10. Das letzte Mal

1.3K 59 1
                                    


Rey POV


Da war ich also wieder. Und konnte erst einmal wieder nichts tun.

Also dachte ich darüber nach, was gerade in diesem Kellergewölbe passiert war. Er hatte so unglaublich erleichtert ausgesehen mich zu sehen. Und ich war es auch gewesen. Seine Umarmung war tröstend gewesen... zu wissen, dass er doch noch da war. Dass es noch Hoffnung gab, er würde wieder aufwachen.

Ich dachte darüber nach. Über ihn und mich. Es waren immer Gefühle für ihn da gewesen, das wusste ich. Ich hatte sie nur bis jetzt noch nie als so stark wahrgenommen. Vielleicht mussten sie jetzt einfach da sein... zu wissen, er könnte nie wieder aufwachen, zeigte mir wie viel er mir doch bedeutete. Ich hatte noch genau einen Moment ihn zu sehen. Vielleicht würde es mein letzter mit ihm sein. Nein, der Gedanke nie wieder mit ihm sprechen zu können zerbrach mir das Herz. Aber ich durfte ihn auch nicht bedrängen... sonst würde er sich wieder so fühlen, als würde man ihm alle Entscheidungskraft wegnehmen und er würde sich sicher für die dunkle Seite entscheiden. Sollte ich ihm trotzdem von meinen Gefühle für ihn erzählen? Wenn er nicht dasselbe fühlte, würde er dann nicht auch vor der hellen Seite zurückschrecken, weil er wusste, dass er dann unweigerlich in meiner Nähe sein würde. Aber wenn er nicht so fühlen sollte... warum hatte er mich dann im Wald geküsst, hatte mich vorhin umarmt und war so erleichtert gewesen mich zu sehen? Natürlich hätte auch alles nur Manipulation gewesen sein können, um sicherzugehen, dass ich ihn im Schlaf nicht einfach umbringen würde. Aber das traute ich ihm nicht zu. Nein, nicht jetzt, wo er doch gerade mit so viel Wichtigerem beschäftigt war. Wenn ich ihn wirklich lieben sollte, musste ich mehr auf ihn vertrauen. Dann müsste ich mir auch gar keine Sorgen machen, dass er sich für die dunkle Seite entscheiden würde.

Also traf ich den Entschluss, ihm nichts zu sagen, sondern erst sicher zu sein, wenn er sich entschieden hatte. Ich hatte einfach Angst ihm so ausgeliefert zu sein, sollte er sich für die dunkle Seite entscheiden. Ich würde ihm jetzt einfach beistehen und darauf vertrauen, dass er die bestmögliche Wahl für ihn traf.

Ich sah auf die Uhr, die ich neben das Bett auf den Boden gestellt hatte. Seitdem der Medi-Droide vorbeigeschaut hatte, waren bereits 7 Stunden vergangen. 3 seit seiner letzten Vision. Ich fragte mich, wie ich wissen sollte, dass ich wieder zu ihm gehen konnte. Ich betrachtete sein Gesicht. Er hatte die Stirn tief gerunzelt und immer noch lag ein leichter Schweißfilm über seinem Gesicht, den das Fieber mit sich brachte. Ich nahm ein feuchtes Tuch und tupfte ihm übers Gesicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich es wissen würde, wenn er wieder im Kellergewölbe wäre. Also wartete ich. Er hatte schließlich noch etwas Zeit.

Ich sah aus dem Zimmer. Die Sonne ging gerade unter und tauchte alles in einen orange-purpurnen Schleier. Ich nahm Bens Hand in meine und machte die Augen kurz zu.

Etwas drückte meine Hand. Ich wachte auf und sah erschrocken auf die Uhr. Ich hatte nur ein einhalb Stunden geschlafen. Das hieß es blieb noch Zeit. Sofort entspannte ich mich wieder und betrachtete Ben. Er drückte schon wieder leicht meine Hand. Ich nahm das mal als Zeichen, dass ich wieder in seinen Geist eindringen konnte. Also schloss ich die Augen und tat dasselbe wie beim ersten Mal.

Ich fand mich im Gewölbe wieder. Es hatte sich nichts verändert, nur dass diesmal die mittlere Tür auch in einem anderen Material vorhanden war. In Silber.

Als Ben merkte, dass ich wieder da war drehte er sich um. Doch diesmal lächelte er nicht. Er schaute mich schuldbewusst an. Als hätte er etwas angestellt, für das es keine Entschuldigung gab. Angst stieg in mir auf. Ich hoffte er hatte sich nicht für die dunkle Seite entschieden.

„Was auch immer passiert ist... ich verzeihe dir.", sagte ich, um die Stille zu brechen.

„Dafür gibt es keine Entschuldigung", flüsterte er nur.

Das machte mir Angst.

„Hast du dich schon entschieden?", fragte ich nervös und ging ein paar Schritte auf ihn zu. Er machte einen Schritt rückwärts. Was war nur passiert? Hatte es schon wieder etwas mit mir zu tun?

„Nein... noch nicht.", sagte er nun etwas lauter und schaute dabei auf die letzte vorhandene Tür. Die einzige, die noch aus Holz bestand.

Ein kleiner Stein fiel mir vom Herzen. Doch das Gefühl verschwand gleich wieder, als ich seinen sorgenvollen Blick bemerkte. Und da wurde mir klar, dass es zwar gut war, dass er sich nicht für die dunkle Seite entschieden hatte, aber es war schlecht, dass er noch nicht wusste für was er sich entscheiden sollte.

Am liebsten hätte ich ihm alles verraten. Dass er mir alles bedeutete, dass ich mir nicht vorstellen konnte ohne ihn weiterzuleben, dass ich wollte, dass er sich für die helle Seite entschied, damit ich mit ihm zusammen sein konnte. Doch das alles sagte ich nicht. Stattdessen rann mir vor lauter unterdrückten Gefühlen eine Träne über die Wange. Er drehte sich zu mir um und wischte mir die Träne aus dem Gesicht, wie er es auch vor unserem Kuss im Wald getan hatte. Ich wünschte mir so sehr, er würde es wieder tun. Doch er sah mir nur tief in die Augen und ließ die Hand wieder sinken. Enttäuschung machte sich in mir breit, doch ich verdrängte dieses Gefühl.

„Ich sollte dann mal wieder gehen.", sagte ich mit erstickter Stimme.

„Du hast nicht mehr viel Zeit."

Ich ging noch ein paar Schritte rückwärts. Er ließ mich nicht aus den Augen. Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Ich prägte mir alle Einzelheiten ein. Seine starke Haltung. Sein warmes Leuchten in den Augen. Das Gefühl seiner Hand auf meinem Gesicht. Wenn ich jetzt nicht ging, würde ich es nie schaffen loszulassen.

Also schließ ich die Augen und verschwand aus seinem Kopf.


Untamed LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt