4. Das Gleichgewicht

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Rey POV


Da stand er also vor mir. Er sah so furchtbar aus, dass es mir einfach herausgerutscht war.

Sein Gesicht war stark eingefallen, er war noch blasser als sonst und unter seinen Augen zogen sich tiefe dunkle Augenringe.

Selbst seine Haltung war nicht dieselbe.

Geschwächt stand er da, mit leicht gebeugtem Rücken und hängenden Armen. Seine Augen glasig und leer.

Und er hatte mir gerade gesagt, dass er sterben würde.

Ich wartete darauf, dass er weitersprach, um vielleicht eine meiner vielen Fragen, die mir durch den Kopf schwirrten zu beantworten. Doch er stand einfach nur da. Anscheinend selbst geschockt von der Wahrheit, die nicht zu leugnen war.

Er sah mir in die Augen.

Immer wenn ich in seine Augen sah, hatte ich das Gefühl jemand würde mir den Boden unter den Füßen wegziehen.

Es war so ein intimer Moment. Wie im Aufzug von Snoke, als ich den Entschluss fasste, Kylo auf die helle Seite zu bringen. Doch ich hatte mich geirrt. Was aber nicht hieß, dass ich aufgegeben hatte.

„Rey, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an dich denke.", flüsterte er und bei diesen Worten zog sich mein Herz zusammen.

„Ich sehe dich in meinen Visionen, in meinen Träumen... jedes Mal, wenn ich meine Augen schließe. Ich fühle, wie meine Kraft, die Macht, von jedem Tag an schwächer wird, aber ich weiß nicht wieso. Ich habe furchtbare Schmerzen, die mir meine letzte Kraft rauben. Ich weiß wohin das führen wird", mit traurigen Augen drehte er sich leicht von mir weg und ging ein paar Schritte.

„Ich hatte gehofft, du könntest mir helfen. Dass ich mich stärker fühle, wenn ich dich sehe.

Ich habe mich geirrt."

Seine Worte trafen mich tief. Er dachte ich könnte ihm helfen.

Sofort schossen mir Ideen durch den Kopf, was ich tun könnte, doch alles schien nicht wirksam genug.

„Du darfst nicht sterben.", flüsterte ich mit heiserer Stimme.

Es kam einfach aus mir heraus. Es war die Wahrheit. Der Gedanke, er könnte auf einmal tot sein, brach mir das Herz. Obwohl ich schon oft den Wunsch hatte ihn umzubringen. Aber jetzt stand ein anderer Kylo Ren vor mir. Es war nicht das Monster, das seinen Vater umgebracht hatte. Es stand wieder Ben Solo vor mir. Der Mann, der mit mir, Seite an Seite die Wachen in Snokes Thronsaal bekämpft hatte und mein Leben rettete. Dieser Mann durfte nicht sterben. Diesem Mann galten meine Gefühle.

Leise drehte er sich um und machte wieder ein paar Schritte in meine Richtung. Eine Träne rann über seine Wange. Auch meine Augen füllten sich mit Tränen.

„Was hast du gesagt?", fragte er ungläubig. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er machte noch ein paar Schritte, bis er kurz vor mir stand.

„Du darfst nicht sterben", wiederholte ich und eine Träne rann über mein Gesicht.

Kylo streckte seine Hand aus und wischte die Träne aus meinem Gesicht.

Langsam schob er mein Gesicht näher an seins, bis ich seinen Atem spürte. Ich schloss die Augen und meine Lippen trafen seine. Er küsste mich.

Seine Lippen waren weich und heiß. Er musste wohl immer noch weinen, denn eine weitere Träne rann hinunter und berührte meine Lippen.

Ich legte vorsichtig meine Hand um seinen Nacken und erwiderte den Kuss.

Für einen Moment stand die Zeit still.

Ich vergaß alles um mich herum und konzentrierte mich auf das Gefühl in meinem Bauch, das wohlige Wärme und Glück in meinem Körper verbreitete.

Ich bemerkte, wie sein Körper unter meiner Hand anfing zu zittern.

Ich löste mich von seinem Kuss und schaute ihm in die Augen.

Sie waren leer und schienen in eine andere Richtung zu schauen. Er zitterte stärker.

Vorsichtig machte ich einen kleinen Schritt zurück, ließ ihn aber nicht aus den Augen.

Dann fiel er in sich zusammen.

Seine Füße hatten einfach nachgegeben.

Er lag auf dem Boden, immer noch zitternd.

Panik packte mich.

Sofort ließ ich mich auf die Knie fallen und schob seinen Körper in eine stabile liegende Position.

„Ben! ... Nein, nein, nein, nein!"

Ich drückte mein Ohr auf sein Herz. Sein Herzschlag ging viel zu langsam.

Leicht klopfte ich auf seine Wange, in der Hoffnung er würde zu sich kommen, was er aber nicht tat.

Sein Körper zitterte immer noch. Er musste furchtbare Schmerzen haben.

„Okay, okay. Ganz ruhig. Ich schaffe das", sagte ich zu mir selbst. Meine Stimme klang lauter als beabsichtigt. Ich atmete zweimal tief durch, bis ich meine Hand nach der Macht ausstreckte.

Sofort wurde ich ruhiger.

Kylo, der sonst immer eines der größten Machtfelder um sich herum besaß, das ich je gespürt hatte, spürte ich nun kaum mehr.

Maz war nicht weit von hier. Sie kannte sich aus mit der Macht, vielleicht konnte sie mir sagen, wie ich Ben helfen könnte. Dort würde ich ihn erstmal hinbringen. Ich würde einen Medi-Droiden brauchen...

Um keine Zeit zu verlieren, nahm ich Bens Körper mit der Macht und dirigierte ihn neben mir her, bis ich zu Maz Tempel kam.

Scheiße. Ich kann da doch nicht mit einem schwebenden Kylo Ren reinkommen, dachte ich.

Also legte ich ihn vorsichtig hinter ein paar Büschen ab und betrat den Raum.

Es war nicht viel los, ein paar treue Besucher waren geblieben, die an der Bar ihr Bier tranken.

Ich suchte nach Maz, was sich als überflüssig herausstellte.

„Rey, mein liebes Kind! Wie schön dich zu sehen!", rief eine weibliche, raue Stimme hinter mir und ich drehte mich um, um nach unten zu sehen.

Maz stand ein paar Schritte von mir entfernt mit offenen Armen, ich kniete mich kurz hin und umarmte sie. Leider blieb für mehr Höflichkeiten keine Zeit.

„Maz, ich brauche deine Hilfe: Ich bräuchte dringend ein abgelegenes Zimmer und einen Medi-Droiden!", drängte ich mit unterdrückter Stimme.

Maz runzelte die Stirn, schien aber zu verstehen.

„Es scheint dringend zu sein... natürlich helfe ich dir, komm mit."

Sie ging mir voraus und zeigte mir ihr abgelegenstes Zimmer, während sie den Medi-Droiden holte, ging ich nach draußen und brachte Ben ins Zimmer.


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