Morgen danach

184 20 13
                                    

Als Sam am nächsten Morgen erwachte, schlief Luzifer noch. Auf seiner Luftmatratze setzte Sam sich auf und betrachtete seinen Übernachtungsgast. Mit im Schlaf entspannten Gesichtszügen wirkte er jünger, das zerzauste Haar ließ ihn fast niedlich wirken.

Sam wartete, ob er anfangen würde zu bereuen, was in der vergangenen Nacht passiert war, aber das tat er nicht. Er wollte diese Sache mit Luzifer immer noch so lange genießen, wie er konnte. Es würde sicher nicht lange halten, immerhin wollte er Anwalt werden, während es nicht so aussah, als habe Luzifer vor, seine Verbrecherkarriere an den Nagel zu hängen. Wenn es endete, war es dann wahrscheinlich auch besser so. Aber bis da hin ...

Unten in der Küche konnte er Dean hantieren hören, hoffentlich um Frühstück für sie alle zubereiten. Es war Sonntag, und da gab es normalerweise Pfannkuchen.

Sam war sich sicher, dass zumindest ein paar der Waffen, die er gestern gesehen hatte, für die Nacht unter Luzifers Kopfkissen verschwunden waren, also vermied er es, Luzifer anzufassen, um zu ihn wecken. Leute, die mit einer Pistole unter dem Kopfkissen schliefen, behandelte man besser mit möglichst großer Vorsicht.

„Luzifer?"

Der Angesprochene murmelte irgendetwas im Halbschlaf.

„Luzifer, ich glaube, Dean macht Frühstück."

Langsam öffnete Luzifer die blauen Augen. „Hast du gerade Frühstück gesagt?"

----------------------------

Sam verschwand zuerst im Bad und ignorierte dabei Luzifers halbherzigen Vorschlag, gemeinsam zu duschen. Der Verbrecher hatte seine Wunde am vergangenen Abend tatsächlich wieder aufgerissen, und so langsam schien es selbst in seinen Dickschädel einzusickern, dass es Dinge gab, die er im Moment nicht tun konnte.

Während Luzifer schließlich als zweiter allein unter der Dusche stieg, ging Sam in die Küche hinunter. Er hatte recht gehabt. Dean stand am Herd und es roch verlockend nach Pfannkuchen.

Sein Bruder drehte sich nicht einmal um, als Sam die Küche betrat. „Gutes Timing, Sammy. Frühstück ist so gut wie fertig."

Sam lächelte. „Riecht lecker."

„Schmeckt auch lecker, darauf kannst du dich verlassen."

„Glaub ich gerne ... Aber ... ähm ... eventuell müsstest du ein paar mehr davon machen."

Dean wendete den Pfannkuchen in seiner Pfanne und drehte sich nun endlich um. „Wir haben Gäste?"

„Einen Gast." Es brachte nichts, die Sache hhinauszuzögern, dennoch ertappte Sam sich dabei, wie er verlegen auf seine Füße starrte.

„Ja?"

„Nick."

„Ach?"

Als es Sam endlich gelang, seinem Bruder wieder ins Gesicht zu sehen, stand mehr als nur ein wenig Skepsis in Deans Blick. „Hat er dich nicht versetzt? Kevin hat's mir erzählt."

„Ja, er ... ähm ... hatte ein bisschen Probleme auf dem Hinweg. Ist dann später noch vorbeigekommen."

„Und über Nacht geblieben?"

Sam nickte.

Dean stieß einen langen Atemzug aus und zerzauste sich mit der freien Hand die Frisur. „Weißt du, als ich gesagt habe, es täte dir gut, einen hübschen Blondschopf abzuschleppen, dachte ich an dieses Mädchen aus deinen Vorlesungen ... Wie hieß sie noch? Jess?"

Das war genau die Art von Bemerkung, vor der Sam sich gefürchtet hatte. Er holte tief Luft. „Also ist es ein Problem, dass Nick ein Mann ist?"

„Nein." Das stimmte vielleicht sogar. Dean war nicht homophob. Er war immerhin der Erste, der sich mit Charlie angefreundet hatte. Trotzdem war Sam ziemlich sicher, dass Dean der Gedanke von seinem kleinen Bruder mit einem anderen Mann nicht sonderlich behagte. „Es ist ein Problem, dass er deutlich älter ist als du, ein verdammter Lehrer, und dass er offensichtlich auf ziemlich fragwürdige Art eine ganze Menge Geld verdient."

Da hatte Dean natürlich nicht so ganz unrecht – abgesehen von der Behauptung, dass Nick ein Lehrer war, aber das war die Lüge, die sie ihm aufgetischt hatten. Trotzdem wurde Sam wütend. „Er hat außerdem Bobbys Rechnungen bezahlt."

„Also schläfst du mit ihm, weil du meinst, du schuldest ihm was?"

„Oh, ich hoffe nicht."

Beim Klang von Luzifers Stimme zuckte Sam zusammen. Der ältere Mann lehnte im Türrahmen, das Haar noch feucht vom Duschen. Sams Klamotten passten ihm ziemlich gut, und er sah eindeutig viel zu attraktiv aus.

„Ich meine", fuhr er fort, „ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es sehr deutlich gemacht habe, dass niemand von euch mir dafür was schuldet."

Dean musterte ihn einen Moment lang mit düsterer Miene. „Hast du vor, meinen kleinen Bruder in Schwierigkeiten zu bringen?"

Luzifer zog eine Augenbraue in die Höhe. „Mit der fragwürdigen Art, auf die ich mein Geld verdiene?"

„Zum Beispiel." Dean stellte kurz sicher, dass der Pfannkuchen nicht anbrannte, dann wandte er sich wieder Luzifer zu. „Hör zu, das Gesetz ist mir ziemlich schnuppe. Mir ist nur wichtig, dass Sammy nichts passiert. Verstanden?"

„Ja, Sir!" Um Luzifers Lippen spielte ein spöttisches Grinsen, und Sam verzog das Gesicht. Das konnte nicht gut enden.

„Verarsch mich nicht. Hast du mich verstanden oder nicht?"

„Habe ich, und mir ist es auch ziemlich wichtig, dass Sam nichts passiert." Diesmal wirkte Luzifer vollkommen ernst.

Der Augenblick zog sich in die Länge, doch schließlich nickte Dean und wandte sich wieder dem Herd zu. „Wie viele Pfannkuchen willst du?"

Sam atmete auf.

------------------------

Danach lief es größtenteils gut. Luzifer ließ sich nicht anmerken, dass er verletzt war, während er an der Kaffeemaschine herumhantierte – Sam war sich nicht sicher, wie genau es dazu gekommen war, dass Luzifer Kaffee kochte, aber er wollte sich nicht beschweren. Nach einer Weile kam Charlie dazu, dann Kevin. Beide waren überrascht, ihren unerwarteten Gast zu sehen, aber freundlich.

„Also", fragte Charlie nach ihrem ersten Pfannkuchen, „was unterrichtest du eigentlich, Nick?"

Luzifer lächelte. „Ich bin nur Gastdozent. Im Moment unterrichte ich gar nichts, aber manchmal halte ich Kurse in Kriminilogie. Und Selbstverteidigung."

Sam verschluckte sich beinahe an seinem Pfannkuchen, aber immerhin war es keine komplette Lüge. Kurz darauf lenkte Luzifer das Gespräch in eine andere Richtung, und falls er ein wenig zu interessiert an Charlies Computerkenntnissen war, dann war Sam der Einzige, der es bemerkte.

Sam allerdings behielt vor allem Dean im Auge. Sein Bruder wirkte immer noch recht skeptisch, aber nicht feindselig. Und als Luzifer damit begann, über den Impala zu schwärmen, hellte sich Deans Miene sichtlich auf. Sam zeigte Luzifer den Daumen nach oben, als sein Bruder kurz nicht hinsah.

Sich eine halbe Stunde lang ordentlich zu benehmen, war aber natürlich das höchste der Gefühle, was man von Luzifer erwarten konnte. Als es Zeit wurde, sich zu verabschieden, zog er Sam zu sich heran und küsste ihn auf eine Art, die alles andere als jugendfrei war.

Halb auf dem Weg die Treppe hinauf hielt Charlie inne, um einen leisen Pfiff auszustoßen. Dean dagegen wirkte deutlich weniger begeistert. „Ernsthaft?", beschwerte er sich. „Müsst ihr das mitten im Flur tun?"

Sam lachte in den Kuss. „Ja!"

„Ich melde mich", flüsterte Luzifer ihm ins Ohr. Dann war er fort.

Als Sam sich auf den Weg zurück in sein Zimmer machte, lehnte Charlie in ihrer eigenen Tür als hätte sie auf ihn gewartet. Sie grinste. „Komm rein, lass uns ein kleines Mädelsgespräch führen. Ich will im Detail wissen, was letzte Nacht passiert ist."

Sam hob abwehrend eine Hand. „Keine Chance, Charlie."

„Ach, komm schon!"

Er schüttelte den Kopf und schob sich an ihr vorbei in Richtung seiner Tür.

„Mädelsgespräch, Sam! Wir können uns dabei sogar gegenseitig Zöpfe flechten!"

Sam lachte. „Ist das ein besonders schlechter Bestechungsversuch?"

Charlie hob die Schultern. „War immerhin einen Versuch wert."

FamilienbandeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt