Was auch immer

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Doront starrte auf sein Glas herab, welches vor ihm stand. Er würde wahlweise hinein gaffen, aber die Brühe, die sie hier als Bier verkauften, war alles andere als klar, oder wo wir gerade dabei waren, schmackhaft. Fakt war, sie spiegelte nicht und so konnte er nur die verzerrten Reflektion seines Gesichtes im Glas erkennen.

Es war definitiv nicht das hässlichste Gesicht, das jemals das Antlitz der Welt erblickte. Bei Weitem nicht. Man könnte sogar so weit gehen und behaupten, dass vielerlei Frauen im verzweifelten Alter sich davon angezogen gefühlt hätten. Ein stämmiger Mann mit wettergegerbter Haut, Ansatz eines dunklen Vollbartes, der nicht wusste, ob er wachsen durfte, oder nicht. Zudem kamen hier und da noch einige Narben. Keine, die einem das Gesicht verunstalteten. Eher die Art, welche aussagten: Hey, alleinstehende Dame. Ich habe schon so einiges mitgemacht und ich weiß, was ich tue. Zeig mir mal dein Zimmer, wo ich dir die Kleider vom Leib reißen kann, denn ich habe es wirklich nötig, weil das letzte Mal ist schon wirklich lange her. Im Gegensatz zu den deftigen Konturen, stachen die hellen Augen geradezu hervor. Wie zwei scharfe Dolche, die fähig waren, die Nacht zu zerteilen. Ja, diese Augen erzählten Geschichten. Das eine ein Aquamarin. Hellblau, wie die Oberfläche eines erleuchteten klaren Sees in der Karibik. Das Andere ein Achat, weiß und milchig. Als Farbe eher unspektakulär, aber erst einmal gesehen, konnte man den Blick nicht mehr davon lösen.

Doch es war etwas, das andere Leute sahen. Er erblickte nur die Verzerrung im Glas und dachte sich 'Was auch immer.'

"Also." nahm er ein Gespräch auf, welches vor einer gefühlten Ewigkeit endete. "Ich bin der Auserwählte und meine Aufgabe ist...?"

Der Elf fokussierte die längliche Karaffe vor sich. Er wusste nicht, ob er jetzt alles noch einmal wiederholen sollte, oder ob es eine rein rethorische Fragen darstellte. Gerade eben hatte er alles haargenau erklärt. Dieser Typ war komisch und vollkommen anders, als er erhofft hatte. Klar, er sah genauso aus, wie legendäre Helden nun mal so aussahen, aber er verhielt sich nicht so. Kein Stück. Das machte alles keinen Sinn. Müsste Doront nicht voller Begeisterung sein und sich seiner neuen Aufgabe stellen? Stattdessen saß er hier in dieser miesen Spelunke und kippte ein alkoholisches Getränk nach dem Nächsten.

"Das Reich retten." antwortete Quaith und durchbrach damit die Stille zwischen ihnen. Der Lärm in der Bar ging wie gewohnt weiter.

"Welches verkackte Reich?" säuselte Doront gleichgültig und hauchte dabei alkoholische Dämpfe aus.

"Dieses."

"Ich weiß nicht einmal den Namen dieses Ortes und Du willst, dass ich etwas für es tue, geschweige denn gleich rette? Warum sollte ich das tun?"

Quaith öffnete den Mund, doch Doronts Hand schnellte empor und stoppte ihn bevor er etwas sagen konnte.

"Ja, ja, schon klar. Weil isch der prophezeite Held bin von denen in den heiligen Schriftrollen, bla, bla, bla." lallte er und kippte den Inhalt des Glases, seine Kehle hinunter. Mit einem Seitenblick signalisierte er dem Kellner, dass dieser auffüllen sollte und wandt sich dann wieder dem Elfen zu. Mit trüben Augen gaffte ihn dieser ungläubig an. "Hör schu du Lackaffe. Mir ischt es vollkommen egal, was auch immer Ihr wollt und wasch auch immer isch angeblisch zu tun habe. Fakt ist."

