„Warten?!"
Liam hat dieses Wort in den letzten Minuten so oft wiederholt, dass ich kurz davor bin, ihn niederzuschlagen. Denn mir gehen nicht nur das Wort, seine Stimme und sein unruhiges Umherlaufen auf die Nerven, sondern auch die zunehmende Anschuldigung in seinem Unterton. Er ist wirklich angepisst, weil ich Passivität vorschlage. Doch seine Reizbarkeit ist nichts gegen meine. In dieser Sekunde muss ich mich wirklich zurückhalten, um ihn nicht zähnefletschend zu attackieren.
„Liam," wirft Theo jetzt ebenfalls genervt ein und wirft dem Teenager einen grimmigen Blick zu. Daraufhin bleibt das Schoßhündchen zum ersten Mal seit meiner ernüchternden Antwort auf seine 'Das heißt wir sollen einfach nur warten' im Raum stehen. Seit meiner Antwort können eigentlich nur wenige Minuten - maximal eine viertel Stunde - vergangen sein, aber hier drin, mit Liam, Theo und der greifbaren Anspannung, fühlt es sich an wie ein Jahr. Ich muss mich erneut zur Ruhe zwingen und werfe einen schielenden Blick zur Deckenkamera. Für Crowley wäre es ein Sieg mitansehen zu können, wie ich Liam wütend zerfleische. Schon allein deshalb muss ich bis später warten, um aus dem Schoßhündchen einen netten Hackbraten zu machen.
Ich atme tief durch.
„Wir können doch nicht einfach hier so rumsitzen," hörbar laut stöhne ich auf, als Liam erneut mit dem ganzen Wir-Müssen-Etwas-Tun-Thema anfängt. Jedoch lässt er sich nicht beirren und spricht weiter: „Wir müssen versuchen hier rauszukommen," ich habe das dringende Bedürfnis Liam daran zu erinnern, wie sein erster Fluchtversuch mit der elektrischen Türe aussah, „Oder wir müssen zu mindestens einen Weg finden um Scott eine Nachricht zu schicken. Das Rudel kann uns nur retten, wenn sie wissen wo wir sind!"
Am liebsten würde ich dem Schoßhündchen seine eigene Naivität vorführen, indem ich ihm ausführlich darüber aufkläre, was ich in der vergangenen Zeit - schätzungsweise eine Stunde - versucht habe zu erreichen. Was für Ideen und Möglichkeiten ich bereits in meinem Kopf durchgegangen bin - ohne Erfolg. Im Gegenteil. Die erfolgversprechendste war dabei noch die Möglichkeit den Alpha ganz klassisch mit einem Heulen auf uns aufmerksam zu machen. Jedoch bin ich mir sicher, das Crowley an alles gedacht hat und diesen Ort gegen solches Verhalten geschützt hat...und selbst wenn nicht. Sollte Liam es aus irgendeinem glücklichen Grund doch tatsächlich schaffen seinen Alpha mit Hilfe eines Heulens über unseren Aufenthaltsort zu informieren, würden ihn bei seiner Ankunft bereits ein Dutzend Wachen erwarten.
Crowley ist weder dumm noch taub.
Doch in dieser Sekunde habe ich keine Lust um den Schoßhündchen eine ausführliche, rationale Erklärung vorzulegen. Stattdessen antworte ich auf seine unterschwellige Frage mit einem sarkastischen Unterton: „Ja klar ich ziehe mir einfach eine Brieftaube aus dem Arsch!" Keiner der beiden Jungen lacht, was ich jedoch auch nicht erwartet hatte. Stattdessen scheint die Spannung im Raum zuzunehmen und ich beobachte Liam dabei, wie er mein zynisches Kommentar wütend ignoriert und sich stattdessen aufgebracht durch die kinnlangen Haare fährt. Ich kann mich nicht daran erinnern, ihn schon jemals so verzweifelt und ratlos gesehen zu haben.
Doch auch Theo scheint in der Zwischenzeit die Lust daran verloren zu haben, den Beta zu beruhigen. Nahezu lautlos lässt er sich an der nebenliegenden Wand herabrutschen, sodass er schlussendlich auch auf dem dreckigen Boden sitzt. Ich werfe ihm einen kurzen Blick zu, stelle zur selben Zeit jedoch anhand den Geräuschen fest, dass auch Liam zur Ruhe kommt. Nahezu lautlos lehnt er sich an die Wand und hört somit zum ersten Mal damit auf, und zur Flucht zu bewegen. Wir alle Schweigen und die bittere Stille der Ausweglosigkeit fühlt den Raum.
Das ruhige Atem unserer Körper, sollte uns alle eigentlich erneut in Panik versetzten. Stattdessen sitzen oder stehen wir zu mindestens alle mit dem Rücken an die Wand gelehnt und in dieser Sekunde bin ich die einzige mit geöffneten Augen. Theo wirkt so, als würde er mit verschränkten Armen schlafen. Liam dagegen scheint die Augen nur geschlossen zu haben und in das Gebäude herein zu lauschen. Doch was er gerade versucht, habe ich während seiner Animation schon längst ausprobiert. Genauso erfolglos wie sein Versuch uns zur Panik zu animieren.
Ich vermute, dass der Raum - wenn nicht sogar das ganze Gebäude - aus Ebereschenholz oder aus etwas ähnlichem besteht und somit unsere übernatürlichen Fähigkeiten schwächt. Das würde auch meine Wunden erklären, die trotz meiner Heilkräfte gefühlte Ewigkeiten brauchen um zu verheilen. Noch immer klafft eine blutverkrustete Wunde an meinem Oberarm, während die an meinen Beinen nur noch als rosige Hautschürfungen sichtbar sind. In dieser Sekunde erinnere ich mich an die Patronen meiner Familie. Die aus dem Hale Tresor geklauten Lutrinae Patronen. Meine Finger wandern kaum merklich über meine Hosen- und Jackentasche, auch wenn ich bereits weiß, das ich sie nicht bei mir trage. Das letzte Mal als ich sie gesehen habe, hatte ich sie ja immerhin sicherheitshalber in dem Geheimversteck meiner Reisetasche verstaut. Doch die hatte ich bei meiner überstürzten Flucht von Crowley in seinem Apartment liegen gelassen und vorher waren sie zu früh von den Raben überfallen worden, als dass sie ein neues Paar aus den Hale Tresor hätten klauen können.
Scheiße.
„Hört ihr das?" fragt das Schoßhündchen plötzlich in die Stille hinein und öffnet zur selben Zeit blitzartig die Augen. Auch neben mir öffnet Theo sofort seine Augenlieder und klärt mich somit über meine Fehleinschätzung auf. Er hat also nicht geschlafen. „Ich höre nichts," gesteht der Beta jedoch und ich kann sehen, wie er trotz seinen Worten ein weiteres Mal mit schräggelegtem Kopf in das Gebäude lauscht. Auch ich konzentriere mich auf die Umgebungsgeräusche, brauche jedoch wenige Sekunden um das aufzuschnappen, was Liam scheinbar so aus der Ruhe gebracht hat.
Schritte.
Ich höre sie nur ganz leise und hätte Liam nicht auf sie aufmerksam gemacht, dann wäre ich mir noch nicht einmal sicher, ob sie auch wirklich real sind. Doch Liam's Worte lassen mich darauf schließen, dass ich mir die scheinbar näher kommenden Schritte in Hinblick auf unsere ausweglose Situation nicht nur eingebildet habe. „Jemand kommt," informiere ich jetzt die anderen beiden und obwohl das Schoßhündchen kein Wort zu meiner Feststellung sagt, kann ich seine erfreute Reaktion darauf sehr wohl hören. Wie ich hielt er die Schritte anfangs wohl durch aus für eine Einbildung. Doch so hat sich das Blatt gewendet.
Plötzlich höre ich ein lautes Klicken und das stetige Surren, das schon von Anfang an als Hintergrundgeräusch im Raum hing, verstummt. Sofort bin ich auf den Beinen. „Jemand holt uns hier raus," informiere ich die beiden Jungen, die sich diese Tatsache jedoch schon selbst zusammenreimen konnten. Auch Theo kommt elegant auf die Beine. „Das ist unsere Chance," höre ich Liam erfreut einwerfen, während ich meinen Blick an die Decke schweifen lasse. Die Kamera hängt noch immer in die Decke eingelassen und für mich ist es keine Frage, dass uns jemand beobachtet. Egal wie wir uns aufstellen oder mit welcher Taktik wir angreifen würden, jemand würde über uns wachen und die Leute - bisher noch außerhalb des Raumes - rechtzeitig warnen.
Ich atme tief durch, entscheide mich jedoch nicht dazu, die beiden Jungen über unsere pessimistischen Zukunftsaussichten aufzuklären. Aus irgendeinem Grund steckt Liam mich mit seinem Tatendrang an und schon allein der Gedanke, erneut Gefangener meines Vaters zu sein, entblößt in mir die Lebensmüdigkeit, um selbst lautlos für einen Angriff zu stimmen.
Ein Schlüssel klirrt und wir alle können trotz den Wänden die Schlösser hören, die nacheinander einrasten. Ich kann leise Schritte hören und krampfhaft versuche ich sowohl die Anzahl als auch die möglichen Identität der Angreifer auszumachen. Doch dann setzt mein Herz einen Schlag aus und ich erkenne die kleinen Trippelschritte, die schon so unheimlich leise sind: Rose. Für mich ist es jetzt auch nicht länger schwer die zweite Person vor der Türe zu erkennen. Ryan. Mein Blick schweift zu Liam und Theo, die sich bereits wortlose Befehle zuwerfen und somit versuchen nur mit Gesten einen Angriffsplan auszumachen.
Ich möchte Liam und Theo vor der tödlichen Gefahr eines Angriffes warnen, bin jedoch nicht schnell genug. Die Tür schwingt auf und wir alle starren wie gebannt auf die beiden, hinter dem Holz auftauchenden, Personen.
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Silver Bullet [Teen Wolf FF]
Fanfiction'We don't see things as they are, we see things as we are' Noch immer in der Welt unterwegs mit meinem psychopathischen Vater, auf der Suche nach der nicht gerade weniger psychopathischen Zielperson. Wie das noch besser werden kann? Oh keine Ahnung...