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Ich drückte die Tür auf. In meiner Hand hielt ich meine grosse hellblaue Reisetasche, die ich manchmal auch mit zum Schwimmen nahm, wenn ich keine andere fand. Aus dem Flur hörte ich wie Schritte näher kamen, fast schon stampfend. Die karge Einrichtung des Hauses hatte mich seit unseres Auszuges immer schon eingeschüchtert, die weissen Lackmöbel waren schön, aber erinnerten mich an nichts. Vielleicht lag es daran, dass ich nichts fühlte wenn ich sie anstarrte. Nichts. Aber sonst spürte ich ja auch nichts, das war also nicht unbedingt neu für mich. Auch wenn alles sauber und aufgeräumt war, die weisse Vase mit frischen, bunten Blumen gefüllt war, es war, Tulpen, fühlte ich mich hier nicht mehr so wohl wie ich es früher einmal tat. Ich ging durch die neue Haustür. Sie war genau wie alles andere sonst auch einfach nur weiss und passte gar nicht zur alten Fassade des Hauses. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss. Die Schritte meines Vaters wurden durch das dumpfe Geräusch der zufallenden Tür unterbrochen. Ich schaute durch die Gegend: Die grosse Eiche die man über das Haus hinweg sehen konnte, kannte ich noch von früher. Büsche zierten neuerdings den Vorgarten. Die Umgebung hatte sich so verändert, seit ich hier nicht mehr lebte. Seit wir nicht mehr lebten, meine Mutter, meine Schwester und ich. Nur wenige Sekunden später öffnete sich die Tür erneut und ich verspürte einen leichten Windstoss der von ihr ausging. Ich sah wie mein Vater nach draussen kam und lächelte ihn kurz an. Auch wenn es kein ehrliches Lächeln war, wusste ich es würde ihn glücklich machen. Das war eigentlich alles was ich immer wollte: nicht zeigen was ich fühlte und die anderen glücklich machen

"Kann losgehen oder?", fragte mein Vater und kramte in seiner Jackentasche nach dem Autoschlüssel seines nagelneuen Autos. Ich nickte ohne einen Ton von mir zu geben. Meine Eltern, vor allem mein Vater, kannten mich eher ruhig als laut. Dabei war ich einmal so ein lebensfroher Mensch gewesen. Sie hatten sich daran gewöhnt und dachten es läge an der Pubertät. Auf ihre Scheidung schoben sie das nie. Ich war ja schliesslich noch 'total jung' und 'nicht alt genug um das zu verstehen' gewesen. Aber ich hatte es verstanden. Ich verstand es sofort. Wenn meine Mutter ganz spät abends erst wieder nach Hause kam und sie und mein Vater sich anschrien. Ja, ich war alt genug dafür gewesen. Alt genug um zu verstehen, was sich bei uns abspielte.  Anders als meine Schwester Amélia. Sie war da gerade mal 3 und ich immerhin schon 6. 

Wir gingen zum Auto und ich öffnete die Beifahrertür, nachdem das Auto nach dem Öffnen kurz aufblinkte.

Wie soll er damit zurechtkommen?

Ich stieg schnell ins Auto und sah wie mein Vater auf der gegenüberliegenden Seite dasselbe tat. Er startete den Motor und ich schaute nach draussen.

Wie wird er es erfahren? Wird meine Mutter es ihm mitteilen? Telefonisch oder Persönlich? Sie hatten sich ewig nicht mehr gesehen.

Das Auto begann zu rollen und ich lehnte mich zurück. In der Hoffnung für einen kurzen Moment die Augen schliessen zu können, entspannte ich meine Beine und lag somit schon fast auf dem Beifahrersitz des nagelneuen BMW.

"Wie findest du das Auto?", fragte er mich.

"Ach, wirklich schön. Mir gefällt vor allem die Ausstattung.", entgegnete ich und deutete mit meinen Blicken auf das eingebaute Radio und die darin enthaltene Rückfahrkamera. Mein Vater verdiente gut. Auch wenn er einiges an Unterhalt an uns zahlen musste und uns auch sonst mit ausreichend Geld versorgte, konnte er sich nicht beschweren. 

Danach war unser Gespräch auch erstmal für den Rest der Fahrt beendet. Ich bereute es ein wenig nicht mehr geredet zu haben, mich das letzte mal nicht mit ihm unterhalten zu haben, aber ich wollte nicht, dass er irgendwas merkte. Dass er merkte, was ich vorhatte.

Nächsten Samstag um 19.05 . Jedenfalls war das so geplant. Ob es auf die Minute genau hinhaute, wusste ich natürlich nicht. Aber das wäre natürlich optimal.


Also ich würde mich auf jeden Fall über Kritik freuen. Da es jetzt schon ein bisschen spät ist, höre ich für heute erstmal auf. 

Alles wird irgendwann gut 

G

... und alles war okayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt