1. Kapitel

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Irgendjemand beobachtete mich, ich konnte es spüren. Ein Schauer lief mir über den Rücken, Gänsehaut überfuhr mich und meine Hände zitterten, obwohl es nicht einmal kalt war, im Gegenteil, es war Sommer.
Sollte ich mich umdrehen? Mein Verstand sagte mir, dass ich einfach weg laufen sollte,doch wann hatte ich schon auf meinen Verstand gehört? Nein, die Neugier trieb mich dazu mich um zu blicken.
In einem Ruck drehte ich mich um, ließ meine Augen über die Umgebung wandeln, nichts als Schatten. Die Nacht, die einige Minuten zuvor eingetreten war, umhüllte mich mit einem geräumigen Nichts, nichts als   Dunkelheit.
Nur der Strahl einer Straßenlaterne bot mir Licht, wodurch ich mich und meine nähere Umgebung erkennen konnte, doch jenseits des Lichtstrahles war alles schwarz.
Ein sanfter Windzug blies mir meine Haare aus dem Gesicht und ließ mich langsam aufatmen. Vielleicht hatte ich mich auch einfach nur getäuscht, hatte etwas wahrgenommen, was nicht existierte, meine Paranoia trieb mich in den Wahnsinn.
Ich wollte mich wieder umdrehen, als ich ein lautes Knacken vernahm. Etwas verfolgte mich durch die Büsche. Im Schein der Laterne konnte ich ein Schimmer von etwas Metallischem wahrnehmen. War das eine Waffe? Ein Messer vielleicht? Mein Instinkt schrie, ich sollte mich schnellstmöglich aus dem Staub machen, und genau dies tat ich. Ich zwang meine Muskeln ihren Tribut ab. So schnell wie ich konnte, rannte ich die Straßen entlang, durch einen kleinen Park, über Rasen, Steine, und als ich glaubte die Gestalt angehängt zu haben, blieb ich schweratmend stehen.
Ich versuchte meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen, und ich erwischte mich dabei, wie ein Lächeln über meine Lippen huschte. Was sollte das eigentlich? Ich hatte Angst verspürt, trotzdem musste ich Lächeln. Ich wollte mich an eine Wand lehnen, mich ausruhen, verschnaufen. Doch... War es nicht  sinnvoller, direkt nach Hause zu gehen?
Bevor ich meinen Gedanken auch nur ansatzweise zu Ende bringen konnte, tauchte die Gestalt wieder vor meinen Augen auf, und wie ich es befürchtet hatte, befand sich eine Waffe in der rechten Hand. Es war ein Messer.
Ein spitzer Aufschrei ertönte, der natürlich nicht verwunderlich, von mir kam.
" Ich habe kein Geld was ich dir geben könnte", flüsterte ich kaum hörbar,da der Wind, der kurze Zeit später verschwunden war, wohl meine Stimme mitgenommen hatte. Verdammt! Ich sollte doch einschüchternd wirken, keine Angst zeigen,obwohl ich schreckliche Angst hatte. Mein Herz raste. Es wunderte mich eher, dass niemand meinen Herzschlag hören konnte, so unerträglich laut und schnell war er.
"Alice, reiß dich zusammen!" Die Stimme in meinem Kopf begann zu rebellieren, und sie hatte verdammt nochmal Recht. Wenn ich hier schon sterben würde, dann würde ich wenigsten versuchen, es Ihm schwer zu machen.
Ich schaute auf, in meinem Blick lag der blanke Hass. Die Gestalt trug einen Kapuzenpulli, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, wodurch ich unmöglich sehen konnte, wer die Gestalt war.
Ich wollte mich aufrichten, der Gestalt entgegen treten, doch ich konnte mich nicht rühren. Als hätte eine unsichtbare Kraft mich an die Wand gezogen und mich festgehalten.
Die Gestalt hob ihren Arm und ich wusste, das sie gleich auf mich einstechen würde. Ich machte mich bereit,bereit für einen unerträglichen Schmerz.
Das Messer stach in mich hinein, immer und immer wieder. Ein Schmerz, der mir den Atem raubte, umhüllte mich, und ich wollte schreien, in der Hoffnung, dadurch den Schmerz ein wenig lindern zu können. Ich könnte spüren, wie etwas Warmes, Klebriges an mir herunter lief, und im nächsten Moment umhüllte mich eine tiefe Schwärze, und dann....dann ertönte ein Knall...
Zittrig und schweißgebadet wachte ich auf. Tränen rollten mir die Wangen hinunter, und ich drehte mich panisch um. Mit beiden Händen hielt ich mich an der Bettkante fest, darauf gefasst, die Gestalt aus meinem Traum wieder zu sehen. Schließlich hatte sie mich, obwohl ich um einiges schneller gewesen war, eingeholt, und mich trotzdem zu fassen gekriegt. Doch in meinem Zimmer war niemand, im Gegenteil, es war mucksmäuschenstill, kein Atemzug, nur meine Uhr, die an der Wand hing, war zu hören: ein leises Tick Tack, und es war dunkel, stockdunkel.
Ich entschied mich, meine Rolladen hoch zu fahren, damit wenigstens etwas Licht mein dunkelblaues Zimmer erleuchten konnte. Enttäuschend stelle ich fest, dass es gerade  Nacht war. Ich schaute auf meinen Wecker, es war 3 Uhr Nachts.Also hatte ich gerade mal 3 Stunden geschlafen, schönen Dank auch!
Vermutlich hatten meine Eltern unten die Haustür zu geknallt und nicht bedacht, dass ihre artige Tochter oben in ihrem Zimmer friedlich schlief. Naja, friedlich ist wohl ein unpassendes Wort dafür, das was ich gerade durch gemacht hatte, war alles andere als friedlich.
Seufzend fuhr ich mir durch die Haare und beruhigte mich ein wenig. Der Gedanke an meine Eltern hatte mich immerhin ein wenig abgelenkt.
Genau, meine Eltern. Wenn wir schon beim Thema sind, meine Eltern sind alles andere als liebevoll, im Gegenteil sie sind zum Kotzen. Kann ich das überhaupt über meine Eltern sagen, dass sie zum Kotzen sind? Schließlich kenne ich sie ja kaum. Sie sind zwar meine Erzeuger, aber dann war's das auch. Gelegentlich sieht man sich beim Frühstücken, was dann aber auch ein Wunder ist. Meistens liegt das daran, dass meine Mutter spät Abends von einer Dinnerparty ( ich weiß nicht, ob man das in ihrem Job ebenfalls so nennt, es gibt viele Fachbegriffe, die ich lernen müsste, um mit ihr eine Konversation zu beginnen) nach Hause kommt oder mein Vater von einem Geschäftsessen, was daran liegt, das er ein stinkreicher Immobilienmakler ist, oder so etwas in der Art ( Ja,Ich weiß, ich müsste das eigentlich wissen, da er ja mein Vater ist, aber wie schon gesagt, haben meine Eltern und ich nicht gerade das beste Verhältnis)
Nunja mein Vater ist ein stinkreicher Immobilienmakler und meine Mutter ein sehr gefragtes Model. Obwohl ich mich eh wundere, wie sie das geschafft haben soll, da sie meiner Meinung nach eher aussieht wie eine Vogelscheuche. Versteht mich nicht falsch, sie hat echt ein hübsches Gesicht, hohe Wangenknochen, wunderschöne lange blonde Haare( die leider nur gefärbt sind) und tiefblaue Augen, aber sie ist so Dürr, dass ich mich manchmal echt frage, wie sie überhaupt noch aufrecht gehen kann.
Meine Eltern. Definitv gut in ihrem Job, keine Frage, aber  echte Nieten wenn es um Kindererziehung geht. Daher wurde ich schon von klein auf von einer "Hausmutter" aufgezogen, welche ihre Arbeit echt nicht schlecht gemacht hat. Sie war immer für mich da, begleitete mich zu Schulfesten, fuhr mich zu Freunden und und und. Genau das, was meine Eltern eben nicht machen konnten, oder viel eher nicht  wollten. Ich trat eigentlich nur zur perfekten Darstellung eines Familienbildes bei, doch hinter der Fassade schaute natürlich niemand...
Der Gedanke an meine Eltern brachte mich nun schon wieder fast aus der Fassung. Ich spürte wie einige Tränen wieder drohten, mir das Gesicht runter zu laufen. Ich schluckte den bitteren Geschmack herunter, den ich empfand, wenn ich an meine Eltern dachte. Ich liebte sie, keine Frage, aber da war auch dieses Gefühl, welches hervor brach, wenn ich sie sah. Etwas was ich nicht beschreiben konnte.
Nach einiger Zeit des Grübelns entschied ich mich  noch etwas zu schlafen. Es war immerhin mittlerweile halb vier, und ich spürte wie mir die Augen zufielen.
Also legte ich mich wieder hin, schloss die Augen und glitt zunehmend in einen unruhigen Schlaf.

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