Es gibt bei Weitem nicht nur eine einzige Möglichkeit die Welt auszuradieren: explodierende Atomkraftwerke, eine neue Eiszeit, eine nicht aufzuhaltende Infektion und noch vieles mehr. Die Anzahl Alternativen steigt ins Unendliche. Entsprechend stellt sich eine fundamentale Frage: Welche dieser Alternativen wird den blauen Planeten letzten Endes von allem Leben befreien?
Zur Beantwortung dieser Frage wurde ich entsandt. Darf ich vorstellen, ich, ein Engel der Zerstörung – wenn auch nur in Ausbildung. Früher hatte ich mir die Beförderung zum Engel immer unglaublich fantastisch vorgestellt: Heiligenschein, Flügel, Magie und das ganze Drum und Dran. Tja, falsch gedacht. Jeder Flug musste im Voraus autorisiert werden, Stunden vor Sonnenaufgang wurde man von Fanfaren aus den Wolken geschüttelt (falls ich jemals die heilige Trompete in die Hände kriegte, würde ich sie höchstpersönlich in einem schwarzen Loch versenken) und es wurde einem so viel Verantwortung aufgeladen, dass man Atlas um seinen Job beneidete. Oh, und sterben musste man auch. Aber ich war ja immer noch auf Probe, deswegen war ich nur zu 94.6% tot.
Bevor man mich auf eine Audienz vor den hohen Engelsrat einladen würde und über meine definitive Aufnahme in den Chor abstimmte, ließ man mich kleineren Aufgaben nachgehen. Abhängig davon, wie ich mich dabei anstellte, stiegen meine Chancen Zugang zu anderen Posten zu erhalten. Engel der Zerstörung zu sein brachte kein großes Ansehen mit sich. Meine momentane Aufgabe war für den Himmel so unbedeutend, dass ich mich fragte, ob der Rat überhaupt beabsichtigte, mich in das Amt eines vollwertigen Engels zu befördern. Ich sollte zur Erde fliegen, den Planten für ein paar Tage genauer unter die Lupe nehmen, um dann darüber zu entscheiden, wie er ausgelöscht werden soll. Offenbar war die Zeit der Menschen abgelaufen, was ja alles schön und gut war, aber ich hätte schon gehofft, dass ich mich mit etwas beschäftigen konnte, dass wenigstens halbwegs eine Rolle spielte für das Universum. Aber nein, ich kriegte die Menschen ab. Halleluja.
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Transportengel waren verdammte Arschlöcher. Na gut, vielleicht nicht alle, aber Bill war dafür ein umso größeres. Flüge zu autorisieren und Flugstrecken reservieren zu lassen war schon unter normalen Bedingungen umständlich genug; und Bill nutzte jegliche Gelegenheit, um mir das ganze Vorhaben noch zu verkomplizieren. Ja, ich hatte ihn damals in der Grundausbildung vielleicht einmal zu viel verkloppt, aber das war schon vier Ären her und sein Flügel war auch schon zur Hälfte nachgewachsen.
Obwohl sich der ganze Streit zwischen uns (meiner Meinung nach) schon verjährt haben sollte, nutzte Bill auch meine heutige Flugbuchung, um mir eins reinzuwürgen. Fairerweise war es tatsächlich eine der schnellsten Strecken zur Erde, dafür aber auch eine der unsichersten, weshalb sie kaum noch genutzt wurde.
Die Sache mit seit langem nicht mehr renovierten Flugstrecken war die, dass man sich nie sicher sein konnte, wo man landete. Schon etwa da, wo man geplant hat selbstverständlich – die Strecken, die dich ans andere Ende der Galaxie katapultierten, waren nicht mal mehr im System gelistet und damit auch für Transportidioten wie Bill nicht verfügbar – aber nun mal nur ungefähr da, wo man seine Landung vorhergesehen hatte.
Wie ich also glaubte, mich auf einer abgelegenen Waldlichtung zu materialisieren, landete ich auf einem abgewetzten persischen Teppich, der bestimmt auch schon bessere Tage erlebt hatte, in mitten eines so schlecht beleuchteten Wohnzimmers, dass ich mir auf der Stelle wünschte, ich hätte ein bisschen ewiges Feuer von Zuhause mitgehen lassen. Und weil ich nun mal in keiner Weise als Glücksengel hätte durchgehen können, war es auch kein leeres Wohnzimmer, nein, auf einer Couch (die noch mitleiderregender aussah als der Teppich) lümmelte einer dieser Menschen-Dinger.
Ich verfluchte mein Timing, musste dann aber feststellen, dass der Mensch nicht besonders überrascht aussah. Im Gegenteil, er warf mir einen kurzen Blick über die Schulter zu, murmelte etwas wie „echt coole Schwingen, Mann" und wandte sich dann wieder der flackernden Kiste zu, die ich als Fernseher identifizieren konnte. Das wäre meine Chance gewesen, ohne groß Aufmerksamkeit zu erregen, schleunigst meine Füße in die Hand zu nehmen und zu verschwinden. Da ich jedoch noch nie sonderlich Fan davon gewesen war, keine Aufmerksamkeit zu erregen, beschloss ich, herauszufinden, warum es diesen Menschen scheinbar so überhaupt nicht interessierte, dass gerade ein Engel in seinem Heim aufgetaucht war. Immerhin hatte der letzte Erdling, der einen waschechten Engel zu Gesicht bekommen hatte, vor lauter Schreck ein Kind geboren. Gabriel erzählte die Geschichte noch heute jedem, der dumm genug war, bei des Erzengels Anblick nicht sofort in die nächste Galaxie zu fliehen.
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Eine ganz schön menschliche Angelegenheit
Short StoryEngel der Zerstörung zu sein brachte kein großes Ansehen mit sich. Meine momentane Aufgabe war für den Himmel so unbedeutend, dass ich mich fragte, ob der Rat überhaupt beabsichtigte, mich in das Amt eines vollwertigen Engels zu befördern. Ich sollt...