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   "Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, die aktiven Fähigkeiten eurer Verbindung zu testen, Herrin!", rief der Magier, der einen Frostblitz nach dem anderen aus seiner mittlerweile liegenden Position auf die Untoten warf, seiner Kommandantin zu. Auch er rang mittlerweile nach Atem. Dolette schaute Marialle in die Augen. Sie sah erschöpft aus und aus der Wunde am Oberschenkel drang unaufhörlich Blut, aber sie nickte. "Versuchen wir es", rief Marialle und reichte ihr die Hand. Die Paladin zog das was von ihrem Handschuh übrig war aus und ergriff sie. Das Leuchten erstrahlte grell, umschloss sie beide sofort und erfüllte den ganzen Raum.

Die Augen der beiden Frauen leuchteten hell auf und sie ließen eine gewaltige Druckwelle frei, die sich Richtung Veranda ausbreitete und alles auf ihrem Weg nieder riss. Die Untoten fielen allesamt leblos zu Boden. Hie und da zuckten noch Arme und Beine, aber sie waren besiegt.
Marialle und Dolette sahen sich zufrieden an und glitten beide auf die Knie. Das Leuchten war nur noch ein schwaches Schimmern und sie sanken erschöpft gänzlich auf den Boden in sich zusammen, nachdem sie einander losließen.
Marialle konnte sich kaum bewegen, doch sie hörte genau wie Borigan schrie: "Da kommen noch mehr! Lasst jetzt nicht nach!"

Die junge Priesterin raffte sich wieder auf die Beine und sah zu Dolette, die schwach lächelte, während sie es ihr gleich tat. "War ja nicht übel, aber wenn da immer mehr von denen kommen, bringt uns das auch nichts!" Die Priesterin erwiderte das Lächeln mühevoll und rannte zur Tür. Was sie sah erstaunte mehr, als dass es sie erfreute. Ein riesiger Feuerstrahl aus der Hand einer menschlichen Magierin, nicht viel älter als sie selbst, zog eine gewaltige Schneise in die Reihen der Geißel. Ein großer Trupp Menschenkrieger folgte ihm und erschlug die Untoten nahezu spielend.
"Raus mit euch! Hier draußen gehts weiter!", brüllte Marialle schwankend ihren Gefährten zu, die der Anweisung einer nach dem anderen folgten.

Gemeinsam mit den dazu gekommenen Soldaten ging der Kampf unerbittlich weiter, doch gab es nun ein deutliches Übergewicht, das die Geißel Stück für Stück dezimierte. schlussendlich waren die Untoten beinah gänzlich niedergestreck. Als sich ein Ende des Kampfes abzeichnete, schaute Marialle sich nach ihren Brüdern und ihren Gefährten um, die sich gegenseitig stützten und allmählich versammelten. Noch immer flogen vereinzelt Zauber und Pfeile durch die Luft, um auch die letzten Gegner auszuschalten. 
Letztlich war ausnahmslos jeder auf irgendeine Art verletzt, doch sie alle lebten, was die Priesterin erleichtert aufatmen ließ. 

"Jaz, gehst du bitte nach den Frauen und Kindern sehen?" Er nickte stumm und schwach lächelnd und humpelte los.  Derweil kam die menschliche Magierin näher, die diesen beeindruckenden Flammenwall auf die Geißel losgelassen hatte. Sofort fiel ihre reich verzierte Robe Marialle ins Auge. Gehalten in blauen und lilanen Tönen, den Farben der Kirin'Tor. In der rechten Hand einen prunkvollen Stab mit einem blauen Edelstein auf die Spitze gefasst. Das blonde, fließende Haar fiel ihr in seichten Wellen bis kurz unter die Schultern. ihre Augen eisblau und wissend. Sie umgab eine Erhabene Aura, die im völligen Widerspruch zu ihrem augenscheinlich jungen Alter stand.

"Lady Glutklinge? Seid ihr und eure Mitstreiter wohlauf?", fragte sie mit einer süßen, sanften Stimme. Die Angesprochene straffte ihre Haltung.
"Mylady Prachtmeer! Eure Hilfe kam in allerhöchster Not. Habt Dank. So wie es aussieht sind wir mit ein paar Blessuren davon gekommen. Was führt euch her?" Die Magierin musterte den zusammengewürfelten Haufen aus Bauern und Kämpfern, bevor sie antwortete. "Ich floh aus Dalaran, das letzte Nacht von Archimonde dem Entweiher, fast gänzlich zerstört wurde." Ein Schatten, der Trauer und des Hasses, legte sich auf das Gesicht der schönen, jungen Frau und sie musste sich offenbar sammeln, bevor sie fortsetzen konnte.

"Es ist nur einigen, sehr mächtigen Zaubern zu verdanken, dass die Violette Zitadelle und einige Straßen drum herum noch stehen. Arthas Menethil..." Sie machte eine Pause und schien sich erneut stark zur Ruhe rufen zu müssen. "...hat sein Reich verraten, zerstört und seinen Vater ermordet. Er zog davor eine Schneise des Todes durch die Wälder vor Quel'Thalas und spaltete Silbermond. Zu allem Unglück hat er auch noch den Sonnenbrunnen entweiht um Kel'thuzad zu erwecken." Marialle ergriff instinktiv die Hand, der erstarrten Hochelfe und ein schwaches Schimmern erschien, das von Jaina interessiert registriert wurde.

Sie fügte noch hinzu: "Ich hatte eine Vision, die Antonidas, Arthas und mich vor dem Untergang Lordaerons warnte. Wir sollten unsere Leute nach Kalimdor führen. Die beiden hatten sie jedoch nicht ernst genommen und abgelehnt, da weder Antonidas noch Arthas glaubten, dass Kalimdor wirklich existiert. Nun, eines Besseren belehrt, riet Antonidas mir Freiwillige für eine Flotte zusammenzurufen und nach Kalimdor zu reisen. Während des Angriffs auf Dalaran, hat Antonidas mich jetzt entsandt." Sie ließ ihre Worte auf die Umstehenden wirken. Der Blick von Marialles Geliebten hatte jedes Gefühl verloren und so sprach sie die Magierin tonlos an: "Dürfen wir uns einen Moment darüber beraten, Lady Prachtmeer?", fragte sie abwesend.

"Selbstverständlich, euch lässt das Schicksal der Quel'dorai sicher nicht kalt. Ich bezweifle allerdings, dass ihr dort noch etwas ausrichten könnt. Verzeiht, Lady Glutklinge." Die Paladin deutete ein Nicken an. Marialle wusste, dass Dolette sich mit den Magiesüchtigen ihres Volkes in Quel'Thalas kaum noch identifizieren konnte, dennoch war es immer ihr Volk geblieben. Man sah ihr den Zwiespalt deutlich an, aber die Magierin hatte recht, wahrscheinlich war dort nichts mehr zu retten und diese Erkenntnis schien so eben in der Elfe hochgestiegen zu sein. "Ihr habt recht! Die Unterredung können wir uns sparen." Sie wandte sich ab und sah kurz Marialle an, diese nickte und antwortete für die Paladin und ihre Gefährten.

"Wir werden euch nach Kalimdor begleiten, Lady Prachtmeer." Die Augen der Priesterin und der Magierin trafen sich und diese stockte. Marialle konnte sich denken, dass es an dem Funken lag, der auch in den Augen der Elfe sanft schimmerte. Jaina nickte schließlich und ihr Blick schweifte nachdenklich auf die verbrannten Felder der Lichtsprungländereien. Dunkelgraue Rauchschwaden stiegen hie und da auf und die Feuer, die teilweise noch immer brannten, färbten die tiefhängenden Wolken in schaurige Orangetöne. "Gut! Wer weiß was uns in Kalimdor erwartet. Es freut mich unsere Flotte vergrößern und verstärken zu können. Können wir direkt weiterziehen oder habt ihr hier noch etwas zu tun, Lady...?"

Marialle erkannte die Frage im Gesichtsausdruck der blonden Frau, brauchte jedoch einen Augenblick zum Antworten. "Lichtsprung, Marialle Lichtsprung, mein Licht ist das eure." Sie lächelte matt und deutete eine Verbeugung mit dem Kopf an. "Die fünf Bauern dort hinten sind meine Brüder." Sie deutete auf die hinterste Ecke der Veranda, auf der die Lichtsprungsöhne noch immer neben dem Zwergenjäger standen. "Das hier ist, oder besser war der Hof meiner Familie." Sie ließ ihren Blick über das gezeichnete Haupthaus schweifen und Wehmut stieg in ihr auf. Die fassade bröckelte und brannte teilweise ein wenig. Überall steckten Pfeile im Gemäuer und beinah jedes der kleinen Fenster war eingeschlagen.

"Der Rest, steht unter meinem Kommando und wird mich begleiten. Ich denke, da eh das ganze Haus auf den Beinen ist, wird sich die Familie Lichtsprung jetzt auf den Weg machen, Richtung Sturmwind. Der Sonnenaufgang ist nicht mehr allzu fern. Wenn sie aufgebrochen sind, stehen wir zu eurer Verfügung, Mylady", schloss sich Dolette der Erklärung an. Damit war Jaina zufrieden. Ihre Verbündeten, versorgten sich mit frischem Wasser aus dem Brunnen des Hofes. Das lebenswichtige Nass war in Lordaeron offenbar ziemlich schnell zur Mangelware geworden. Sie ließen sich von den Priestern und Priesterinnen heilen und regenerierten sich so gut es ging in der wenigen Zeit, die bis zum Aufbruch verblieb.

Mit vereinten Kräften waren die letzten Reste, der Habe der Familie schnell auf einen weiteren, der acht Karren geladen, die von Kühen und Pferden gezogen worden. Danach gab es einen kurzen und bedrückten Abschied und die Familie Lichtsprung und die vereinten Kräfte Jainas und Dolettes, trennten sich in verschiedene Richtungen. Marialle sah ihrer Familie noch eine Weile nach und hoffte inständig, dass sie unbehelligt nach Sturmwind kommen würden.
Schließlich ging die Sonne über dem verlassenen und zerstörten Hof der Lichtsprungs auf, der nur von Tod und Verderben zeugte.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt