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   Der gesamte Hof schlief als Marialle erwachte. Obwohl. Nicht ganz der gesamte. Dolette war aufgestanden und trat ans Fenster. "Dole? Was ist denn?" Sie stand auf um zu sehen was die Aufmerksamkeit der Elfe in Beschlag nahm. Diese legte nur einen Finger auf ihre Lippen und bedeutete ihr, aus dem Fenster zu schauen.
Was sie sah, ließ sie erstarren und kalter Schweiß trat ihr augenblicklich auf die Stirn. Auf den Feldern waren unzählige Untote, die sich langsam auf das Haupthaus zu bewegten. Wie konnte die Elfe nur so ruhig bleiben? "Die Geißel!", stieß sie atemlos hervor. Es dauerte ein paar Herzschläge, aber sie spürte plötzlich wie eine Wärme sich in ihr ausbreitete und schlagartig wurde sie ruhiger.

Die Paladin hatte ihre Hand ergriffen und ihre Ruhe strömte in die Priesterin. Das war neu, sie konnten auch Gefühle übermitteln?
Oder hatten sie vorher vielleicht immer nur das selbe gefühlt und es ist doch nicht neu?
Für solche Gedanken war jetzt keine Zeit. Sie drückte sanft die Hand ihrer Geliebten, als Zeichen des Dankes. "Was machen wir denn jetzt?"
"Ich hatte gehofft sie ziehen vorbei, aber es sieht nicht gut aus und es sind wirklich unglaublich viele", flüsterte Dolette und sprach nach einer kleinen Pause weiter, "weck deine Mutter und sag ihr sie soll die Familie auf den Dachboden bringen. Wer kann soll mitkämpfen. Ich hole die anderen. Wir werden diese Kreaturen aufhalten. Ansonsten müssen wir ohne das ganze Habe flüchten."

Marialle nickte stumm, zog sich ihre Robe über und griff nach Ihrem neuen Stab. Sie warf der Hochelfe noch einen entschlossenen Blick zu, den diese ebenso erwiderte, dann trennten sie sich auf dem Flur.
Im Schlafzimmer ihrer Eltern weckte sie ihre Mutter, gab ihr die Anweisungen und eilte weiter zu ihren Brüdern, die sich alle fünf dazu entschlossen mit gegen die Geißel zu kämpfen. Zurück in dem großen Flur traf sie wieder auf die Kommandantin, die den Trupp um sich versammelt hatte. "...so lange es geht mit Fernkampfangriffen attackieren. Wenn sie näher kommen lockt sie ins Haus, da ist ihre Überzahl nicht so ein großer Vorteil."

Alle nickten. Die Brüder trugen allesamt einfache Bögen und Schwerter in ihren Händen und sahen, je nach dem welcher mehr oder weniger, bereit aus. "Die Lichtsprungbrüder halten sich an Bertak, vielleicht kann er euch auf die Schnelle noch den ein oder anderen Tipp geben. Maxime, du bleibst in ihrer Nähe, falls deine heilerischen Fähigkeiten gebraucht werden. Odessa und Orphan, ihr geht auch in diese Gruppe. Marialle du bleibst mit dem Rest bei mir. Wir werden sie wenn sie ins Haus dringen zurückhalten, so dass die Fernkämpfer auch dann noch mitmischen können. Noch Fragen?" Niemand sagte etwas.

Marialle sah in die angespannten Gesichter ihrer Brüder und Gefährten und wusste, dass sich in einigen davon blanke Angst abzeichnete, aber niemand schien auch nur daran zu denken sich zurück zuziehen. Ein wenig Zuversicht keimte in der jungen Priesterin auf, auch wenn die Chancenverteilung mehr als ungut aussah. "Gut, dann raus! Um so weiter sie noch weg sind, desto mehr können wir auf die Entfernung bekämpfen."
Sie traten raus auf die Veranda. Im Laufe des Herzschlages in dem Marialles Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten, verging in beklemmender Stille. Hätte der Augenblick länger gedauert, hätte sie die herannahenden Geräusche zuordnen können. Doch als sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, lenkte das vor ihr liegende Bild all ihre Sinne ab.

Hie und da brannten schon die Felder. Dazwischen sah man in der Ferne die torkelnden Gestalten näher kommen. Dolette war die erste die ihre Kräfte sammelte und einen gewaltigen Hammer, vom Himmel auf die Untoten, in noch weiter Entfernung, nieder schmetterte. Keine Zeit zum Nachdenken. Marialle schärfte ihre Sinne. Bündelte ihre heilige Kraft im Geist. Einen Herzschlag später war das Pfeifen von neun Pfeilen zu hören, die größtenteils nicht verfehlten. Ihnen folgte ein riesiger brauner Bär, Bertaks Bumer, der sich anschickte den ein oder anderen Gegner zu zerfleischen.

Marialle sah außerdem, wie Odessa einen gewaltigen Feuerball zwischen den Händen formte und ihn los schleuderte. Er ging in einer Explosion auf, die die Leiber nur so durch die Gegend schleuderte und zerriss. Der andere Magier streckte seine Hände in die Höhe und ließ einen Eisregen auf die Geißel los, der seinesgleichen suchte. Eine große Gruppe fror ein und zerbarst in tausend Teile.
Maxime und Marialle selbst bauten mächtige goldene Kuppeln um ihre Verbündeten auf, die die Zauber und Pfeile der Untoten in Schach hielten.
Pfeil um Pfeil, Zauber um Zauber schossen sie ihnen entgegen.

Von weitem hätte es sicher ein ansehnliches Lichtspiel abgegeben, wüsste man nicht um den Umstand der Farbenpracht. "Über'n Berg ist's kürzer als zu Fuß", grollte der Zwerg lachend von hinten gut gelaunt und einige Mitstreiter kamen nicht umhin ihn verwundert anzuschauen, bevor sie sich wieder auf das Kampfgeschehen konzentrierten.
Die Zeit verstrich zäh. Die Konzentration schwand mit jedem Zauber, jedem Pfeil der verschossen wurde. So dezimierten sie die Zahl der Geißel beträchtig.
Als sie gerade einmal durchatmeteten, erklang die gefasste Stimme des alten Magiers dunkel,klar und gebieterisch. "Gebt Acht! Es kommen noch mehr!"

Dolette fixierte den Punkt auf den Orphan deutete und erbleichte. Die Priesterin folgte ihrem Blick und erstarrte ebenso. "Wir machen jetzt weiter so lange es geht und dann ziehen wir uns zurück ins Haus!", rief die Kommandantin laut und holte sich von jedem ihrer Gefährten ein Nicken ab.
Sie gaben weiterhin alles was sie hatten doch schließlich kamen die Untoten zu nah. "Jetzt! Zieht euch ins Haus zurück!" Bertak und die Lichtsprungs liefen als erstes mit Maxime und Odessa ins Haupthaus. Dolette und Marialle folgten mit ihrer Gruppe. Die Stube war schon komplett ausgeräumt und bot so Platz für den Kampf.

"Jaz! Geh und bring die Frauen ins Gästehaus! Wir sorgen für Ablenkung. Beeil dich!" Der Angesprochene rannte augenblicklich in den Flur. Marialle und Maxime verschlossen eilig einige Schürfwunden, die von herangesausten Pfeilen zeugten.
Jazper kam in dem Moment wieder, als die ersten beiden Geißelanhänger den Raum von der Veranda aus betraten. Borigan und Gernodt waren sofort zur Stelle, sie brauchten jeder nur einen mächtigen Schwertstreich, um sie zu enthaupten. Aus der Küche kamen nun auch welche, die augenblicklich von einer Pfeilsalve niedergestreckt wurden.

"Beim Licht! Ein Todesritter!", schrie die Paladin, nachdem sie ihren Schock abgeschüttelt hatte und stürmte mit erhobenem Schwert auf eben diesen los. Um sie herum wurde der Boden von goldenen blitzähnlichen Furchen durchzogen, die die große Gestalt, in der schwarzen Rüstung und die umstehenden Untoten, sich vor Schmerz krümmen ließ. Orphan ließ ihn mit einem Frostzauber erstarren. Ein Feuerball sauste auf den Todesritter und rang ihn zu Boden, bevor Dolette mit einem gewaltigem Satz auf ihn niedersauste und ihm ihr Schwert tief in die Brust trieb.
Der dunkle Ritter sackte gänzlich zu Boden und blieb reglos liegen.
Malek schlich derweil in die Schatten und griff sich eine humpelnde Gestalt nach der anderen.

Die Geißel stürmte das Wohnzimmer der Lichtsprungs und der Kampf entfachte von neuem.
Marialle sah wie einer der Untoten, dem Hieb Borigans auswich und ihm mit seinem Schwert diagonal über die Brust schnitt. Blut floss ungehindert zu Boden und der Krieger ging in die Knie. Und auch die anderen hatten mittlerweile schon die ein oder anderen Blessuren davon getragen. So blutete die Elfe aus einer großen Wunde am Oberschenkel, an der Schulter des alten Magiers klaffte eine ebenfalls eine und Gernodt schien seinen linken Arm gar nicht mehr bewegen zu können. Sie versuchte das alles auszublenden und sandte ein Stoßgebet zum heiligen Licht.

Herzschläge später ließ die junge Priesterin einen goldenen Ring erscheinen, der sich im ganzen Raum ausbreitete. Ihre Gefährten strafften ihre Statur und führten den Kampf, von der frischen Energie beflügelt, fort. Die Geißel wurde allerdings immer zahlreicher und es wurde schwerer mit jedem Untoten, der dazu kam, der Lage Herr zu bleiben. Pfeile schossen noch immer unermüdlich durch den Raum. Die Feuerbälle der jungen Magierin erhellten immer wieder die Umstehenden. Das Klirren, aufeinander prallender Schwerter und Schilder war laut zu vernehmen, doch es wollten nicht weniger werden. Die Lage schien aussichtslos.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt