Ich überquerte die Straße und vermied es die Zufahrtsstraße zu benutzen, die hoch zu dem umzäunten Komplex führte. Seth war nicht dumm und so war ich mir relativ sicher, dass er die Straße komplett Videoüberwachen ließ. So hielt ich mich neben der Straße und bewegte mich vorsichtig zwischen den Büschen und Bäumen umher, die kurz darauf in den Wald mündeten, der den ganzen komplex weiter oben verbarg. Durch die Bäume konnte ich neben mir die Lichtschimmer der Laternen sehen, welche die Straße beleuchteten. Eine Lücke zwischen den Bäumen erlaubte es mir einen kurzen Blick auf eine der Laternen zu erhaschen und tatsächlich konnte ich kurz unterhalb der Lampe einen kleinen Kasten erkennen, an dem in regelmäßigem Abstand eine rote Diode aufblinkte. Ich schlich weiter durch die Baumreihen und lauschte dabei auf jedes noch so kleine Geräusch in meiner Umgebung. Ich spürte keine Anzeichen dämonischer Präsenz in meinem Arm, was mich auf der einen Seite beruhigte und auf der anderen Seite wieder die Zweifel aufkommen ließ, ob ich Seth hier finden würde, geschweige denn ich überhaupt am richtigen Ort war. Nach etwa zwölf Minuten, in denen ich durch den Wald geschlichen war, begann ich wieder Hoffnung zu schöpfen, dass ich mich doch am richtigen Ort befand. Vor mir konnte ich auf der Straße ein Schiebetor aus massivem Stahl erkennen, über dem ein starker Halogenstrahler hing, der die Straße vor dem Tor taghell ausleuchtete. An das Tor schloss sich ein ungefähr drei Meter hoher Maschendrahtzaun an, auf dessen Krone Militärstacheldraht saß. In regelmäßigen Abständen waren auch am Zaun Halogenstrahler angebracht, diese waren allerdings wesentlich kleiner als der große vorne am Tor. Vor dem Tor standen in zwei Reihen solide Blöcke aus Beton die, so war ich mir sicher, im Inneren mit Stahl verstärkt worden und tief im Boden verankert waren. Neben dem Tor war eine Art Wachhäuschen, in dem hinter einer Scheibe aus dickem Panzerglas ein Mann in grauer Uniform saß und in einer Zeitung blätterte. Der Vordereingang war für mich natürlich keine Alternative und so machte ich einen weiten Bogen um das Haupttor und schlich im Schutz der Bäume an dem Maschendrahtzaun entlang. Nach etwa zwanzig Minuten wurde mir bewusst, wie riesig die Anlage sein musste. Durch das vereinzelte Licht der am Zaun aufgehängten Lampen konnte ich vor mir den aus zwei Gebäudeteilen bestehenden Komplex erkennen, der schätzungsweise den Firmenhauptsitz mitsamt dem Forschungszentrum beherbergte. Der Komplex war gigantisch, auf den Satellitenbildern hatte ich schon vermutet, dass er ein beachtliches Ausmaß hatte, aber das was ich nun in der Dunkelheit soweit erkennen konnte überstieg meine Vermutung bei Weiten. Es kostete mich beinahe weitere zehn Minuten, bis ich den Komplex umrundet hatte. Dahinter konnte ich mein eigentliches Ziel schnell ausmachen. Das kleinere Gebäude lag auf der Rückseite der ersten Anlage. Rundherum war, soweit ich es erkennen konnte, eine freie Fläche ohne jede Möglichkeit sich ungesehen anzunähern. Das Gebäude selber, welches die Ausmaße einer kleinen Villa hatte, war nicht von außen beleuchtet. Ich vermutete aber, dass es Bewegungsmelder besaß, welche ein paar Lampen steuerten, die an der Außenseite angebracht waren. Was mich verwunderte, war die Tatsache, dass ich bis auf den Mann im Wachhaus vorne am Tor noch keine Wachen gesehen hatte. Es konnte aber auch daran liegen, dass das Gelände riesig war und eine Runde um den äußeren Zaun herum schätzungsweise an die anderthalb bis zwei Stunden dauern musste. Ich bewegte mich noch etwas weiter am Zaun entlang, um zu schauen, ob ich auf den nächsten Metern auf einen Wachposten traf. