Angst

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Es war einmal ein Mädchen, welches immerzu auf der Flucht war. Seitdem ihre Beine sie trugen rannte sie um ihr Leben. Sie wurde von zwei Dämonen verfolgt; zwei Gestalten mit spitzen Zähnen, langen Hühnerbeinen und furchterregenden Krallen.
Sie hatten ihre schwarzen Augen auf das Mädchen geheftet und sie konnte den Blutdurst darin erkennen, wenn sie sich zu ihnen umdrehte. Aber dennoch blieb sie auch manchmal stehen, um sich ihren Dämonen zu stellen.
Dann kämpfte sie tagelang mit ihnen, bis entweder sie oder die Dämonen den Kampf gewannen. Das konnte sehr unterschiedlich sein, aber am Ende überlebten immer beide Seiten und die Flucht ging irgendwann weiter. 


Auf ihrer Flucht traf sie allerdings auch andere Menschen.
Sie traf mal jemanden, der sie nachsichtig anlächelte und sagte: "Ich weiß, dass dir das Probleme macht, aber du musst das in den Griff bekommen, wenn du später nicht noch mehr Probleme bekommen willst." Und sie hätte fast gelacht, weil dieser Mensch keine Ahnung hatte. Seine Dämonen waren klein und flauschig und schienen keinem etwas tun zu wollen.
Aber sie hatte keine Zeit zu lachen, denn sie war noch immer auf der Flucht.
Dann traf sie eine Frau und ihre Beine waren muskulös von den vielen Jahren des Rennens und ihre Arme waren kräftig von den jahrelangen Kämpfen. Und die Frau lächelte verständnisvoll und das Mädchen hätte sich gerne mit ihr unterhalten, aber die Dämonen waren ihr noch immer auf den Fersen und so konnte sie nicht anhalten.
Und manchmal da stolperte das Mädchen und fiel, aber dann kamen die Hände und halfen ihr wieder auf. Und sie sah, dass die Hände Menschen gehörten. Deren Dämonen waren klein, aber das Mädchen wusste, dass sie in der Nacht wachsen konnten. Das Mädchen lächelte dankbar und sie wusste, dass sie nicht allein war. Aber sie hatte keine Zeit mit diesen Menschen zu reden und so rannte sie weiter.
Einmal traf sie auf jemanden, der schien sich über sie und ihren Kampf zu amüsieren. Er hatte seine Dämonen eingesperrt in kleinen Käfigen und schien sich vor nichts zu fürchten. Er lachte und manchmal lachte sie mit ihm, weil sie die Ironie erkannte. Und für eine Sekunde hielt sie an, weil sie der Mann faszinierte, der seinen Dämonen scheinbar gebändigt hatte. Aber als ihre Dämonen ihr im Nacken erschienen, wurde ihr klar, dass sie dazu nicht in der Lage war.
Und dann war da noch Einer, dessen Dämonen klammerten sich an ihm fest. Er lächelte das Mädchen voller Mitleid an, machte aber keine Anstalten ihr zu helfen. Und das Mädchen wurde wütend, denn sie wollte kein Mitleid. Ihr wurde bewusst, dass der Mann nur ihre Dämonen sah und das machte sie wütend und traurig. Denn ihr Leben hatte aus nichts außer Flucht und Kampf bestanden.
Der letzte Mensch, den sie auf ihrer Flucht sah, starrte sie nur wütend an. Seine Augen schienen zu fragen: "Was zur Hölle tust du da?" Und dann hielt sie an. Und sie bemerkte, dass er seine Dämonen respektvoll behandelte. Obwohl sie an seinem Kopf knabberten, lachte er nur und nannte sie liebevoll "Bommel" und "Schnurps". Und da musste auch das Mädchen lachen.
Sie wandte sich um, zu ihren eigenen Dämonen. Und zum ersten Mal schien sie ihnen richtig in die Augen zu sehen und sie erkannte, dass deren Augen braun und nicht schwarz waren.
Sie sagte: "Ich bin müde und ihr seht auch aus, als ob ihr eine Pause gebrauchen könntet. Wollen wir Frieden schließen?" Und sie streckte ihre Hand aus.
Die Dämonen sahen sie misstrauisch an, aber auch ihre Körper waren von der Anstrengung gezeichnet und so schlugen sie beide ein. 

Von diesem Tage liefen sie immer nebeneinander, ohne sich gehetzt zu fühlen. Einmal wäre das Mädchen fast in eine Schlucht gefallen, aber die Dämonen hatten sie noch rechtzeitig zurückgehalten und sie so vor ihrem sicheren Tod bewahrt.                                                                 

 Dann eines Tages erreichte sie einen Ort an dem ein paar Menschen saßen und lachten. Das Mädchen konnte keine Dämonen erkennen, aber das musste nichts bedeuten, denn sie konnten sich manchmal unsichtbar machen. 

Das Mädchen wollte zu diesen Menschen gehen, aber ihre Dämonen hielten sie noch einen Moment zurück.
"Sei vorsichtig.", sagten sie. "Diese Menschen können dich verletzten."
"Ich weiß.", erwiderte sie. "Aber ich habe keine Angst." Sie ging zu der Gruppe, wo man scheinbar schon auf sie gewartet hatte.
Und für diesen Moment waren die Dämonen verschwunden.

AngstWhere stories live. Discover now