im Krankenhaus besuchten, als ich eingeliefert wurden bin, wegen meines Zusammenbruches.

Ich sollte, sie eigentlich mal wieder besuchen. Das bin ich ihnen schuldig. Sie wohnen nur 10 Minuten von meiner Schule entfernt. Und sie haben immer gesagt, ich kann zu ihnen kommen, wenn irgend etwas ist. Aber ich habe Angst. Angst mich zu erinnern, zu sehr an sie zu erinnern.

Immerhin wäre ich dann bei ihr zu Hause. Da wo ich früher, vor einem Jahr, 70 % meiner Zeit verbracht habe. Mit ihr, Claire. Auch mich an all das grade zu erinnern, wie es passiert ist und wie es danach war. Es schmerzt. Es schmerzt unendlich. Diesen Schmerz kann sich niemand vorstellen, der noch keine so wichtige Person verloren hat.

Wenn ich mit Mia befreundet sein möchte, dann muss ich es ihr bald erzählen. Sie hätte dann das Recht dazu es zu erfahren, denn dieses Ereignis hat nun einmal mein Leben geprägt und mich auch. Das größte Geheimnis, das ich je haben werde. Nicht einmal Emma weiß so genau, was passiert ist. Sie weiß nur Ansätze, aber nicht alles.

Ich komme 35 Minuten zu spät zur nächsten Stunde. Ich öffne die Tür und murmele ein "Entschulding.", weil ich zu spät bin. Mia sitzt wieder auf dem freien Platz neben mir. Meine Miene verändert sich nicht, als ich auf sie zu gehe. Mein Blick ist starr auf den Boden gerichtet. Ich setze mich neben sie. "Was ist los?", fragt sie vorsichtig. Ich sehe sie nicht an. "Nichts.", gebe ich kalt als Antwort zurück.

Was ist denn plötzlich los mit ihm? Erst kommt er zu spät und nun ist er wieder so wie am Anfang, kalt und abweisend. Was ist passiert in der letzten halben Stunde. Er wird es mir sowieso nicht erzählen.

Davon geh ich zumindest aus.

Vielleicht liege ich auch falsch, aber der Unterricht ist für ein solches Gespräch definitiv nicht geeignet. Ich lasse ihn jetzt einfach in Ruhe. Der Rest der Stunde vergeht sehr langsam. Ich bin froh, als es endlich klingelt. Er steht auf und geht, ohne sich noch einmal umzudrehen. Ich stehe ebenfalls auf und laufe ihm hinterher.

Wo will er nur hin? Er rennt förmlich aus dem Schulhaus, obwohl wir noch 3 Stunden Unterricht haben. Als er um die Ecke ist, bleibe ich einfach stehen. Weiter laufe ich ihm nicht hinterher.

Ich finde Eva bei ihrem Spind. Ihre Leidenschaft ist das Zeichnen, deswegen ist auch ihr kompletter Spind von Innen bemalt. Als sie mich sieht, entschuldigt sie sich dafür, dass sie, naja eben sie ist. Mehr kann man dazu nicht sagen. Ich schütte bei ihr mein Herz aus.

Ich weiß, dass sie das nicht so gut verstehen kann mit Elijah, aber dennoch tröstet sie mich. Egal was ist, sie ist immer für mich da und hört mir aufmerksam zu. Sie verkneift sich, ihn zu beschimpfen, als ich fertig bin mit erzählen. Sie reißt sich meinetwegen zusammen.

"Vielleicht kannst du mal diese- eh na du weißt schon. Wie hieß sie noch gleich?" Eva schnippst mit den Fingern, aber der Name fällt ihr nicht mehr ein, weshalb ich ihr auf die Sprünge helfe. "Meinst du Emma?"

Eva klatscht daraufhin in die Hände. "Ja genau, danke. Frag einfach mal Emma, ob sie weiß, was mit ihm los ist.", meint sie noch bevor sie langsam rückwärts läuft und sich somit von mir entfernt. Sie grinst mir noch zu und als sie sich umdreht, will ich sie noch warnen.

"Eva, pass auf dort-", aber weiter komme ich nicht, denn Eva ist bereits gegen die Wand gelaufen. Sie fällt hin und mit ihr ihre ganzen Bücher. "Kam ein bisschen zu spät deine Warnung, meinst du nicht?", ruft sie mir zu, während sie sich ihre Hände an ihrer Hose abklopft. Ich fange einfach nur an zu lachen.

Sowas kann aber auch nur Eva passieren. Sie ist so tollpatschig, dass es schon gefährlich ist. Ich musste sie bereits mehrmals davor retten, von einem Auto überfahren zu werden, da Eva ununterbrochen redet und sich dabei nicht auf ihr Umfeld konzentriert.

Ich winke ihr noch zu und biege dann um die Ecke. Obwohl ich Elijah nicht hinterher schnüffeln möchte, überlege ich trotzdem Emma nachher in der Pause zu suchen.
                                                                                                                                                    The Falling - Fil Bo Riva

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