Die Krone der Schöpfung

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Tag Sechs, 20:18 Uhr, kurz vor Feierabend. Der liebe Gott stemmte die Arme in die Hüften und betrachtete sein gerade vollendetes Werk. Die Schöpfung war so gut wie fertig, nur eine Sache fehlte noch. Ein letzter kleiner Arbeitsschritt. Gott wollte sich gerade niederknien, um seinem Meisterwerk den Odem des Lebens einzuhauchen, da wurde er unsanft unterbrochen.

"Jahwe, altes Haus! Heiliger Bimbam, das ist ja alles richtig schön geworden. Ich bin beindruckt!", erkannte Gott die Stimme Luzifers und schrak zusammen. Doch sogleich erhob er sich, sichtlich geschmeichelt über die Anerkennung seines Erzengels, rieb sich die lehmverkrusteten Finger an seinem immerweißen Gewand ab, und sprach voller Stolz:

"Ich danke dir, mein Lieber! Ich bin auch gleich fertig hier. Muss nur noch meinen Menschen eben aufwecken. Warte kurz, ich komme dann mit, wir können ja gleich noch mit den anderen eine Runde Poker spielen".

"Deinen was?", fragte Luzifer interessiert.

"Meinen Menschen", sagte Gott tonvoll. "Ich nenne ihn Adam. Er ist die Krone meiner Schöpfung, ich habe ihn nach meinem eigenen Ebenbild erschaffen. Sieh nur her!", sagte Gott, stellte die leblose Lehmhülle vor Luzifer auf, der den Proto-Menschen dann sofort kritisch von oben bis unten zu mustern begann und sich dabei durch seinen schwarzen Ziegenbart strich.

"Hmm, hmm, ich weiß ja nicht...", sagte Luzifer und blickte Gott auf einmal verschmitzt an. "Es sieht doch ganz so aus, als würde da noch etwas fehlen."

Die Augenbrauen des Allmächtigen zuckten. Als unfehlbarer Schöpfer konnte er doch unmöglich etwas übersehen oder gar vergessen haben! Die Dreistigkeit des Erzengels begann seinen göttlichen Zorn zu schüren, schon schoss der Gedanke durch seinen Kopf, den dreisten Burschen aus dem Himmel zu stürzen.

"Wie bitte? Wie kannst du es wagen!", empörte sich Gott und schien dabei ein gutes Stück größer und finsterer zu werden. Aber der Zweifel und die Neugier gewannen schließlich Oberhand über seinen auflodernden Zorn. "Was denkst du denn, dass ich vergessen habe, du oberschlauer Wicht? Nun sag schon!"

"Na da am unteren Ende, also am Fuß. Mach doch noch einen kleinen Zeh da ran. Ganz außen", sprach Luzifer und vergrößerte sein Grinsen.

"Fünf Zehen? Wem soll das Nützen? Gleichgewicht und Aerodynamik sind mit vier Zehen schon bestens aufeinander abgestimmt. Der steht auch so! Und laufen kann er ohne auch genauso schnell! Ich habe den Zeh extra eingespart, weil er ihn eben nicht braucht!", rief Gott und machte eine herabwürdigende Handbewegung, während in seinem Gesicht noch immer die tiefste Missbilligung für das unverschämte Verhalten seines Untertanen stand. "Wozu in aller Welt soll da noch ein Zeh ran? Du spinnst wohl!"

"Verzeih mir, oh Allmächtiger!", rief Luzifer und gab dem HERRN einen kleinen freundschaftlichen Stubser. "Aber denk doch mal an die Zukunft. Denk an Möbel. Denk an Türrahmen. Denk an herumliegendes Kinderspielzeug! Vertrau mir, Jahwe! Das wird lustig!"



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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 14, 2018 ⏰

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