Der Mann

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Ein Mann. Ein Mann namens Fraxinus. Er geht. Er geht seinen letzten Gang. Die Rechnungen lassen sich nicht bezahlen. Die Fabrik wurde geschlossen. Was bleibt dem alten Mann noch? Nichts... nichts war auf der Straße an jenem Samstag Morgen an einer alten Bogenbrücke an der Moldau. Es war unheimlich still, leise, dennoch unheimlich. Das einzige Geräusch was der Mann hörte, waren die tristen Grasbüschel am Ufer, welche leicht zu dem Rhythmus des Windes tanzten. Die alte Steinbrücke ,,ja genau!", schwelgte der Mann in seinen Erinnerungen. Er war damals dabei. Er hat geholfen dieses riesige Bauwerk zu errichten. Fraxinus hatte aber noch mehr Erinnerungen an die Brücke. Seinen ersten Kuss. Wie seine Mutter dort einen Herzinfarkt erlitt. Doch das braucht ihn nicht mehr zu interessieren oder emotional binden. Denn es Zählt nur noch eins! Das eine Ziel! Sein letztes Ziel. Er war damals dabei wie sie gebaut wurde. Er weiß wie hoch sie ist und er weiß was unten auf ihn zukommt. Die Brücke ist sehr lang und steinig. Seine alten Knochen schmerzen schon. Nach ein paar Momenten steht er nun in der Mitte. Alleine ist er nicht. Aus dem Nebel erscheint eine kleine Gestalt. Die Silhouette einer Frau nur kleiner. Ein kleines Mädchen. Sie trägt ein etwas ausladendes türkises Kleid mit wundervollen silbernen Verzierungen. Aber auf den ersten Blick fielen Fraxinus ihre pechschwarzen, lockigen Haare auf, die ihr bis zur Brust gingen. Sie lächelte und fragte ihn ganz entzückt: ,,Was machst du so früh auf meiner Brücke?". Er grummelte: ,,Deine Brücke? Wenn schon wäre es meine Brücke. Weißt du, ich hab sie nämlich mit aufgebaut!" Die Kleine verzog ihr Lächeln nicht und sagte: ,,Wir könnten sie teilen. Aber glaube mir, du willst sie gar nicht haben." Fraxinus erwiderte: „ Ist mir auch egal Kleine, ich muss jetzt gehen. Sag mir, musst du nicht nachhause?". „Nein, ich will auch nicht mehr nachhause. Die Brücke ist meine Heimat und ich kann sagen, mein Herr, es ist langweilig hier! Zudem ist mein Ball verschwunden", sagte das Mädchen leicht weinerlich.

Fraxinus dachte etwas nach und wandte sich um: „Hör mal Mädchen, ich muss wirklich weiter und du nachhause!" Doch als er dies sagte und sich wieder zu ihr wandte war sie verschwunden. Er seufzte und wartete fünf Momente ab, um sicher zu gehen dass sie gegangen war. Nun ist es Zeit für ihn zu gehen. Er kletterte auf das Gemäuer und schaute auf die Moldau. Doch er sah nicht nur die Moldau sondern etwas am Ufer liegen. Etwas wie eine Decke oder ein großer Stofffetzen. Beim genaueren hinsehen sah es eher wie ein Mensch aus. Wie vom Blitz getroffen rannte er. Er rannte, so schnell seine alten Knochen ihn rennen lassen konnten. Am Ufer angekommen lag ein roter Ball an der Böschung. Fraxinus ging weiter zu dem erst gesehenen Objekt. Ihm wurde Übel. Übel und schwummrig. Aber nach einer Kurzen Zeit wurde er auch traurig. Da lag sie. Das Mädchen. Im Schlick, total dreckig. Von ihrem hübschen Gesicht war nicht mehr viel übrig außer freudig rum schlängelnde Maden. Der Mann war traurig, so traurig war er noch nie. Das war das letzte mal das er zu der Brücke ging.

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