„Für sowas haben wir jetzt keine Zeit."
Ich löse mich hastig von ihm und knöpfe mit zitternden Fingern die Jeansjacke zu. Er erwidert nichts. Stattdessen öffnet er vorsichtig die Zimmertür, späht auf den Flur hinaus und winkt mich hinter sich her, als die Luft rein ist. Wir schaffen es ungesehen, das Krankenhaus zu verlassen. Es ist nur der erste Teil des letzten Aktes. Dieser Albtraum wird bald enden, vielleicht noch heute. Wir sind so kurz davor. Ich kann es schon sehen. Den Aha-Moment. Das Ende.
„Du kannst so nicht aufs Motorrad", sagt er kopfschüttelnd, als wir uns vom Eingang entfernen.
„Ruf Archie an", sage ich entschieden. Wenn wir die zehn Minuten überstanden haben, in denen Archie sich wie ein Vater aufführt und mich belehrt, wird er uns fahren.
Sweet Pea telefoniert zwei Minuten mit ihm und nickt mir dann bestätigend zu. Soll ich den Kuss ansprechen? Könnte ein unangenehmes Gespräch werden. Aber ihn zwischen uns stehen lassen? Das Jug und ich es geschafft haben, einigermaßen erwachsen damit umzugehen, ist ein Wunder. Ich will nicht, dass es wieder so läuft. Verdrängung. Streit. Schweigen. Ich setze an, ihm zu sagen, dass ich dafür im Moment keinen Kopf habe, aber das nicht bedeuten soll, dass er mir nichts bedeutet, aber er kommt mir zuvor.
„Schon gut", sagt er. Ich sehe zu ihm hoch. Er meint es, wie er es sagt.
Archie ist schnell bei uns. Ich klettere unbeholfen in den Truck und Archie hilft mir mit toternster Miene dabei, mich anzuschnallen. Keine Belehrungen, keine Moralpredigten.
„Du bist dir absolut sicher?", versichert er sich skeptisch.
„Fahr bitte", fordere ich ihn auf, „je länger wir warten, desto schneller lassen die Schmerzmittel nach."
Er weiß, was auf dem Spiel steht. Dave ist hier. Er ist hier und er lebt. Ich kann nicht kampflos aufgeben, nur weil er das für das Richtige hält. Ich habe meinen Onkel immer für allwissend gehalten, als ich noch klein war, aber mit der Zeit musste ich lernen, dass niemand unfehlbar ist. Ich bin es auch nicht, aber ich kann einige Fehler wieder gutmachen, indem ich das jetzt zu Ende führe. Ich muss dabei sein. Ich muss es mehr wissen als sie. Sonst gibt mein Innerstes niemals Ruhe.
Sweet Pea schreibt Toni eine SMS, dass sie vor der Kneipe auf uns warten sollen. Als wir dort ankommen, warten sie bereits. Sweet Pea hilft mir aus dem Auto und Jughead starrt mich entsetzt an. Immer für eine Überraschung gut, oder nicht?
„Was zum ... was machst du hier?", er legt mir beschwörerisch seine Hände auf die Schultern, „du bringst dich noch um, Eden!"
„Dave wird die Verbrechen gestehen. Und wir alle wissen, dass er es nicht getan hat. Ich habe dich in letzter Zeit alles machen lassen, jetzt bin ich dran", erwidere ich ungehalten und mache mich von ihm los. Archie fängt mich regelrecht auf. Ich bin nicht besonders stabil, aber ich bin willensstark.
„Keine ruckartigen Bewegungen", belehrt er mich.
"Bist du jetzt unter die Ärzte gegangen, Archie Andrews?", frage ich belustigt. Noch kann ich den aufkommenden Schmerz einfach weglächeln.
„Sobald du Schmerzen hast, bringe ich dich sofort zurück ins Krankenhaus", sagt Jughead und ich zwinge mich zu einem zustimmenden Nicken.
„Okay."
Ob man mir den Schmerz ansieht, ist die andere Frage. Ich werde so lange hier bleiben, wie es nötig ist. Ich werde etwas finden. Ich werde es finden.
„Ich habe einen Schlüssel", Toni greift in ihre Hosentasche und befördert einen neongrünen Schlüsselbund hervor. Wir betreten die dunkle Bar und begeben uns in den hinteren Teil, in dem „Geschäfte" abgewickelt werden.
Wir durchsuchen jeden Winkel jedes Raumes. Sie kriechen sogar auf dem Boden, während ich Regale abtaste und an Schränken rüttle. Zumindest die, die ich ohne größere Schmerzen erreichen kann. Ich mute mir zu viel zu. Ich stelle meinen Körper auf den Prüfstand. Ich spüre, dass er aufgeben will. Ich spüre, dass er nachgibt. Aber ich erlaube ihm nicht, jetzt schlapp zu machen.„Wonach suchen wir?", fragt Archie nach einer Weile, die mir wie eine Ewigkeit vorkommt.
„Keine Ahnung", antworte ich nervös, „nach irgendetwas, dass Dave und FP entlastet."
Immer wieder schaue ich auf die Uhr meines Handys, das wundersamerweise ohne einen Kratzer in meiner Jackentasche überlebt hat. Dave sitzt vermutlich in einem fensterlosen Raum und wird von Sheriff Keller verhört. Er wird sagen, dass er auf mich geschossen hat. Nie, nie, niemals würde er das tun. Niemals. Und jemand wie FP Jones hat immer eine Rückversicherung.
„Ich glaube, wir finden hier nichts."
Ich schlinge enttäuscht die Arme um meinen Oberkörper und atme tief ein. Der Schmerz trifft mich unerwartet hart. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.
„Verdammt!", Sweet Pea schlägt mit beiden Fäusten auf den alten Schreibtisch. Ein metallisches Klirren ertönt. Es war zwar leise, aber wir wenden alle unsere Köpfe in dieselbe Richtung.
„Was war das?", Toni blickt sich suchend um. Ich umrunde den Schreibtisch und stütze mich auf den Stuhl, um mich hinunterzubeugen. Einen stumpfen Schmerzenslaut kann ich nicht unterdrücken, als ich in die Knie gehe und den Boden abtaste. Plötzlich spüre ich es. Ein kleiner Gegenstand. Länglich. Kalt. Ich greife danach und sehe ihn an. Ein Speicherstick.
„Gibts hier einen PC?", frage ich.
„Ich habe meinen Laptop im Trailer", antwortet Jug, „was ist das?"
„Ein USB Stick", ich strecke ihm meine flache Hand hin, „der Schreibtisch muss eine Art Geheimfach haben."
„Los doch", fordert uns Toni auf, „die Zeit läuft."
„Du musst zurück ins Krankenhaus", raunt Jughead mir zu, als wir zum Sunnyside Trailerpark laufen und er mich stützen muss.
„Sobald wir wissen, was hier drauf ist. Ich kann nicht gehen", ich umklammere den Stick, als könne jemand ihn mir eintreißen.
„Ja. Okay."
Ich kann spüren, dass der Verband durchblutet und es wird nicht lange dauern, bis sich ein roter Fleck auf dem Nachthemd bildet. Sie dürfen es nicht bemerken, ehe wir wissen, was auf diesem Stick ist. Das muss die Antwort auf all unsere Fragen sein. Was, wenn nicht?
Im Trailer versammeln wir uns alle um Jugs Laptop und Sweet Pea hilft mir, mich hinzusetzen. Ich zupfe an dem Hemd, damit es sich nicht zu dicht an meinen Körper schmiegt und an der blutenden Wunde klebt.
„Jetzt mach schon!"
Ich dränge ihn nicht nur, weil ich es unbedingt sehen will, sondern weil die Schmerzmittel längst nachgelassen haben und die Wunde beginnt, unangenehm zu stechen. Nur noch ein paar Minuten. Du musst durchhalten, Eden. Für Dave! Ich beiße die Zähne zusammen und kralle mich in die Polster der Couch.
Jughead öffnet die Videodatei mit einem Doppelklick. Mein Blick gleitet vom Bildschirm zu Sweet Pea, der mit angespanntem Unterkiefer neben mir sitzt. Ich will meine Hand zwischen seine schieben, die zu einem festen Knoten verflochten sind. Ich habe Angst. Angst vor dem, was wir sehen werden. Einige Sekunden ist der Bildschirm schwarz, dann erscheint eine Datums- und Zeitanzeige am Bildrand und FP betritt den Raum. Gefolgt von Dave. Und Jason.

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News Of The Day
FanfictionEden Jamerson geht auf die Riverdale High und arbeitet mit Jughead und Betty bei der "Blue & Gold". Als Jason Blossom ermordet aufgefunden wird, wittert Eden die große Story. Sie setzt alles daran, den Mörder zu finden und gerät auf eine falsche Spu...