Fast jeden Tag wenn ich zu der Akademie fahre, sehe ich dieses Mädchen am Bahnhof sitzen. Nicht weit von ihr sitzt immer eine Taube. Ich kann nicht sagen ob es jeden Tag die gleiche Taube ist, aber es ist immer das gleiche Mädchen. Sie ist wie eine geschlossene Blume, kurz vor dem erblühen. Die braunen, lockigen Haare haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Genauso wie ihre tiefen blauen Augen. Wir haben nie ein Wort mit einander gewechselt aber mir ist sofort klar geworden das ich vieles mit diesem Mädchen gemeinsam habe. Denn jeden Tag hat sie ein Buch dabei oder einen Block. Dieses Buch oder dieser Block sind nicht für die Schule, sie benutzt diese Dinge für etwas ganz anderes. Woher ich das weiß? Sie sieht dabei immer verträumt in die Luft. Sie strengt sich aus Leidenschaft an, nicht weil sie Aufgaben von Mathe lösen muss, oder über ein Referat nachdenkt was sie bald halten muss. Nein, bei solchen Dingen sieht sie anders aus. Anders wie die anderen Mädchen oder Jungs, zieht sie nicht andauernd ihr Handy aus der Tasche und selbst wenn sie schreibt oder liest, beobachtet sie die Umgebung. Ich hab das Gefühl das sie genau weis das ich sie beobachte. Vor ein paar Tagen hat sie den Platz neben sich frei gemacht und mir mit einem Lächeln zu verstehen gegeben das ich mich ruhig neben sie setzen kann. In ihrem Blick war etwas besonderes. Sie sah mich mit einem anderen Blick an wie es die meisten tun. Ihr Blick war frei von Vorurteilen, frei von jeder Meinung und frei von jeglicher Arroganz. Sie betrachtete mich mit den Augen eines Kindes für den jeder Mensch etwas neues war. Dabei ist sie gar kein Kind. Ich glaube sogar das sie ein paar Jahre älter als ich ist. Die Taube hockt noch immer neben ihr. Eine Ratte der Luft sitzt neben etwas bezauberndem. Das Ying und Yang. Wir sprechen nicht. Wir sitzen nur nebeneinander, steigen gemeinsam in den Zug und steigen gemeinsam wieder aus. Sie lächelt mir zu, nickt und verschwindet im breiten Strom der Menschen.
Am nächsten Morgen war sie nicht mehr da und auch an den anderen Tagen. Nur die ist geblieben. Jeden Tag hockt sie an dem Platz. Genauso wie ich. Und jeden Tag erinnert mich die Ratte der Luft, der hässlichste Vogel an das schönste was ich je gesehen habe. Jeden Tag wird mir klar das ich sie vielleicht nie wieder sehen werde. Oder wenn ich sie jemals wieder sehen sollte, es vielleicht zu spät ist.
Erst Gestern stand ich am Bahnhof und neben der Taube saß ein Mädchen. Ich hab schon seit einigen Tagen bemerkt das sie auf diesem Platz saß. An dem Platz von der Schönheit die ich verloren hatte. Sie führte keinen Block bei sich sondern eine Gitarre und mein Herz sagte mir: Sprich sie an Du Idiot! Oder soll der verdammte Vogel niemals fliegen?!
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Der Vogel
Short StoryEs geht um einen Jungen der fast an allen Tagen unter der Woche ein Mädchen sieht. Das ist die Beschreibung und was der Vogel mit dieser Geschichte zu tun hat müsst ihr selbst heraus finden