Kapitel 1

190 10 2
                                    

Zum wiederholten mal schwieg ich. Ich wusste einfach nicht was ich antworten sollte. War ich dabei? Ja. Habe ich alles mit angesehen? Ja. Aber wusste ich warum? Nein. Natürlich wusste ich nicht, warum. Der Schmerz saß einfach zu tief, als dass ich auch nur ein Wort über meine Lippen bringen konnte.

Ich senkte meinen Kopf und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Die Tränen traten mir wieder

in die Augen und mein Kopf machte zu.

Ich hörte schon lange nicht mehr dieWorte des FBI Agenten. Das Leben an sich zog nun schon seit zwei Wochen an mir vorbei als wäre ich nur ein Schatten meiner Selbst. Ich ging seit diesem Tag auch nicht mehr zur Schule. Ich hatte es seit diesem Tag gerade nur geschafft aus meinem Bett zu kriechen, ins Auto zu steigen und in den Verhörraum einzutreten, wo ich wie ein Häufchen Elend auf dem Stuhl zusammen sackte.

Ich wollte nicht mehr. Konnten mich nicht einfach alle in Ruhe lassen? Was hatte ich ihnen den getan, dass sie mich so verhörten. Hat denn keiner Mitgefühl?

„Rivana. Ich verstehe, dass du trauerst, aber wir müssen dir dennoch Fragen zu diesem Tag stellen. Du warst die einzige Zeugin vor Ort."

Ich hob den Kopf ein wenig, so dass meine verheulten Augen nur leicht über meinen Fingern hervorschauten. Der FBI Agent hieß Miller oder so. So hatte er sich zumindest bei mir am ersten Tag vorgestellt. Ich wusste nicht genau was das FBI von mir wollte, geschweige denn, was Jonathan mit ihnen zu schaffen hatte. Jonathan...

Ein neuer Heulkrampf kroch meinen Hals hinauf und ich fing an wie die letzten Tage panisch zu zittern und meine Augen zusammen zu kneifen. Dann kamen die Bilder.

Mein Bruder und ich zusammen auf den Straßen von New York. Es dämmerte schon leicht und nach und nach gingen die Neonleuchten an und erhellten die dunklen Ecken. Ein schwarzer Van direkt vor uns. Das Fenster fuhrt herunter und der Lauf einer Pistole kam zum Vorschein. Jonathan der mich schreiend zu Boden drückt und dann... Blut. Überall Blut. Ich konnte es immer noch auf meinen Lippen schmecken, es in der Luft riechen. Ein schwerer Körper sackte auf mir zusammen und das Auto entfernte sich mit quietschenden Reifen.

„Rivana? Hast du mir gerade zugehört?"

Ich öffnete wieder meine Augen und schluckte die Tränen herunter. Ich nahm meine Hände von meinem Gesicht und setzte mich gerade auf den Metallstuhl, den Blick starr auf den Spiegel hinter Miller gerichtet. Langsam begann ich zu reden. Leise es war nur ein Flüstern, aber zu mehr war ich seit dem Mord an meinem Bruder einfach nicht im Stande.

„Können sie die Frage wiederholen?"

Meine Hände fingen wieder an zu zittern und ich biss mir auf die Unterlippe bis sie schmerzte.

„Ich habe dich gefragt, ob du wusstest, dass dein Bruder dich adoptieren wollte?"

Verunsichert richtete ich meinen Blick nun doch in das raue und faltige Gesicht von Agent Miller. Er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf und sein Gesicht war braun gebrannt. Seine kalten grauen Augen wirkten fast leblos. Er gab einem immer das Gefühl der letzte Dreck zu sein und es wäre eine Ehre mit ihm reden zu dürfen.

„Ich wusste, dass mein Bruder einen Job angenommen hatte. Schon ein paar Jahre her und mit dem verdienten Geld sich und mir ein Leben aufbauen wollte."

Bei dem Gedanken an meine liebevollen und großmütigen Bruder wurde mir wieder ganz kalt. Etwas in mir drinnen schmerzte. Etwas, dass sicher mal mein Herz gewesen war.

Miller stand auf und ging zur Tür um sie zu öffnen. Er bedeutete mir heraus zu gehen und ich folgte stumm seiner Anweisung. Ich trat auf den grell erleuchteten Flur.

Amare I Cattivi // verliebt in die bösen Jungs - Rivana&MarcusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt