Avery
"..wach?" meine Schultern werden sachte geschüttelt und meine schweren Augenlider öffnen sich langsam. Ich muss kurz gähnen und drücke meinen Kopf tiefer in das Kissen.
"Avery!" dringt eine wunderschöne Stimme an mein Ohr.
Baekhyun.
Eine Hand legt sich auf meine, die so groß ist, dass sie meine ganz überdeckt. "Wie geht's dir? Ich habe gehört, dass du wieder ohnmächtig wurdest. Was ist passiert?"
"Nichts ist passiert. Habe einfach an Kraft verloren.." lüge ich und lächle.
"Das trifft dich gut, denn ich habe etwas für dich, das deine Energie zurückbringen kann." lächelt er und kramt etwas aus seiner Tasche heraus. Ich lege meinen Kopf schief.
Ich kenne ihn zwar kaum, aber er ist wie ein großer Bruder, den ich nie hatte.
Er zeigt mir eine Schachtel, die aussieht, als wäre sie viel mehr wert, als der eigentliche Inhalt. Er hält sie mir hin und ich nehme sie langsam in die Hände.
"Was ist das?"
Er zuckt mit den Schultern und nickt auf die Schachtel. Ich ziehe an der Masche und daraufhin öffnet sich automatisch die Box ein wenig.
"Oh Gott. Wie süß!" quietsche ich und nehme den Inhalt.
Ein großes Stück von der Schokolade, die vorgestern auf dem Tisch gelegen hat.
"Danke.." sage ich. "Aber ich darf momentan nichts essen."
"Hebe es dir auf, iss es, wenn du Zeit hast." er fährt noch kurz über meine Handfläche, bevor sich die Tür öffnet und jemand hereinkommt, um Baekhyun zu sagen, dass die Besucherzeit vorbei ist.
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Es ist schon spät. Die Abendsonne scheint durch das Fenster und erleuchtet den leeren Raum, in dem ich schon zwei Tage gefangen bin.
Ich greife mir kurz auf den Hals und spüre, dass der Schmerz, den ich sonst immer spüre, schon fast verschwunden ist. Meine Handgelenke sind auch nur mehr angeschwollen. Meine Füße sind zwar noch nicht so, wie sie sein sollen, aber für die Füße habe ich eine Ausrede.
Neben mir steht wieder die Suppe vom Mittagessen und ein Croissant mit Butter. Appetit hatte ich bis jetzt noch keinen.
"Taehyung, du musst mir nur verzeihen, dass ich dich anlügen muss." murmel ich mich selbst in den Schlaf.
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"Sie haben sich sehr schnell und gut erholt, Frau Kim. Ich denke, wenn Sie uns zustimmen, können wir Sie heute Nachmittag schon entlassen."
Ich nicke eifrig, als mir die Assistentin eine neue Nadel in den Arm sticht.
"Sie müssen mich unbedingt entlassen. Ich muss so viel nachholen, das glauben Sie gar nicht.." erkläre ich und zische, während die Frau neben mir tiefer sticht.
"Wir müssen nur mehr den Bericht schreiben. Wir geben Ihnen Bescheid, wenn es soweit ist." er verbeugt sich ein wenig und deutet seiner Assistentin, mitzukommen.
"Ich muss jetzt endlich mal aus diesem Bett heraus!" fluche ich und setze mich qualvoll langsam auf. Ich bin gezwungen, den Apparat, an den ich gebunden bin, mitzunehmen.
Durch die Stange, an der ich mich festhalten muss, bekomme ich Halt und kann mich schneller fortbewegen. Ich drücke den Knauf des Badezimmers hinunter und sehe das erste Mal das Bad. Das Erste, das mir auffällt ist der riesige Spiegel, der ein total verwüstetes Ich zum Vorschein bringt.
Ich fahre mir einmal durch die Haare und lehne mich dann über das Waschbecken. Ich drehe den Wasserhahn ein wenig auf und schütte mir ein klein bisschen Wasser über das Gesicht. Die Kälte macht mich munter und ich sehe wenigstens bein bisschen besser auf.
"Okay, jetzt zum eigentlichen Problem.."
Meine total schmerzvollen Bauchschmerzen.
Der eigentliche Grund, weswegen ich ins Badezimmer gekommen bin, und mich erstmal tief in das Waschbecken gestürzt habe, ist, dass ich die ganze zeit einen Würgreiz hatte, der aber nie dazu geführt hat, dass ich hätte Erbrechen müssen.
Ich merke, dass es nichts bringt, jetzt noch zehn Stunden über dem Becken zu hängen, und hebe meine jetzt schon zittrige Hand. Ich öffne meinen Mund ganz weit und..
..drücke mit meinem Zeige- und Mittelfinger ganz fest in meinen Rachenraum und versuche, mir selbst, einen Kotzreiz zu bereiten. Ich bin ja schließlich nicht neu in diesen Ganzen Sachen, deswegen weiß ich genau, wo und wie stark ich drücken muss. Nach einigen Würggeräuschen, spüre ich, wie das Mageninnere meine Speiseröhre hinaufsteigt und letztendlich dann doch den Ausgang findet. Meine Augen drehen sich und ich sehe nur eher verschwommen, das, was vor mir passiert. Ich suche Halt, bei einem kleinen Kästchen über mir und halte mich am Griff fest, das dazu führt, dass es sich öffnet und viele kleine Dosen herausfallen.
Als ich mich dann wieder eingekriegt habe, ich nicht mehr Erbrechen muss und ich endlich wieder geradeaus sehen kann, schaue ich mir die Dosen genauer an. Manche haben keine Beschreibung, manche sind leer, aber eine Dose fällt mir ins Auge, da sie die Aufschrift "Nur mir Arzt einnehmen." trägt.
Ich schmunzle kurz, überlege aber nicht lang, und stecke sie mir in das Krankenhemd.
Wer weiß, für was man die noch brauchen kann?
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