Liar

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Pov.: Yoongi

Es ist einer dieser Regentage.

Einer dieser Regentage, an denen ich allein am Fenster sitze und darauf warte, dass er zurückkommt.

Doch er tut es nicht.

Jedesmal mache ich mir große Sorgen, die sich später als unberechtigt herausstellen. Er ist wahrscheinlich, wie alle vorherigen Male, mit Taehyung etwas trinken.

Ich sollte nicht eifersüchtig sein, da er sein bester Freund ist. Doch ich bin es. Die wenige freie Zeit, die ich mir heute einräumen konnte, um etwas mit ihm zu unternehmen, ist umsonst und vergeudet.

Er verbringt mittlerweile mehr Zeit mit ihm als mit mir.

Aber vielleicht ist es auch meine Schuld? Vielleicht arbeite ich zu viel und er fühlt sich vernachlässigt, sodass er Trost bei Taehyung sucht. Ist er etwa besser als ich?

Schnell verdränge ich diese Gedanken und schüttle den Kopf, als würden sie dadurch herausfallen und in der Luft verpuffen.

'Es muss am Wetter liegen', trichtere ich mir ein, als müsste ich ihn vor mir selbst rechtfertigen. Das Wetter ist schuld, genau.
Angesäuert sehe ich die runden Wassertropfen, die das Fenster herunterlaufen, an.
In ihnen spiegelt sich das Licht der Stadt und es werden durch den Regen immer wieder neue Tropfen an das Fenster gepeitscht.

Der Regen ist schuld...

Ich werde durch eine Bewegung unten auf der Straße aufmerksam. Die zwei Gestalten, die auf dem Fußweg langsam auf das Wohnhaus zusteuern wirken auf der sonst so meschenleeren Straße eindeutig fehl am Platz.

Sie zerstören die betrübte Stimmung von mir und dem Regem. Denn sie lachen.
Er ist fröhlich und lacht ohne mich. Ich sitze hier oben auf dem Fensterbrett und blase einsam Trübsal.

"Es ist zwar spät am Abend , doch der Tag ist noch nicht ganz vorbei", denke ich mir und versuche etwas positives in seiner lang erwarteten Ankunft zu sehen.

Schnell rutsche ich vom Fensterbrett und schleiche in die Küche, um die anderen nicht zu wecken, da sie vermutlich schon schlafen.

Doch anders als erwartet, trefe ich in der Küche auf Jimin, der wie ich bis soeben auf den Fensterbrett sitzt und nach draußen starrt. Er hat seine Beine angewickelt und mit den Armen locker umschlungen, wodurch er seinen Kopf seitlich auf seine Knie gelegt hat. Da er mich nicht sehen kann, vermute ich, dass er mich nicht bemerkt hat.
Vorsichtig gehe ich auf ihn zu und spreche mit gedämpfter Stimme, um ihn nicht zu erschrecken: "Jimin?".

Er reagiert nicht, woraus ich schließe, dass er eingeschlafen ist.

Leise entferne ich mich wieder von ihm und hole eine Flasche Rotwein und zwei Gläser aus dem Schrank. Diese stelle ich auf der Tischplatte ab und gehe zu dem Sitzsofa hinter dem Tisch, um eine Decke von dort zu nehmen. Ich breite sie leicht aus und lege sie dann über Jimin, damit er über die Nacht nicht friert.
Schließlich bewege ich mich wieder auf die Kücheninsel zu und schneide ein paar Scheiben Baguette ab, welche ich in ein kleines Körbchen lege. Dazu hole ich noch einen französischen Frischkäse aus dem Kühlschrank. Das alles stelle ich nun auf ein Tablett, das ich vorsichtig in unser Zimmer balanciere.

Dort angekommen stelle ich das Tablett auf das Fensterbrett und setze mich daneben.

Jetzt heißt es warten.
Doch kurze Zeit später höre ich, wie ein Schüssel sich in der Wohnungstüt dreht und sich Schritte hineinbewegen. Leise, darauf bedacht niemanden zu wecken. Etwas von unserer Zimmertür entfernt flüstern sie etwas. Doch sie sind zu leise, dass ich etwas verstehen könnte.

Anscheinend ist Taehyung in sein Zimmer gegangen, da sich eine Tür schließt. Freudig erwarte ich, dass er endlich zu mir kommt.

Ich lausche, ob sich bereits Schritte nähern. Doch nichts regt sicht.

Ich habe extra seinen Lieblingsrotwein ausgewählt, in der Hoffnung ihm eine Freude zu machen.

Auch in diesem Moment hoffe ich, dass die Tür aufschwingt und er lächelnd hineinkommt. Dass er das Angerichtete sieht und mich glücklich ansieht. Mir in die Arme fällt und mir einen kleinen Kuss gibt.

Doch diese Hoffnung erstirbt, als auch nach fünf Minuten immer noch kein Mucks zu hören ist.

Resigniert rutsche ich ein erneutes Mal von meinem Sitzplatz, jedoch diesmal, um mich in mein weiches Bett zu legen. Noch bevor ich mir Gedanken über ihn machen kann, drifte ich in einen unruhigen Schlaf. Ich war wohl doch müder vom Warten, als Ich angenommen hatte.

Kleine Sonnenstrahlen, die mutig durch die, noch immer nicht verzogenen, Regenwolken brechen, scheinen mir auf mein Gesicht und zwingen mich, meine Augen zu öffnen. Noch vom Schlaf umhüllt, reibe ich mir müde den Schlafsand aus meinen Augen. Ich riskiere einen Blick auf die andere Hälfte des Bettes hinter mir, mit dem Gedanken er wäre gestern Nacht doch noch zu mir gekommen, bloß damit mir eine völlig unberührte Bettwäsche entgegenblinkt.

Mein Herz wird schwer und es fühlt sich an, als würde es mich wieder unter meine warme Bettdecke ziehen, doch ich zwänge mich aus meinem Bett und nehme das schwer beladene Tablett in meine leicht zittrigen Hände.

Auf dem Weg in die Küche begegne ich niemandem, doch in der Küche sehe ich eine Person am Esstisch sitzen, die ich schon gestern Abend in meiner Nähe gewünscht hätte.

Jungkook.

Grinsed dreht er sich zu mir um und wünscht mir einen guten  Morgen, aber als sein Blick zu dem Tablett in meinen Händen wandert, ändert sich seine Miene von fröhlich zu einer Mischung aus Schuldbewusstsein und einem Hauch Reue.

"Wo warst du gestern?", frage ich ihn mit brüchiger und vom Morgen rauer Stimme.

Sein Blick wird, wenn überhaupt noch möglich, noch schuldbewusster.

"Wieso?", antwortet er mir mit einer Gegenfrage und sieht mich mit seinen unschuldigen Puppenaugen an. Sein niedlicher Anblick würde mich in jeder anderen Situation dazu bringen,ihn zu mir zu ziehen und fest an mich zu drücken, während ich mein Gesicht in einem seiner weißen T-shirts vergrabe, doch jetzt stehe ich traurig vor ihm, im Unklaren, ob ich ihm noch vertrauen kann.

"Ich habe auf dich gewartet und du bist nicht gekommen.", sage ich nur und stelle dabei das Tablett ab, da es langsam zu schwer wird.

"Also ich war im Entertainment die Choreographie üben und weil es etwas spät geworden ist, habe ich dort übernachtet.", antwortet er mir endlich, doch das ist nicht das, was ich erwartet habe.

Lüge.

Er hat mich angelogen. Wieso lügt er mich an?

Ich bin froh, dass ich das Tablett bereits abgestellt habe, sonst wäre es mir aus den Händen gerutscht und der teure Wein am Boden zerschellt.

Zerschellt wie mein Herz in dem Moment der Lüge. Da wurde mir auch klar, wie oft ich bereits Worte wie diese von ihm gehört habe. Waren das auch alles Lügen?
Ich drehe mich wie von Sinnen auf der Stelle um und stürme in unser Zimmer. Ich spüre seinen Blick, der sich in meinen Nacken brennt, doch ich achte nicht darauf und schließe hinter mir ab. "So kommt er aber nicht ins Zimmer", höre ich eine kleine Stimme in mir, aber es ist mir egal.

Soll er doch zu Taehyung gehen.

Dabei rinnt mir eine Träne über die Wange.

Betrayer / OneshotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt