Fenster zur Seele

72 15 25
                                    

Es war einmal ein recht normales Kind, so normal, dass eine Beschreibung so, wie viele andere wäre. Dies wäre jedoch nur der Fall, wenn man es nach seinem Aussehen beurteilen würde.

Normal groß war es. Normal gekleidet war es auch. Ja, sogar seine Haare waren so normal, dass sie sich kaum von seinen Mitmenschen unterschied.

Jedoch... Eine Sache an diesem Kind war nie normal gewesen...

Sah man ihm in die Augen, so war da nichts Normales. Immer hieß es, dass die Augen die Fenster zur Seele und die Spiegel der Gedanken wären, weswegen man ja annehmen könnte, dass es keine Augen geben könnte, die "normal" wären. Doch war hier, in dieser Welt, Alles und Jeder so normal, dass man das Gefühl bekam, immer in die selben Augen zu blicken. Augen voller Gedanken und Gefühle zwar, doch alle beherrscht von normalen, alltäglichen Themen.

"Wie wird das Wetter morgen? Kann ich so auf die Straße gehen? Sehe ich normal aus? Gehöre ich dazu?"

So waren die Augen dieser Menschen folglich auch normal...

Es gab jedoch diese eine Ausnahme, dieses eine Kind.

Blickte man in die Augen dieses Kindes, so war da etwas nicht Normales, etwas Anderes. Dieses "Andere", dieses "Anders-Sein", stieß die anderen Kinder ab, isolierte dieses eine Kind.

Man hätte mit diesem "nicht normalen" Kind Mitleid bekommen können, doch dieses Mitleid würde sich legen, sobald man sich die Zeit nehmen würde, sein Anders-Sein zu studieren, es zu betrachten, zu verstehen, zu akzeptieren.

Man würde diesem Kind in die Augen blicken, in diese Spiegel seiner selbst und in diesem Moment würde es geschehen.

Man sah anders. Man sah, dass des Kindes Gedanken anders waren. Seine Augen schienen wie eine Galaxie, so viele Gedanken und Gefühle und Ideen. Alles gefüllt mit Anders, isoliert von den Gleichen.

Waren die Augen Aller gleich, so waren die seinen ein Unikat, gefüllt mit ehrlichen Wünschen und unendlichen Gedanken.

Wenn es auch dies war, was das Kind von den Anderen unterschied, isolierte, so war das Kind darüber nicht traurig. Während andere damit beschäftigt waren, ihre Augen gleich zu halten, viel Gleiches zu denken, sich das Gleiche zu wünschen, nicht aus der Masse hervorzustechen, da suchte man das Kind vergeblich in diesen Massen, diesem Strom der Gleichheit.

Suchte man dann jedoch beharrlich weiter, so fand man dieses eine Kind mit etwas Glück in dessen kleinen Garten, hinter dem normalen Haus seiner normalen Eltern, wo es nun unter einem normalen Apfelbaum saß, die nackten Füße im normalen Gras vergraben und den Kopf an der ach-so-normalen Rinde gelehnt. Mit seinen so wunderschön anderen Augen saß es nun dort, ließ die normalen Wolken bei Tag und die normalen Sterne des Nachts an sich vorüberziehen und dachte anders. Dachte seine Gedanken, im Geiste weit weg von all der Gleichheit, den Zwängen und Grenzen. Dachte frei. Mit jedem Anders, welches das Kindlein sich selbst erdachte und herbeiwünschte, wurden seine Augen anders, heller, bunter, anders, einfach einzigartig.

Dies ließ die Normalen vor dem Kind zurückweichen. Gleichzeitig füllte das Andere das Herz des kleinen Kindes, machte es glücklich, zufrieden, bunt.

So wurde es immer zufriedener, glücklicher, bunter. Es störte sich nicht daran, dass sich die Anderen von ihm distanzierten, es von ihnen isoliert wurde. Es verspürte zwar den Drang, akzeptiert zu werden, doch was hätte es dem Kind gebracht?

Gleichheit unter Vielen, Unzufriedenheit, triste Gedanken und Zwang.

Lieber bunt, glücklich und zufrieden allein unter einem Apfelbaum, sich nicht-ganz-normale Dinge wünschen und eigene Gedanken denken, dachte das Kind.

Alleinsein muss nicht das Gleiche wie Einsamkeit bedeuten, denn einsam kann man ohne Wünsche und Träume und mit falschen Freunden sein.

•●•●•●•●•●•●•●•●•●•●•●•●•●•
Ich hoffe, euch gefällt diese kleine Geschichte😊
Zum besseren Verständnis des Buches: Dies hier war eine eigenständige Geschichte, während hiernach eine neue (mit zwei bis drei Kapiteln) folgen wird😁 Ich hoffe jedoch, dass euch diese auch noch gefallen wird😄

Fenster zur Seele #DreamAward2018 #BeginnerAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt