Das Telefonat

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Zitternd legte ich mein Handy neben mich und schloss meine Augen. Meine Atmung war laut und schwer, ich hatte Angst. Ich hatte riesige Angst. Aber ich musste es tun, ich musste ihm endlich erzählen, was ich falsch gemacht hatte. Er musste es erfahren, er musste es von mir erfahren. Von niemandem sonst, einzig und alleine mir.
Langsam führte ich meine Hand zu meinem Handy, wählte seinen Kontakt aus, um ihn anzurufen, und hielt mir das Handy ans Ohr. Es klingelte.
Es war nicht fair, dass ich ihm seit über drei Monaten einfach ins Gesicht log, und ich konnte es auch nicht mehr. Ich hielt es nicht länger aus. Er musste wissen, was passiert war.

"Hey, Schatz", begrüßte er mich, als er das Gespräch annahm. Sofort hörte ich in seiner Stimme, dass er lächelte, was mich ebenfalls zum sanften Lächeln anregte.
"Palle, wir müssen reden", sagte ich, um möglichst schnell auf den Punkt zu kommen. Ich wusste, dass ich beim langen Zögern nicht voran kommen würde. Ich versuchte, es schnell hinter mich zu bringen. Und zwar so schnell wie möglich.
"Okay", erwiderte er noch immer lächelnd, "Ich bin sowieso gerade in der Stadt und könnte in fünf Minuten bei dir sein, wäre das nicht was?"
"Nein", brachte ich kalt über die Lippen, "E-es ist besser, wenn wir am Telefon reden. Du kannst nach dem Gespräch gerne zu mir kommen, aber... a-aber ich traue mich nicht, dir in die Augen zu schauen, wenn ich dir... davon erzähle." Ich schluckte.
Nervös ging ich in meinem Wohnzimmer auf und ab, um mich möglichst gut kontrollieren zu können. Ich war nervös, unheimlich nervös. Wie würde er reagieren, wenn ich ihm davon erzähle? Würde er sauer werden? Würde er mich verstehen? Würde er es vielleicht sogar akzeptieren und froh sein, dass ich ihm davon erzählt habe? Wäre er traurig oder einfach enttäuscht? Würde er sich trennen? Würde er Abstand wollen? Was es auch war, es war okay.
Ich wollte, dass Patrick glücklich wird. Und wenn das bedeutet, dass er sich von mir trennt, dann ist das so. Ich würde alles tun, um ihm ein langes, glückliches Leben zu schenken. Am liebsten natürlich, wenn ich ein Teil davon sein darf.
"Na gut, dann... Leg los", erwiderte Palle.

Ich atmete tief durch und schloss meine Augen, ich kniff sie regelrecht zusammen, während ich die ersten Worte über meine Lippen brachte: "Aber zu aller erst will ich dir noch sagen, dass ich dich liebe. A-also.. wirklich liebe"
"Ja, ich weiß. Ich liebe dich doch auch", schmunzelte mein Freund.
"Nein, Patrick. Ich meine... wirklich lieben. Ich möchte mein Leben mit dir verbringen und für immer an deiner Seite sein, hörst du?" Meine Stimme zitterte.
"Manu...", hauchte er, "Das geht mir nicht anders"
Seine Stimme war sanft und einfühlsam, sie war beruhigend und liebevoll. Sie gab mir das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. "Was ist denn los? Du weißt, du kannst mir alles sagen."
"Ja, ja ich weiß", erwiderte ich mit einem sanften Lächeln. Es war unglaublich, wie glücklich er mich machte. "Okay, also.. Ich wollte das eigentlich gar nicht. Aber es fing alles vor drei Monaten an. Du erinnerst dich doch sicher noch an 2013 und.. was das für ein schweres Jahr für mich war, oder?"
Stille. Es kam keine Antwort. Würde er jetzt schon wissen, was ich ihm erzählen wollte? Würde er jetzt schon wissen, was ich getan habe? War er zu geschockt, um zu antworten, oder was war passiert? Wieso sagte er nichts?
"Patrick?", hakte ich unsicher nach, "E-es wäre.. wirklich toll, wenn du antworten würdest." Nervös spielte ich mit meinen Fingern und begann, noch schneller durch mein Wohnzimmer zu gehen. Wieso sagte er denn nichts?

"Hallo?", ertönte plötzlich eine Frauenstimme am anderen Ende, "Ist da jemand?"
Fragend kniff ich meine Augenbrauen zusammen und blieb stehen. "Ja, wer.. Wer sind Sie?", erwiderte ich unsicher, "Und wo haben Sie dieses Handy her?"
"I-ich habe es auf dem Bürgersteig gefunden, e-es lag hier. Hören Sie zu, ich-"
"Na, dann geben sie doch bitte Patrick wieder sein Handy", erwiderte ich, "Wir haben über etwas sehr wichtiges ge-"
"Nein, Sir, es ist so, dass-"
"Patrick ist der Mann, dem dieses Handy gehört, also geben Sie ihm das-"
"Es tut mir so leid", unterbrach die Frauenstimme mich. Ich stockte.
"...Was tut Ihnen leid?", fragte ich leise.
"D-da war dieses Auto", sagte sie, "Und er ging über die Straße." Sie begann zu weinen. "Und d-d-das,... das Handy muss beim.. A-Aufprall aus seiner Hand ge-ge-geflogen sein. Es.. es tut mir so schrecklich leid!"

Mein Handy glitt aus meiner Hand. Es fiel zu Boden. Meine Hand aber verblieb an der Stelle neben meinem Ohr in genau der Positionen, in der sie soeben noch mein Handy hielt.
Er hatte einen Unfall, ein Auto hatte ihn erwischt. Einfach so. Am helligsten Tag. Mitten in der Innenstadt.
Vielleicht hatte die Frau ja auch gelogen, oder ein anderer Mann war angefahren worden. Nicht mein Patrick. Woher sollte sie schon wissen, wie er aussieht, mein Patrick? Jeder könnte es gewesen sein!
War es meine Schuld? Wäre er nicht angefahren worden, wenn ich es ihm persönlich gesagt hätte, anstatt so feige zu sein und es am Telefon zu tun? War es meine Schuld?
Würde er noch leben, hätte ich damals anders gehandelt? ||

Aus Spoiler Gründen werde ich nicht sagen, aus welcher Serie ich die Inspirationen zu diesem Oneshot hatte. Wenn ich jetzt sagen würde: "Die Idee hatte ich aus Big Bang!" wäre das einfach blöd für alle, die das noch schauen wollen. Deshalb sage ich bloß, dass die Idee nicht 100% meine war, sondern eine abgewandelte und überdramatisierte Version einer Serie ist, die ich vor einiger Zeit geschaut habe.
Ich hoffe, das stört euch nicht und, dass ihr Spaß hattet beim Lesen <3 schlagt mich nicht!

Kürbistumor Oneshot SammlungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt