Mel
Der Abschied von meiner Gefährtin war hart. Es tat mir im Herzen weh, wie sie versucht hatte, ihre Gefühle zu verbergen. Obwohl es mir nicht anders ging, lächelte ich sie an, bis ich sie nicht mehr sehen konnte.Es fühlte sich an, als könnte ich körperlich spüren, wie wir uns weiter entfernten. Vermutlich war es auch so.
Die Fahrt dauerte lang, doch ich nutzte die fast fünf Stunden, um noch einmal meine wichtigsten Aufzeichnungen durchzugehen. Ich musste mich ablenken und lernen war dafür das richtige, gerade, wenn ich bereits am nächsten Tag die erste Prüfung bestehen musste.
Als ich irgendwann aufsah, fuhr das Taxi direkt auf einen Wald zu, links von uns war ein großer See zu erkennen und wenn ich meinem Wissen über Vegetation vertrauen konnte, befanden wir uns irgendwo an der kanadischen Grenze.
Ich spürte die Energie des Tarnzaubers, als wir den feinen Schutzzauber passierten. Ich hatte vom Taxifahrer gleich übernatürliche Schwingungen empfangen. Ich schätzte auf einfachen Zauberer, vielleicht dritte oder vierte Generation. Ich war stolz darauf, mein Wissen in den letzten Jahren durchgängig erweitert zu haben.
Jenna war meine Professorin, doch sie hatte mich auch mit anderen Wissenschaftlern und Meistern ihres Faches zusammen gebracht.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst bemerkte, dass wir angehalten hatten, als der Fahrer mir galant die Tür öffnete. Er reichte mir mein Gepäck und ich bedankte mich mit einer Verbeugung.
Ich trat auf das große Gebäude zu und erschrak etwas, als direkt vor mir ein kleiner Greis erschien, der mit verkniffenem Gesicht auf ein Klemmbrett starrte. "Melanie Winters." Obwohl es nicht wie eine Frage klang, bestätigte ich es. Als er mir kurz in die Augen sah, um seine Pupille erschien ein goldener Kranz, der schnell wieder verschwunden war, bemerkte ich auch die spitzen Eckzähne.
"Professor Ikran, freut mich. Zimmer 136. Viel Erfolg."
Seine Stimme klang nicht so alt, wie er aussah, doch die Abweisung war herauszuhören. Im nächsten Moment war er auch schon wieder verschwunden. Nachdem ich einen Moment durchgeatmet hatte, zuckte ich mit den Schultern und ging weiter die Steintreppe nach oben.
Drinnen erwartete mich ein großes Foyer, aus dem zwei Seitengänge abgingen, einer führte zu einer großen Küche, der andere zu Zimmern, an denen Zahlen angebracht waren.
Eins, drei, sechs. Gefunden. Ich öffnete vorsichtig die Tür, doch es war noch niemand da. In dem Raum gab es drei Betten und eine Tür, die zu einem kleinen Badezimmer führte.
Ich hatte mir die Hände gewaschen, aber noch hing kein Handtuch an den Haken, deshalb ging ich wieder in das Zimmer, wo mich ein junger Mann erwartete, vielleicht etwas älter als ich.
"Hey, ich bin Melanie", stellte ich mich lächelnd vor und reichte ihm die Hand, die der Braunhaarige aber nur mit großen Augen anstarrte. Als ein Wassertropfen auf den Boden fiel, wich er einen Schritt zurück.
"Oh, entschuldige." Schnell wischte ich die nassen Hände an meiner Hose ab und wandte mich von ihm ab. Er sah aus, als hätte er einen Geist gesehen.
"Ähm, hi, ich bin Stan." Seine Stimme klang dünn und er räusperte sich einmal. Ich setzte mich auf das Bett und begann, den Koffer auszuräumen. Der Raum war recht groß und es gab drei Schränke und einen Tisch mit drei Stühlen.
"Hey ho, meine Zimmergenossen!", brüllte plötzlich eine Mädchenstimme und ich musste mich zusammenreißen, nicht vor Schreck aufzuspringen. Stan schien es nicht anders zu gehen, denn er ließ sich mit aufgerissenen Augen auf ein anderes Bett sinken und ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern.
Ich konnte auch niemanden sehen, doch ich konnte eine durchscheinende Energie spüren. Es war schwierig zu beschreiben, es fühlte sich an, als wäre sie nur halb zu fassen.
"Sorry!", brüllte die Stimme nun direkt hinter mir und bevor ich wirklich reagieren konnte, hatte Stan schon eine Warnung geschrien und seine Hand auf das Mädchen hinter mir gerichtet. Aus dieser schoss ein kräftiger Wasserstrahl, er kam direkt auf mich zu. Die helle Stimme schrie auf und ich spürte Fingernägel, die sich in meine Schultern krallten.
Erschrocken beschwerte ich mich mit einem "Aua!" und hob abwehrend meine Hände, um das Wasser aufzuhalten. Es war alles so schnell gegangen, ich hatte nicht nachgedacht. Ich spürte eine seltsame Kälte an meinen Händen und als ich die Augen wieder öffnete, begann nur etwa zwanzig Zentimeter von meinem Gesicht entfernt ein Eisstrahl, der bis zu der Hand des Jungen zurück führte.
Für einen Augenblick sagte niemand etwas, es war vollkommen ruhig. Die riesigen blauen Augen des Jungen waren auf mich gerichtet und wanderten dann zu dem Eis an seiner Hand.
Ich rutschte etwas zur Seite und stand dann auf, um ein paar Schritte von der Situation wegzutreten.
Auf meinem Bett, der Eisstrahl war nun auf sie gerichtet, saß ein blondgelocktes Mädchen in einem weißen Kleid, ihre gesamte Erscheinung wirkte durchscheinend.Sowohl ihre, als auch seine Augen waren auf mich gerichtet.
"Okay, ruhig bleiben", murmelte ich und richtete meine Hand auf den Eisstrahl, mit einem Klirren zerbrach er und landete in Brocken auf dem Boden, die sich in weißem Dampf auflösten. Erleichtert rieb sich der Braunhaarige über die Hand und setzte sich in einen Schneidersitz.
"Wer bist du?" Seltsamerweise konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als ich das Mädchen anschaute. Sie musste jünger sein, als wir, vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahre alt.
"Hey ho, ich bin Sina. Und ihr?" Ihr Grinsen lockerte die Situation weiter auf und ich setzte mich mit leichter Entfernung zu ihr wieder auf mein Bett. Als wir uns vorgestellt hatten, entschuldigte sie sich noch einmal für ihren Auftritt.
"Wisst ihr, ich bin ein Geist, aber ich habe meine Kräfte nicht immer unter Kontrolle, wenn ich aufgeregt bin. Dann verschwinde ich einfach und tauche wieder auf, einfach so, ich habe darauf keinen Einfluss. Was seid ihr so?"
Ihr Grinsen wirkte unschuldig und ich glaubte, dass ihr niemand lange böse sein konnte.
"Ich besitze Hexenblut."
Abwartend sah ich zu Stan, der meinem Blick auswich und sich nur auf Sina konzentrierte. "Ich bin Nymph."
Ich war etwas überrascht, als ich an seine Reaktion auf Wasser dachte, doch ich überging das einfach und fragte, ob die beiden wussten, wie das hier ablaufen sollte.
Scheinbar sollte es bald eine Versammlung aller Teilnehmer geben, um die Regeln zu erklären.
So war es dann auch, etwa eine halbe Stunde später standen Stan, Sina und ich zusammen mit etwa zwanzig anderen magisch Begabten im Foyer des Hauses und auf einer Treppe nach oben standen drei Professoren, darunter auch der alte Vampir.
~ ~ ~
So, hier nun endlich das lang aufgeschobene Kapitel!
Da ich wieder aus dem Rhythmus gekommen bin, werde ich diesen für die letzten Kapitel auch nicht beibehalten, tut mir Leid.
Je nachdem, wie das vorschreiben klappt, werde ich das nächste Kapitel im Laufe der Woche hochladen.Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende und möchte mich noch mal ganz herzlich bei euch bedanken!
Über 7K Reads, damit hätte ich nie gerechnet, als ich diese Geschichte vor fast zehn Monaten angefangen habe zu schreiben!
LG SerenaTopas
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Wolfsbrut - Die Gefährtin (gxg)
WerwolfMensch und Wolfswandler. Ein emotionales Band. Liebe? Bereits nach der ersten Begegnung spüren Melanie und Luna, dass die Anziehung zwischen ihnen größer ist, als es der Fall sein sollte. Als sie sich näher kennenlernen, enthüllt Luna Mel gegenüber...