Doront unterbrach sich, starrte geradeaus, hickste mehrmals energisch und gab sich dann selber eine Backpfeife. Er schüttelte den Kopf, rülpste befreiend und fuhr fort. "Pass uff. Du bist bestimmt nen netter Kerl und Du hast es ganz sicher auch ganz doll toll gemeint und so, aber *rülps* ich mache da einfach nicht mit. Dieser Held kann sich entscheiden wie immer er will und seien wir doch mal ganz *rülps* ehrlich. Diese bekloppt Nummer mit der Profescheiung. Das steht in Büchern. Ja, keinen Zweifel. In tauschenden sogar und es ist das Dümmste und *rülps* Dämlischte, was ich jemals gehört habe. Weißt Du wer noch etwas mit Probezeigungen zu tun hat?"

Der Elf blickte ihn schweigend an. Das nahm Doront als eine Aufforderung, um weiter zu quasseln.

"Einfallslose Schriftsteller." Er blickte einmal zu allen seiten, aber als eine wohl erhoffte Reaktion ausblieb, fuhr er fort. "Das macht alles viel einfacher. Der Auserwählte." betonte er möglichst sarkastisch. "wird das schon regeln und er kann auch gar nichts falsch machen, denn er ist ja der Auserwählte. *rüüüüülps* "Vollkommen egal was er..."

"Das sagtest du bereits." unterbrach in Quaith.

"Was?"

"Diese Unterhaltung hatten wir schon. Über Schriftsteller und das alles."

"Gut, gut." Er nahm noch einen tiefen Schluck. Es schmeckte nicht, aber über den Punkt war er schon lange hinaus. "Dann weißt du ja, was ich davon halte, also tu mir einen Gefallen und lass mich in Ruhe." Mit diesen Worten wand er sich dem Elf ab und starrte wieder auf sein Glas.

Nach einigen langen Sekunden erhob sich Quaith zu seiner vollen Größe. "Weißt du was." begann er und man konnte das Zittern in seiner Stimme nicht überhören. "Du magst ein Held sein. Du magst stark sein, groß, mutig, gewandt, charismatisch und bestimmt noch viele andere Dinge." Er bebte vor Wut. Die Art von Wut, die sich nur zügeln ließ, weil man selber wusste, wie schwach man in Wirklichkeit war. So gut er konnte, spuckte Quaith ihm vor die Füße. Es war lächerlich, aber die Geste war eindeutig. "Aber Du bist ein verkacktes Arschloch!"

Die letzten Worte schrie er so laut und überraschte sich damit selbst. Wie nach einer Ohrfeige kam er wieder zu sich, schaute sich um und bemerkte, dass ihn alle angafften. "Was!" blaffte er und verließ mit hoch rotem Kopf die Bar.

Es dauerte einige Zeit, aber schon bald kehrte die übliche Stimmung wieder ein und der Vorfall war vergessen. Nur Doront bewegte sich immer noch kein Stück. Nach einer gefühlten Ewigkeit seufzte er, trank sein Glas leer und stemmte sich vom Hocker. Er warf seinen Lederwams über die Schulter und wollte sich gerade umdrehen, als ihn eine stark behaarte Hand am Arm fest hielt. Sie reichte über den Tresen und gehörte unwiderruflich dem Besitzer dieser Etablissement. Keine besondere Auszeichnung, aber der Griff war stark und löste sich kein bisschen. Doront blickte ihn an. Der Besitzer sprach.

"Was gedenkst du jetzt zu tun?"

"Isch werde mich wohl verpissen, wo nach sieht es denn bitte aus?"

"Das ist natürlich erlaubt, aber." Die massive Hand löste sich und nahm die Form einer Schaufel an. "vorerst bezahlst Du mich natürlich."

Doront spürte wie er schlagartig nüchtern wurde. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Vor seinem inneren Auge spielten sich diverse Szenarien ab und alle beinhalteten die Tatsache, dass er nicht auch nur ein Stück davon besaß, was hier wohl als Währung durchgehen würde. Er atmete tief durch und baute sich zu seiner vollen Größe auf, welche auch in leichter Schieflage, immer noch recht beeindruckend wirkte. So überzeugend, wie er es vortragen konnte, formulierte er folgende Worte:

"Nun, edler Herr. Wusstet ihr, dass ich der prophezeite Held bin, von dem alle Legenden berichten?" Nachdem er ausgesprochen hatte, kotzte er dem Wirt ausgiebig auf den Tresen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 20, 2018 ⏰

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