Henry
Die Physiotherapeuten meinen es gut mit mir, das weiß ich. Aber mein Körper schmerzt bei jedem Schritt, ich schaffe es gerade so, mich aufrecht zu halten, ohne dass mein Kreislauf schlapp macht. Das ist schon ein riesiger Erfolg, denn als ich das erste Mal mein Bett verlassen wollte, gaben meine Beine unter mir nach und ich lag der Länge nach auf dem Boden.
Doch ich strenge mich an. Niemand will einen invaliden König sehen!
„Sie machen das sehr gut", lobt mich der Therapeut und ich folge ihm langsam den abgesperrten Gang entlang. Ich weiß, dass die Paparazzi nur auf einen Schnappschuss von mir warten. Aber den werden sie nicht kriegen.
Meine Beine zittern vor Anstrengung. Ich schleppe mich noch einen Schritt und noch einen. Dann habe ich endlich mein Zimmer erreicht und freue mich schon, mich in mein Bett zu legen, um mich auszuruhen.
„Du machst Fortschritte", höre ich ihre wohlmeinende Stimme und stöhne innerlich über ihr Timing.
„Hallo, Großmutter", sage ich höflich und lasse mir vom Therapeuten ins Bett helfen. Als ich liege, schaue ich ihr ins Gesicht. Sie ist allein und mustert mich genau. Wahrscheinlich biete ich einen grauenvollen Anblick, denn sie wendet sich von mir ab und sieht aus dem Fenster. Ich weiß, dass ich ausgemergelt bin, meine Haut ist noch fahl und meinen Augen fehlt der Glanz des Lebens. Aber ich weile auch erst seit gestern unter den Lebenden, also kann sie noch nicht viel erwarten.
„Ich freue mich, dass es dir besser geht", sagt sie und kommt neben mein Bett. Ihre Hand umfasst meine und ich bin gezwungen, ihr ins Gesicht zu sehen. „Du siehst schlecht aus.
Behandeln sie dich anständig?"
Ich nicke. „Ja, sie sind sehr freundlich zu mir."
Die Queen zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich. Anscheinend haben wir den Smalltalk beendet und begeben uns nun zum eigentlichen Anliegen. Denn eines ist sicher: meine Großmutter kommt nie einfach so zu Besuch.
„Henry", sagt sie und sieht mich ernst an. „Ich weiß, du bist mit anderen Dingen beschäftigt, aber ich bitte dich, noch einmal darüber nachzudenken, ob du König werden willst." Es ist das erste Mal, dass sie eine Bitte freundlich und nahezu flehend formuliert. Ich rutsche weiter nach oben, um Zeit zu schinden.
„Ich werde dein Nachfolger", antworte ich mit fester Stimme. Für einen Moment schließt die Queen die Augen und als sie sie wieder öffnet, stehen tatsächlich Tränen darin.
„Ich danke dir, Henry", sagt sie ergriffen. „Ich bin mehr als erleichtert über deine Antwort." „Aber ich habe Bedingungen", sage ich.
„Welche?", fragt sie und ist wieder die unnahbare Geschäftsfrau.
„Ich möchte, dass du das Kontaktverbot mit Tori aufhebst. Ich werde sie heiraten. Weiterhin möchte ich..."
„Nein", unterbricht sie mich scharf. „Auf gar keinen Fall werde ich das tun. Dieses Mädchen ist der Grund für deinen Unfall." Ich wusste, dass sie dagegen ist.
„Dann wirst du wohl ohne Thronfolger auskommen müssen", erwidere ich ebenso gereizt. Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen.
„William würde das Amt genauso gut bekleiden wie du. Vielleicht sogar besser", fügt sie spitz hinzu. „Ach, würde er das?", sage ich. „Dann ernenne ihn doch vor dem Volk zu deinem Nachfolger. Denkst du etwa, ich bin scharf darauf, König zu werden? Ich habe weitaus anderes zu tun, als diese Land zu repräsentieren. Also kannst du getrost jemand anderen wählen."
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Story of my Life - verzweifelte Hoffnung
RandomDer weltberühmte Philosoph Nietzsche sagte: „Hast du eine große Freude an etwas gehabt, so nimm Abchied! Nie kommt es zum zweiten Male." Tori ist verzweifelt, ausgelaugt und ein Schatten ihrer Selbst. Zu Silvester wollte sie sich mit Henry t...