Kapitel 3 - Die Fairieden

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Malucius' feines Lächeln vertiefte sich. Als hätte ein finsterer Gott ihm einen Gefallen getan, lichtete sich die dichte Wolkendecke über dem Krea-Tief-Tal, als die Nacht hereinbrach. Tintenblau und tief wie das Meer erstrahlte der Himmel über der steinernen Festung.

Der Mann stand auf dem Dach des höchsten Turmes und hielt den Kopf erhoben. Bereits jetzt konnte er die Energie spüren, die in der Luft lag. Sie vibrierte förmlich und er sog sie gierig in sich auf.

Alles wussten die ach so cleveren Feen eben auch nicht über die Rasse der Reaper. Natürlich, woher sollten sie auch? Es gab in Belletristica nur einen einzigen und das war er, Malucius. Wesen wie er, die sie abfällig ‚Energievampire' schimpften, wurden gnadenlos aus den Landen vertrieben. Angeblich, um die Völker zu schützen. Doch in Wahrheit fürchteten sie nur, ihnen nicht gewachsen zu sein.

Und bald schon würden Belle und ihre kleinen geflügelten Gefährten, nebst all den anderen Rassen des Reiches, erfahren, dass die Sorge begründet war.

Er, Malucius, würde sie alle absorbieren. Denn nichts anderes hatten sie verdient, nachdem sie ihn fünfhundert Jahre in dieser Einsamkeit gefangen gehalten hatten.

Der Mann seufzte und streckte die Arme aus. Erregung flutete durch seinen Körper, als die ersten Sterne zu fallen begannen.

Ein wahrhaft majestätisches Ereignis, dessen Schönheit ihm damals bedauerlicherweise entgangen war, da man ihn verhext und in einen Schlaf gezaubert hatte, der erst Tage nach den Fairieden nachließ. Er erwachte allein, orientierungslos und gefangen an diesem Ort. Die Verzweiflung über diese Gewissheit konnte er noch immer in seinem Herzen spüren. Sie hatte all die Jahre die Erinnerung wach gehalten, seinen Rachehunger geschürt, ihn am Leben gehalten.

Und in ihm die Entschlossenheit reifen lassen, diesen Bann zu brechen, zu fliehen und sich dann an seinen Peinigern zu laben. Dafür hatte er gehungert. Und die Sternschnuppen würden ihm genug Kraft geben, den Zauber zu zerstören, der es ihm unmöglich machte, die Festung zu verlassen.

Die dummen Feen. Sie dachten, sie könnten die Magie des Meteoritenregens nutzen, ihn zu bannen. Doch sie hatten eine Sache vergessen: Was half, etwas zu erschaffen, konnte auch helfen, etwas wieder zu zerstören.

Immer mehr Sterne fielen, in einer Fülle und Leuchtkraft, dass die finsteren Mauern unter dem Mann zu erstrahlen begannen. Ebenso wie er selbst, der zum ersten Mal seit fünfhundert Jahren wieder spüren konnte, dass Energie durch seinen Körper floss.

Beinahe drohte es, ihn zerspringen zu lassen, er keuchte und zuckte unter der Kraft, die durch ihn hindurchrauschte, doch für so etwas war er schließlich geboren worden. Er hob die Hände gen Himmel und schloss die Augen, murmelte Phrasen in einer Sprache, die niemand außer ihm, niemand außerhalb der Rasse der Reaper, kannte.

Wie töricht die Feen waren, wie naiv und überheblich. So arrogant zu glauben, einen Magier wie ihn auf ewig halten zu können. Sie hätten ihn töten sollen, als sie die Gelegenheit dazu hatten. Oder das, was dem Tod nahe kam.

Doch nun war es zu spät. Die Macht der Sternschnuppen hatte ihn randvoll geladen, der uralte Zauber seines Volkes hatte bereits zu wirken begonnen und Malucius konnte spüren, wie Erleichterung über ihn kam. Nicht nur der Hunger verschwand, auch der Druck auf ihm, als wäre ein tonnenschwerer Schleier gelüftet worden.

Allerdings war das, und das wusste er, nur der erste Schritt zum Brechen des Bannes. Er fürchtete den zweiten, doch der tröstende Gedanke, dass hinterher ungezählte Seelen, Energie in rauen Mengen für ihn offen lag, schürte seine Entschlossenheit.

Er riss die eisgrauen Augen auf, in denen sich das Naturschauspiel spiegelte, öffnete den Mund und atmete tief ein.

»Daĭ si sila!«, schrie er dem Himmel entgegen, der zu explodieren schien. Malucius zwang sich, die Lider nicht zusammenzupressen, reckte die Arme und die Handflächen weiter in die Höhe und wartete auf den Höhepunkt des Zaubers. Und den Schmerz, den er bringen würde.

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