--- -Die Creepypasta von Vergo- ---

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"Also ich wollte euch nur vorwarnen... aber ihr habt es euch ja gewünscht...

Zwei Minuten noch. Ich wippe auf dem Stuhl. Komm schon, komm schon, komm schon, komm schon. Ungeduldig sehe ich dem Fleisch zu, wie es im Backofen in seiner Folie bestimmt langsam seine Farbe von fleischlich- rosa zu angebraten- braun wechselt. Ein Knacken lässt mich aufschrecken. Hektisch krieche ich unter den Küchentisch. Schritte ertönen auf unserem Holzboden. Flache Schuhe, das könnte ein gutes Zeichen sein... Ein Quietschen. Die Backofentür wird aufgeklappt und das Blech mit dem Fleisch wird mit einem Scheppern rausgezogen. Weitere Schritte.

„VERGO? Komm raus. Mum ist nicht da und ich weiß, dass du hier bist!", ruft mein älterer Bruder.

Vorsichtig krieche ich aus meinem Versteck. Mein Bruder steht in der Mitte des Wohnzimmers, starrt mich nur an.

„Mum wird dich umbringen, wenn sie bemerkt, dass du im Haus warst.", bemerkt er mit einem Lächeln, „Warum zur Hölle bist du hier?"

Mein Blick wandert zu dem Tablett mit dem Stück Fleisch, das mein Bruder Nikolas in der rechten Hand hat. Er schaute es ebenfalls an.

„Rohes Fleisch schmeckt nicht so gut.", bringe ich leise heraus, „Wenn man es im Ofen erwärmt und es vorher in Alufolie eingewickelt hat, kann es seinen gesamten Geschmack besser entfalten."

„Und woher weißt du das denn jetzt wieder?", fragt Nikolas.

„Das hat mir der Kantinenkoch erklärt. Ich mag ihn. Er ist nett, obwohl ich nur eine Aushilfe bin.", gebe ich mit einem Lächeln zurück.

Mein Bruder beginnt ebenfalls zu lächeln. Er nimmt das in Alufolie gepackte Fleischstück und reicht es mir.

„Hier, nimm."

Nachdem ich es dankend annehme ertönt auf einmal ein Scheppern. Wir beide drehen uns perplex um, als wir hören wie die Absatzschuhe meiner Mutter durch die Gänge hallen. Panisch renne ich auf die Terassentür zu und reiße sie auf. Leise und schnell flüchte ich durch den Garten und biege nach hinten ab. Ich sehe bereits den alten, verfallenen Schuppen, den ich seit ich 5 war, mein Zuhause nennen konnte. Mit einer gewissen Euphorie renne ich dem Schuppen entgegen. Das Fleisch umklammere ich währenddessen fest mit meiner Hand unter meinem schwarzen Pulli.

Auf einmal spüre ich einen starken Ruck, der mich nach hinten zieht. Meine Kehle fühlt sich für einen kurzen Moment so an, als würde ich ersticken. Meine Mutter packt mich an meinem Pulli und zieht mich hoch.

„HAST DU ES TATSÄCHLICH GEWAGT IN UNSER HAUS ZU GEHEN, DU KLEINE MADE?"

Von mir kommt nur ein ersticktes Röcheln. Sie schmeißt mich verächtlich zu Boden und mein Rücken knallt mit Wucht auf die Erde.

„Du kleines Stück Scheiße, muss ich dir erst Manieren beibringen?", fragt sie mit einem ruhigen, fast höflichen Ton. Ich starre sie nur an. Sie weicht meinem Blick aus und zerrt mich in das Haus. In IHR Haus.

„Da du es hier ja so unglaublich liebst, kannst du auch erstmal hier bleiben.", sagt sie und reißt die Tür zum Keller auf. Bevor sie mich die Treppen runter stößt, in den dunklen Kellerraum, voller gefährlicher Gegenstände, schenkt sie mir noch einmal ihr wunderschönes Lächeln. Ein herzerwärmendes Lächeln, das in jeden Menschen ein warmes Gefühl hervorruft. Dann falle ich, tief in die Dunkelheit...

Ich sollte mich vielleicht erst einmal vorstellen. Mein Name ist Vergo. Ich bin kein besonders auffälliger Junge. Und das nicht mal, obwohl ich ziemlich intelligent bin. Meine Lieblingsfächer sind Mathematik, Naturwissenschaften und Sprachen. Außerdem liebe ich Kunst und Kochen. Es ist einfach wunderbar, den anderen Schülern beim Lernen zu zusehen. Ich lerne nicht mit. Nicht weil ich nicht will. Ich kann einfach nicht. Ich bin kein Schüler, ich arbeite in der Schule als Aushilfe. Ich koche in der Kantine, helfe dem Hausmeister bei Reparaturen und serviere den Schülern manchmal ihr Essen. Ich mag die Arbeit. Ich lerne immer wieder neues dazu. In den Arbeitspausen setzte ich mich manchmal neben das Klassenzimmer und schaue den Lehrern beim unterrichten zu. Früher habe ich das öfters gemacht. Heute nicht mehr. Ich lerne die Dinge schnell und war deshalb auch ziemlich zügig mit dem gesamten Lernstoff fertig. Es ist manchmal ganz witzig zu sehen, wie 16-jährige Probleme hatten, bei Aufgaben die ich einfach lösen konnte. Aber mehr als ein lustiger Zeitvertreib war es auch nicht mehr.

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