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass niemand in der Nähe war, ging ich in die Hocke und betrachtete den ein paar Meter von mir entfernten Zaun. Entweder war der Abstand zwischen den hier aufgestellten Lampen etwas größer, als auf dem Rest des Zaunes oder eine der Lampe war kaputt. Was genau der Grund hierfür war, vermochte ich nicht zu sagen und es war mir im Grunde genommen auch vollkommen egal. Jetzt musste ich mir nur noch überlegen, wie ich auf das Gelände gelangen wollte. Ich begutachtete den Zaun näher und stellte fest, dass es mehr als nur ein einfacher Maschendrahtzaun war. Die dünnen Gitternetze bestanden aus Stahl und nicht wie üblich aus Draht, weiterhin war jede einzelne Strebe so angeschliffen worden, dass die Oberfläche messerscharf war. Ohne Einsatzhandschuhe wie sie Polizei oder Militär verwendeten, war an ein Überklettern des Zaunes nicht zu denken. Meine Selbstheilungskräfte waren mir hier nicht von Nutzen, da sie mich ja nicht unverwundbar machten. Im besten Fall wurde ich vor Schmerz oder von dem Blutverlust bewusstlos und fiel die halbe Strecke, an die ich bis zu dem Punkt kommen würde, herunter. Im schlechtesten Fall blieb ich dabei mit den Fingern in den Maschen hängen und schnitt mir diese mit meinem eigenen Körpergewicht an denn dünnen Stahlstreben ab. Abgesehen davon würde ein Überklettern des Zaunes selbst mit entsprechender Ausrüstung einen enormen Lärm veranstalten und dann war da ja noch die Krone aus Militärstacheldraht am oberen Ende des Zaunes. Da ich ebenfalls keinen Bolzenschneider bei mir trug, auch wenn ich vermute, dass ich zum Zerschneiden dieses Zaunes eher einen Trennschleifer benötigte, schied eine Überwindung des Zaunes auf irdische Art aus. Meine einzige Möglichkeit diesen Zaun zu überwinden sah ich in einem kleinen Sprung zwischen den Welten. Ich hoffte dass Seth, sollte er sich in dem Anwesen vor mir befinden, die Interferenz nicht spürte und ich wenigstens für einen kleinen Moment den Überraschungseffekt auf meiner Seite hatte. Ich schloss die Augen und suchte nach einer Schnittstelle, die es mir erlaubte kurz in das Signum einzutauchen. Als ich meine Augen wieder öffnete, empfing mich das Signum mit dem mir vertrauten „Geräusch" der absoluten Stille. Der Zaun vor mir ragte nun nicht mehr drei Meter, sondern mindestens zwölf Meter in die Höhe und an seiner Spitze konnte ich gerade noch Gebilde erkennen, die wie große schwarze Dornenranken aussahen. Ich blickte mich kurz um, und bemerkte, dass anstatt des Waldes, der in der irdischen Welt ein paar Meter hinter mir begonnen hatte, hier nur ein steiler Abhang in die Tiefe führte. An die Wände des Abhangs klammerten sich tote Baumstümpfe mit ihren Wurzeln in den trockenen Boden, um nicht hinabzustürzen. Im Signum war dieser Ort weit höher gelegen, als er es in der realen Welt war. Die der ganze Komplex thronte auf einem riesigen Berg und nicht nur, wie in der irdischen Welt, auf einer leichten Anhöhe. Der gigantische Forschungskomplex war hier im Signum nicht mehr als eine heruntergekommene Ruine und erinnerte mit seinem Kuppeldach an einen verfallenen Dom. Das kleinere Anwesen hingegen stand als eins zu eins Kopie auf der anderen Seite des Zaunes und sandte pulsierende Energiewellen aus, die wie Nadeln in meinen Arm stachen. Somit wusste ich zumindest, dass Seth nun wirklich hier war. Ich hoffte, dass mein kleiner Sprung ihm nicht verraten hatte, dass ich es auch war. Ich wandte mich wieder dem Zaun zu, griff nach den Maschen und stellte erfreut fest, dass die Physik des Signums mich mal wieder nicht im Stich ließ. Das von mir gegriffene Stück Zaun zerbrach in meiner Hand wie Eis und hüllte diese in eisige Kälte ein. Ich zog meine Hand zurück und ballte die Rechte zur Faust, bis ich das Gewicht meiner Klinge in ihr spürte. Wie mit einem Stock, mit dem man lästige Spinnweben entfernte, fuhr ich mit der Klinge durch den Zaun und schnitt so ein Loch, durch das ich problemlos auf die andere Seite steigen konnte. Dort angekommen schloss ich erneut die Augen und konzentrierte mich wieder auf die Schnittstelle, bis ich wieder in der Dunkelheit der irdischen Nacht stand. Bevor ich mich in Richtung des Hauses bewegte, schaute ich mich zu allen Seiten, um nicht von einem eventuell am Zaun entlanggehenden Wachposten überrascht zu werden. Tatsächlich konnte ich in einiger Entfernung den schwachen Lichtschein einer Taschenlampe ausmachen, der sich ein ganzes Stück weiter rechts von mir in gerader Linie auf mich zu bewegte. Ich musste also beinahe an der hinteren Ecke der Umzäunung durch den Zaun gestiegen sein. Der Wachposten war noch weit genug von mir entfernt, sodass er nicht in geringster Weise für mich problematisch werden konnte. Ich bewegte mich auf dem offenen Gelände geradewegs auf die vor mir aufragende Villa zu und rechnete jeden Moment damit, dass irgendwo über mir ein riesiger Scheinwerfer aufflammte und mich wie ein zum Abschuss freigegebenes Kaninchen in Szene setzte. Nach ungefähr fünfzehn Minuten langsamen Schleichens war ich nur noch knapp hundert Meter von dem Haus entfernt, welches aus der Nähe betrachtet noch eindrucksvoller wirkte als schon aus der Entfernung. Zu meiner Erleichterung ging keine Lampe los und tauchte das Haus in grelles Licht, wie ich erwartete hatte. Ich befand mich scheinbar an einer der Seitenwände und nicht auf der Vorderseite des Hauses. Die letzten hundert Meter bis zur Wand legte ich problemlos zurück und drückte mich gegen die glatte Wand. Die Wände waren weiß und besaßen eine Verkleidung aus irgendeinem Kunststoff- und Glasfaserverbund. Ich pirschte mich zum, wie ich vermutete, rückwärtigen Teil des Hauses und spähte um die Ecke. Ich erkannte eine lange Glasfront aus schwarzem Glas, die von außen komplett verspiegelt zu sein schien. Ich blickte nach oben und erkannte eine Reihe von Leuchtstrahlern über mir. Vorsichtig zog ich mich hinter die Ecke zurück, da ich eventuelle Bewegungsmelder nicht auslösen wollte, und ließ mich gegen die Wand sinken. Ich legte den Kopf in den Nacken und einen halben Meter über mir, fiel mir ein kleines Fenster auf. Ich streckte mich und drückte gegen die Scheibe, welche zu meiner Überraschung leicht nach hinten kippte und dann nach unten in den Rahmen sackte. Ich hörte das Zischen irgendwelcher hydraulischer Pumpen, als die Scheibe langsam versank und den Weg freigab. Anscheinend hatte Seth oder sonst jemand vergessen, das Fenster zu verschließen welches, wie ich annahm, in ein Badezimmer oder in einen sonstigen Nebenraum des Hauses führte. Ich zog mich hoch und schwang meinen Körper durch die kleine Öffnung. Das Risiko eines Sprunges in die totale Dunkelheit war unvermeidlich und ich hoffte, beim Aufkommen so wenig Krach wie möglich zu machen. Ich landete auf der anderen Seite und schlug, als ich unten ankam mit dem Arm an etwas an, was ich nach näherer Begutachtung für eine Toilettenschüssel hielt. Der Lärm hielt sich glücklicherweise in Grenzen. Ich zog mein Handy aus der Tasche und drückte die Entsperrtaste, um mich im schwachen Schein des Displaylichts umzusehen. Mein Blick fiel dabei auf die Uhr unter dem gesprungenen Display, welche inzwischen 19:33 Uhr anzeigte. Im Schein meines Displays bestätigte sich meine Vermutung, in einem Badezimmer gelandet zu sein. Es handelte sich anscheinend um eine Art Gäste-WC, den außer der Toilette und einem Waschbecken samt Spiegel und Wandschrank war der kleine Raum leer. Das Waschbecken und die Toilette bekräftigten mit ihrem Design den von außen gewonnen Eindruck, dass es sich bei diesem Bau um eine futuristische Luxusvilla handelte. Das Licht meines Displays spiegelte sich in nahezu allen Oberflächen und warf die Reflexionen durch den ganzen Raum. Ich bewegte mich vorsichtig auf die Tür zu und horchte eine Zeit lang an ihr, um sicherzugehen, dass sich niemand davor befand, bevor ich sie öffnete. Hinter der Tür erwartete mich ein Flur in ähnlicher Hochglanzoptik und schwarzen Bodenfliesen aus Marmor. Die Fußleisten zierten tiefblaue Neonlampen, welche den sonst dunklen Flur etwas erhellten. An den Wänden hingen Bilder, welche sich wohl am ehesten mit der Bezeichnung „moderner Kunst" beschreiben ließen. Für mich waren es nicht mehr als willkürlich gezogene Linien, Punkte, Kreise und Blöcke. Ich vernahm zwei Stimmen aus der Richtung des Raumes mit der großen Fensterfront und bewegte mich langsam darauf zu. Meine Schuhe hallten etwas auf dem dunklen Marmor und ich setzte meine folgenden Schritte mit etwas mehr bedacht, um meine Anwesenheit nicht früher als nötig anzukündigen. Ich erreichte eine Schiebetür aus Milchglas, welche zu drei Vierteln geschlossen war. Die Stimmen kamen von hinter der und ich konnte sie klar und deutlich verstehen. Die eine Stimme gehörte unverkennbar Collin Seth, die andere Stimme wiederum kam mir zwar bekannt vor, doch konnte ich sie nicht direkt zuordnen. Ich schob mich zum Rand der offen stehenden Tür und riskierte einen kurzen Blick um die Ecke, nachdem die beiden Personen im Raum offensichtlich noch nichts von meiner Ankunft mitbekommen hatten. Mein Arm hatte inzwischen wieder angefangen zu stechen, was in Anbetracht eines nur wenige Meter entfernt sitzenden Dämonen keine große Verwunderung war. Die erste Person, die ich erblickte, war Seth, er saß in einem Ledersessel vor einem kleinen Glastisch. Vor ihm auf dem Tisch stand ein Glas Wein und eine Kristallkaraffe, welche vom Licht einer ebenerdig angebrachten Kaminleiste angestrahlt wurde, die vor der großen Fensterfront verlief. Sein Gast saß Seth gegenüber in einem identischen Ledersessel und hatte ebenfalls ein Glas Wein vor sich stehen. Als ich ihn erblickte und mir bewusst wurde, wer da gegenüber von Seth saß, stockte mir der Atem. Ich hatte ihn nur auf Bildern in der Zeitung oder im Fernsehen gesehen, aber nichtsdestotrotz erkannte ich ihn wieder. Es war John Reygen, der Bürgermeisterkandidat der Demokraten. Ich starrte ungläubig zu dem Mann hinüber und fragte mich, was zum Teufel dieser beim Pressesprecher seines direkten Gegenkandidaten zu suchen hatte, bekam aber auch keine Gelegenheit groß über diesen Umstand nachzudenken. Seth, der zuvor geradewegs in Reygens Richtung geschaut und sich mit diesem Unterhalten hatte, hob nun seinen Blick in Richtung Tür und begrüßte mich, als ob ihm vollkommen klar gewesen, dass ich schon die ganze Zeit über hier war. Er erhob sich vom Sofa und bedachte mich mit einem Lächeln, welches halb gestellt und halb teuflisch war. Dabei sagte er mehr zu Reygen als zu mir: „Sieh an, sieh an Mister Blair, richtig? Sie haben sich also entschlossen, zu so später Stunde noch spontan vorbei zu schauen. Aber warum haben sie denn nicht vorher angerufen? Mein Terminplan ist so schrecklich voll und ich führe gerade so ein wichtiges Gespräch mit Mr. Reygen hier." Die Boshaftigkeit und der Sarkasmus in seiner Stimme waren unüberhörbar. Ich stand vollkommen perplex in der Tür, während Seth weiter auf mich zu kam. Die Tatsache, dass Reygen sich hier befand, war es, die es mir unmöglich machte auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn irgendetwas zu unternehmen. Der Ausdruck auf dem Gesicht des jungen Bürgermeisterkandidaten zeigte höchst wahrscheinlich ein ähnliches Maß an Verwirrung, wie mein eigenes Gesicht. Seth, von alle dem unbeeindruckt, schritt weiter durch den Raum auf mich zu und wandte sich nun mit seinen Worten direkt an mich: „Machen wir uns nichts vor Mister Blair, ich weiß genau, warum sie hier sind. Wissen sie was? Ich bin unglaublich froh, dass sie sich ausgerechnet heute Abend dazu entschieden haben mir nach dem Leben zu trachten. Das vereinfacht die Situation ungemein und ich kann mir dieses lästige Gespräch hier mit Mister Reygen sparen." Während Seth dies sagte, war er auf eine Größe von etwa zweieinhalb Metern gewachsen und machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung Reygen. Dieser war inzwischen erstarrt und klammerte sich kreidebleich an die Armlehnen seines Sessels, während er die Szenerie mit seinen Augen verfolgte. Er musste also sehr wohl sehen können, dass Seth in etwa sechzig bis siebzig Zentimeter gewachsen war. Die Tatsache, dass er noch nicht ohnmächtig geworden, war verwunderte mich. Seth sprach weiter hin zu mir, diesmal mit der Stimme eines ernsthaft schockierten Nachrichtensprechers: „Welch tragisches Schicksal für New York! Der Spitzenkonkurrent der Demokraten wird bei einem Angriff von einem geisteskranken Eindringling während eines Meetings in Old Vermont getötet. Ist das nicht herrlich?" Er brach in ein fast schon hysterisches Gelächter aus und fuhr mit der eisig dröhnenden Stimme des ihm innewohnen Dämons fort: „Athan du glaubst wirklich, uns aufhalten zu können? Dein Auftritt in der Millennium High School war nicht mehr als ein bemitleidenswerter Versuch des Widerstandes. Was glaubst du, wer du bist? Ein Mensch, der zwischen den Welten springt? Ein Narr mit mehr Glück als Verstand! Du hättest dich weiter verstecken und dein erbärmliches Leben auf dieser Erde genießen sollen. Aber nein stattdessen kreuzt du hier auf und willst den großen Helden spielen. Du machst es uns einfach. Mit deinem Erscheinen bist du die Lösung für ein Problem, über welches wir uns schon lange den Kopf zerbrochen haben." Während dieser Worte wandte Seth sich zu Reygen um und trat mit zwei schnellen Schritten zu dessen Sessel. Noch bevor dieser reagieren konnte, hatte Seth ihn ohne Mühe mit einer Hand aus dem Sessel gehoben und hielt ihn einen Meter über dem Boden in die Höhe. Er betrachtete ihn eine Weile und sagte dann ohne mich anzuschauen: „Wir hatten uns darauf eingestellt ihn zu bestechen, damit er im Wahlkampf die Klappe hält, mit den Mitteln der High Society wäre das aus finanzieller Sicht ein Leichtes gewesen. Aber der Dummkopf wollte einfach nicht auf uns hören! So ein verblendeter Idealist, der von Gerechtigkeit und dem Wohl aller Gesellschaftsschichten träumt. Ihr Menschen fühlt euch so groß, dabei seid ihr so erbärmlich schwach und ohne Macht! Aber dank dir Athan können wir unser Problem einfach so beseitigen." Mit diesen Worten packte Seth mit der anderen Hand Reygens Genick und riss dieses mit einem Ruck nach hinten. Das Geräusch des brechenden Rückgrats klang abscheulich dumpf und löste mich endlich aus meiner Paralyse. Ich griff in meine Manteltasche und zog die Pistole hervor. Seth bedachte mich mit einem belustigten Blick, während er den Körper achtlos zu Boden warf und sich mir zuwandte. „Du musst das nicht tun. Du kannst hier auf die Polizei warten und dann wanderst du für den Rest deines Lebens in die Nervenheilanstalt. Ein geistig labiler Mittelständler ohne soziale Bindungen und mit toter Familie, der seinen Job verloren hat und durchdreht. Du hast die Chance auf ein Weiterleben Athan, auch wenn es nicht schön wäre und sicher nicht von unendlicher Dauer, aber wie es scheint, bettelst du ja geradezu um deinen Tod!" Mein Finger krümmte sich um den Abzug und ich gab in schneller Folge drei Schüsse auf den Dämon vor mir ab. Seth bewegte sich mühelos zur Seite und die Kugeln schlugen in die Wand hinter ihm ein. Der Dämon stürmte auf mich zu, und bevor ich noch einen weiteren Schuss abgeben konnte, fegte mich ein gewaltiger Schwinger quer durch den Raum und ich krachte in eine mit Bildern behangene Wand. Glas- und Kunststoffsplitter regneten auf mich herab und mein Schädel dröhnte von dem Aufprall. Seth war mit zwei Schritten über mir, packte mich an der Kehle und hob mich vom Boden während, er langsam zudrückte. Die Farben verschwammen vor meinen Augen und ich strampelte hilflos mit den Beinen. In meiner Panik ballte ich die Fäuste und schlug wild um mich, bis mir das vertraute Gewicht der Dämonenklinge in meiner rechten Hand auffiel. Ich stach halb bewusstlos mit der Klinge nach vorne und vernahm einen donnernden Schmerzensschrei. Im selben Moment wurde ich erneut durch den Raum geschleudert und landete hart auf dem Rücken. Der Aufprall presste die letzte noch verbliebene Luft aus meinen Lungen und mir wurde für einige Sekunden schwarz vor Augen. Das Geräusch donnernder Füße holte mich zurück und ich konnte mich gerade noch zur Seite rollen, als Seth mit seinem Fuß nach meinem Kopf trat. Ich stemmte mich schwankend auf die Beine und sah mich nach meinen Waffen um, die mir bei meinen Flugeinlagen beide abhandengekommen waren. Mein Schwert lag unerreichbar in einer Ecke des Raumes hinter Seth, aber meine Pistole lag nur einen Meter von mir entfernt neben dem Sessel und der Leiche von Reygen. Ich stürzte mich auf die Waffe, bevor der Dämon sich zu mir umdrehen konnte, und hob sie vom Boden auf. Seth hatte durch seinen Tritt ins Leere das Gleichgewicht verloren und war, wie ich vor ihm, auf den Marmorboden gekracht. Er richtete sich gerade wieder auf, als ich die Pistole hob, um auf ihn anzulegen. Der Schnitt meines Schwertes hatte ihn übel zugerichtet. Ein Teil seines linken Ohrs sowie seiner Lippe fehlte und ein tiefer Einschnitt zog sich über Hals und Brust, aus dem Blut quoll und den Boden sprenkelte. Er verzog das Gesicht zu einer grausigen Grimasse, während er wieder zu einem Satz ansetzte, um sich auf mich zu stürzten. Ich jagte die verbleibenden fünf Kugeln in Richtung seiner Beine und hörte über den ohrenbetäubenden Lärm der Waffe, wie die Sehnen von den Kugeln durchtrennt wurden und die Knochen unter der Kraft der Geschosse brachen. Seth schlug der Länge nach vor mir auf den Boden und heulte vor Schmerzen. Ich schob das neue Magazin in meine Waffe und lud diese durch. Mein Schädel dröhnte immer noch und das Atmen viel mir schwer. Seth warf seinen zerschlagenen Körper herum, sodass er auf dem Rücken lag und zu mir hinauf blickte. „Du hast mich einmal zu viel unterschätzt und dafür bezahlst du jetzt den Preis du verfickter Dämonenbastard." Sagte ich ruhig und richtete die Waffe auf den Kopf des Dämons. Dieser fing an zu lachen und spuckte Blut, während er gurgelnd hervorstieß: „Ich gehe nicht, ohne dich meinem Meister auszuliefern! Er wird aus deiner Seele Kraft schöpfen und du wirst nur eine weitere von unzähligen Hüllen sein, die durch das Signum wandern! " Mit diesen Worten packte er meinen Knöchel und ein heißer Schmerz raste durch mein Bein. Es fühlte sich so an, als ob sich Dornenranken in mein Fleisch graben würden und alles fraßen, was sie zu fassen bekamen. Ich schrie vor Schmerzen und fiel neben Seth zu Boden, meine Hand hatte sich um den Griff meiner Pistole verkrampft und ich versuchte verzweifelt die Waffe auf den Kopf des Dämons zu richten, der nur wenige Zentimeter von mir entfernt lag. Mein Finger zuckte unkontrolliert am Abzug und der Rückstoß ließ meinen Arm unkontrolliert durch die Gegend schlagen. Auf einmal ließ der Griff um mein Fußgelenk nach und der stechende Schmerz ebbte ab. Ich sah verschwommen, dass der Kopf von Seth verschwunden war. An der Stelle, wo dieser gesessen hatte, waberte nun eine dunkle teerartige Flüssigkeit aus der menschlichen Hülle des Dämons. Sie breitete sich wie ein lebender Organismus suchend über den Boden aus. Sie floss auf mich zu und ich versuchte meinen Körper aufzurichten, doch mein noch von Schmerzen betäubtes Bein versagte mir den Dienst. Panisch versuchte ich den Kopf vor der schwarzen Masse weg zudrehen, doch es war zu spät. Die teerartige Substanz füllte meine Nase, meinen Mund und meine Augen. Ich versuchte mir panisch die Masse vom Gesicht zu wischen, doch diese glitt einfach zwischen meiner Händen hindurch. Ich schrie, bekam aber keinen Ton heraus, sondern füllte meine Lungen nur noch mit mehr von diesem Teufelszeug, bevor ich endgültig das Bewusstsein verlor.
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The Demons Mirror
FantasyVor sieben Jahren hat Athan Blair versucht seinem Schicksal zu entfliehen und ein neues Leben in Amerika zu beginnen . Doch das was ihn verfolgt kennt keine Grenzen in der irdischen Welt. Die dämonischen Mächte jener Spiegelwelt, die seit Anbegin se...