Kapitel 8 - An der Pforte

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»Werden sich deine Leute hier zu helfen wissen, wenn du eine Weile nicht da bist?«

Phobos führte Lielan, den nachtschwarzen Rappen, am Zügel in Richtung des Portals.

Die beiden Vampire trugen ihre Waffen, die Armbrust und ein Schwert mit schwarzer Klinge, auf dem Rücken und hatten ihr Reisegepäck sorgfältig an den Sätteln befestigt, während die Pferde ruhig vor sich hin gemümmelt hatten.

»Aber ja. Ich bin ja sonst auch nicht jeden Tag hier. Und selbst wenn ... mir ist gerade nichts wichtiger, als Arian zurückzuholen. Die werden hier schon klar kommen. Und wenn nicht, dann setzt es die Strafe dafür später. Das ist jetzt unerheblich. Die Koppeln sind grün. Hier wird niemand verhungern.«

Ein kalter Hauch wehte über die Stallungen und trug feine, schleierartige Flöckchen mit sich mit, ein erster Hauch des Winters aus den ewig verschneiten Schattenbergen.

»Gut ... ich hoffe, die gehen uns nicht durch, wenn wir durch das Portal treten.«

»Nein. Die erschreckt so schnell nichts.« Riley tätschelte Thally, der Stute mit den violetten Augen, den Hals, was diese zufrieden schnauben ließ.

Phobos nickte und gab das Ziel, das Crossroads-Casino, ein. Die Farbe des Portals veränderte sich leicht und der Unsterbliche deutete seinem Liebsten an, als Erster hindurch zu gehen.

»Wir sehen uns auf der anderen Seite«, murmelte er, als Riley die Schimmelstute hindurch führte und sie beide verschwunden waren.

»Also dann, Lielan. Mach' mir bitte keine Schwierigkeiten, das kann ich jetzt nicht gebrauchen.«

Der Wallach schnaubte und schüttelte seine beachtliche Mähne, was der Vampir als ein ‚Nein' auffasste, die Zügel fester griff und durch den violetten Schleier trat.

Die Sonne über dem Casino stand bereits sichtbar am Himmel und Phobos musste die Augen einen Moment zusammenkneifen. Je weiter man in Belletristica nach Osten kam, umso schneller wurde es Tag.

Riley war erst wenige Schritte vorausgegangen auf das Gebäude zu, was in seiner Außergewöhnlichkeit ein wahrer Blickfang war.

Es war von rostroter Farbe und hatte unzählige Türmchen und winzige Erker sowie eine bogenförmige Freitreppe, die man erklimmen musste, um zum Haupteingang zu gelangen. Ein ordentlicher Kiesweg inmitten eines kleinen, aber durch die beginnende Kälte leider farblosen Gartens erweckte den Anschein von bodenständiger Gemütlichkeit, doch jeder in Belletristica wusste, dass das Crossroads nicht nur ein Gasthaus war oder ein Ort, um sein Gold beim gepflegten Glücksspiel zu verlieren. In der obersten Etage des dreistöckigen Gebäudes gaben deutlich in den Fenstern erkennbare rote Lampen einen nur zu eindeutigen Hinweis darauf, was für Dienste man in diesem Haus noch erwerben konnte außer einem Bett für die Nacht, einem Essen und einem starken Drink.

Riley blieb vor dem Zaun auf der schütteren Straße stehen, an dessen Kreuzung die Inkarnation viktorianischer Baukunst im Schatten eines kleinen Berges stand und sah an der Fassade hoch.

»Weißt du, dass ich, solange ich hier lebe, noch nie da drin gewesen bin?«

»Es ist verwirrend«, entgegnete Phobos nur. »Es gibt einen Raum ganz in der Mitte, einen Ballsaal, der Fenster hat, obwohl er keine haben dürfte. Voller Magie, dieses Haus.«

Der junge Vampir sah seinen Mann argwöhnisch an. »Zu welchem Zweck warst du denn hier?«

»Um zu übernachten. Ich blieb mal eine Nacht, als ich auf Vermessungsreise war. Ich hab damals etwas Gold beim Kartenspielen gewonnen. Aber ich hab mir keinen Lustknaben davon gekauft, falls das deine Sorge ist, mein Hase«, grinste ihn der Unsterbliche an.

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