Noch einmal sprechen
von der Wärme des Lebens
damit doch einige wissen:
Es ist nicht warm
aber es könnte warm sein.Bevor ich sterbe
noch einmal sprechen
von Liebe
damit doch einige
sagen:
Das gab es
das muss es geben.Noch einmal sprechen
vom Glück der Hoffnung auf Glück
damit doch einige fragen:
Was war das
wann kommt es wieder?Das war ein Gedicht von Erich Fried. Ein dichter, gestorben 22. November 1988.
Dieses Gedicht haben wir in der 10. Klasse im Religions Unterricht durchgenommen.
Da kommt auch schon die erste Frage auf.
Warum in Religion? Wieso Nicht, wie normalerweise in Deutsch, wo man erst die Stilmittel raussucht, dann den Satzbau anschaut und zu Schluss den Text interpretiert und zusammenfasst?
Wir hatten das Thema Leben und Tod. Tod und Leben. Da dachte unser Lehrer, bringe ich mal zum Einstieg dieses Gedicht mit.
Als Einstieg. Wir haben nichts interpretiert.
War Warscheinlich auch gut so.
Es hätten sich eh nur wieder die Streber in der ersten Reihe gemeldet, also so wie immer. In der letzten Reihe hätten die coolen kids angefangen sich über das Gesagte lustig zu machen und hätten Warscheinlich angefangen die vorderen Reihen mit Papierkügelchen zu attackieren.
Die Mittlere Schicht hätte nur mit den Augen gerollt, es über sich ergehen lassen und die Uhr mit ihren Blicken verschlungen, um irgendwie den Zeiger auf das Ende der Stunde zu bringen.
Aber ich habe nachgedacht.
Ich habe nachgedacht über dieses Gedicht.
Denn mir fällt dieses Thema nicht leicht. Nicht nur dass wir über dieses Thema Kurzarbeit schreiben müssen. Nein.
Mir fällt es nicht leicht da ich einen wichtigen Menschen verloren habe. An den Tod. An das Thema über das wir Kurzarbeit schreiben müssen.
Die Betonung liegt auf müssen.
Eine Kurzarbeit muss auch nachgeschrieben werden.
Aber ich habe tatsächlich nachgedacht. Wann hat dieser dichter es geschrieben?
Als er einen Mensch verloren Hat? Einen geliebten Menschen?
Hat er es geschrieben, kurz bevor er gestorben ist?
Das war nur eine der tausenden Fragen die ich habe.Noch einmal sprechen
von der Wärme des Lebens
damit doch einige wissen:
Es ist nicht warm
aber es könnte warm sein.Er wollte also sprechen.
Sprechen von der Erinnerung, die ihm Wärme bereitet hat.
Also sprechen von der Vergangenheit.
Mein Opa, der mir genommen würde, genommen wurde von diesem Thema, von dem Tod, hat am Abend meine Oma angerufen.
Da fragt man sich jetzt: Und?Er lag im Krankenhaus, sie bei sich zu Hause und machte währenddessen sein Bett neu. Denn wenn er nachhause kommt sollte er ein neu bezogenes Bett bekommen.
Sie hoffte, er hatte die Hoffnung aufgegeben.
Sie sagte er solle kämpfen, er hatte ausgekämpft. 2 Jahre. Gegen Darmkrebs, Metastasen in Leber und Lunge und gegen die Angst, seine Frau alleine zu lassen.
Sie gewann am Abend bei Mensch-ärgere-dich-nicht, er verlor am Abend den Kampf gegen den Tod.
Doch er hatte sie angerufen.
Wenige Stunden bevor er starb.
Er wollte Noch einmal sprechen
von der Wärme des Lebens.
Von seinen schönen Gedanken.Er wollte Noch einmal sprechen
vom Glück, der Hoffnung auf Glück
Doch er hätte es nicht geschafft.Er hatte es nicht geschafft den ewigen Kampf zu gewinnen. Er hatte es nicht geschafft, den ewigen Kampf für seine Frau, seine Kinder, seine Enkel, für mich zu gewinnen.
Wie sollte es weiter gehen? Einfach weiter leben in dieser kleinen Stadt als wäre nichts passiert? All diese Erinnerungen zu verdrängen, die bei jedem Schritt in dieser fucking Stadt versuchen an die Oberfläche zu kommen?
Die Erinnerungen daran, wo wir zusammen Eis essen waren, an dem spielplatz gespielt und zusammen Hähnchen gegessen Haben? Wie soll man da noch weiter kommen?
Wie soll man da weiter kommen ohne nach hinten zu schauen? Nach hinten zu schauen zu den glücklichen Momenten? Nach hinten zu den Momenten mit der Wärme?Ganz ehrlich?
Ich weiß es nicht.