Kalte Steine

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"Which ice cream would you like?", fragt mich Simon und ich lächle und bestelle dann selbst eine Kugel Stracciatella und eine Pistazie. Simon bezahlt mit sechs Neuseeland Dollars und wir verlassen nebeneinander die kleine Eisdiele. 

"So, when will I know in what class I'll be?", erkundige ich mich.

"We already know, didn't I tell you? You'll be in my class, so I can introduce you to my friends and so on", erklärt er und wird plötzlich von seinem klingelnden Handy unterbrochen. 

Während er sehr schnell und mit starkem Dialekt telefoniert, so dass ich fast nichts verstehe, lasse ich meinen Blick über die Strandpromenade schweifen. Möwen sitzen auf dem Steg und balgen sich um fallengelassene Brotstücke und alte Pommes, während hinter ihnen die Wellen an die Steine prallen und in weißen Schaum aufgehen.

"Hey Sky, this was Ana, a friend of mine, she's just one block from here and has nothing to do, so she asked me to make out", sagt Simon während er sein Smartphone wieder in die Tasche seiner Jeans steckt. Kurz bin ich verwirrt - bedeutet 'make out' nicht fummeln oder rumknutschen? Ich sehe Simon unsicher an.

"Make out?", frage ich.

"Uhmm... to join or meet each other?", gibt er mir synonyme und ich grinse.

"Oh... okay, if it doesn't bother you if I'm also with you?"

Fünf Minuten später steht ein kleines quirliges Mädchen mit fluffig lockigen Haaren vor mir, die ihre Nerdbrille zurückschiebt und mich breit grinsend umarmt. "Heyyy you, I'm Ana!"

"Hi Ana... my name is Ciela", stelle ich mich vor.

"Oh, sky? Are you from Italy?", fragt sie sofort.

"No, Austria, but yes, the name is Italian", erkläre ich wieder einmal und knuspere die letzten Stückchen meiner Waffel weg.

Wir spazieren wieder zurück zum Strand, wo inzwischen ein kühler Wind aufgekommen ist und wir uns auf einer Bank niederlassen. Ana spricht ununterbrochen und ohne eine einzige Atempause, sodass ich irgendwann Angst habe, sie könnte ersticken. Dennoch bemühe ich mich, ihr zuzuhören, während die Sonne sich bereits dem Horizont zuwendet. 

"Ana, may you speak slower?", unterbricht sie Simon irgendwann, weil er offensichtlich bemerkt, dass ich fast nichts verstehe. 

Das war wahrscheinlich nicht die beste Idee, denn jetzt fängt sie an sich quietschend zu entschuldigen und bekommt sogar glasige Augen. Rasch rede ich ihr ein, dass alles in Ordnung ist und ich sie gut verstanden habe. "Just go on speaking, it's very interesting"

Und sie plappert auch schon weiter über ein Fest, das vor einem halben Jahr hier stattgefunden hat oder so ähnlich, irgendetwas mit einem Karussel, glaube ich. 

"Well, now I'm gonna have to go because I need to get home, my mom's waiting with dinner, but I don't know, maybe you wanna come with me? I'm sure we have got enough food, my mum won't care if there are some more... or are you also gonna go home? Or staying here?", sie lässt uns gar keine Zeit zu antworten, doch Simon scheint das bereits zu kennen und lässt sie einfach weiterreden, während er sie zum Abschied umarmt. Sie schlingt auch wieder ihre Arme um mich und hüpft dann die Strandpromenade entlang immer weiter weg von uns, wobei man ihre grellgrünen Stiefel noch aus weiter Ferne sehen kann. Ob ihr darin nicht zu heiß ist?

Simon sieht mich neugierig an. "You like her?"

"Sure! She... talks... a lot", sage ich langsam und genieße erst mal die Stille. 

"Oh, she always did... you wanna stay here? I have to do a presentation at the first day of school, so I'm gonna have to meet a mate, shall I escort you home, or do you find the way on your own?"

"I'll find it and I'll stay here for a while, but thanks, Simon"

Damit verabschiedet er sich und ließ mich allein auf meiner Bank zurück, die Füße auf kalte, nasse Steine gestützt.

Ich fröstle, als die Sonne endlich ganz untergegangen ist und ziehe einen weiten grauen Pulli aus meiner Tasche. Als ich ihn überstreife wird mir erst klar, dass es Lucas Pullover ist, den er mir vor ein paar Monaten geliehen hatte und den ich ihm nie zurückgab. Ich stehe auf und klettere über das Geländer auf die nassen kalten Steine hinunter, über die ich zum Wasser hinunter balanciere, um meine Beine in der Dunkelheit hineinhängen zu lassen.

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Mermaid (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt