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   Es vergingen vier weitere Tage bis ein Späher berichtete, dass sie sich in unmittelbarer Nähe des Lagers der verdorbenen Orks befanden. Es war bis dato unklar, wie man vorgehen wollte. Die vereinten Streitmächte von Thrall und Jaina waren zahlenmäßig klar überlegen, aber man wollte die Orks unter Grommash Höllschrei wenn möglich nicht töten. In diesem Teil Kalimdors war das Land satt und dunkelgrün. Dicht bewaldeten und unwegsam. Dafür gab es Wasser und Wild im Überfluss.
Als sie ihr Lager in gebührendem Abstand aufgeschlagen hatten, fanden sich Dolette und ihr Gefolge, zusammen mit Jaina im geräumigen Zelt des Kriegshäuptlings ein, wo Thrall und Cairne Bluthuf auf sie warteten, um sich auf eine Vorgehensweise zu einigen.

Ein großer Tisch stand in der Mitte des Zeltes, auf ihm eine grobe Karte mit dem bisher entdeckten Teilen Kalimdors, beschienen von zwei Laternen. Mehr Lichtquellen gab es in dem Zelt auch nicht. Was der Atmosphäre im Inneren etwas Zwielichtiges verlieh. "Sie werden sich nicht ergeben, das liegt nicht in unserer Natur, schon gar nicht unter Einfluss, des Dämonenblutes", erklärte Thrall gefasst. "Dann sollten wir warten bis die Nacht herein bricht und die Wachen bewusstlos schlagen, dann können die Schamanen und Priester sie reinigen, wenn sie schlafen", schlug Malek vor, dem ein verschlagenes Lächeln über die Lippen glitt. eine Vorgehensweise ganz nach seinem Geschmack.

Dolette sah von dem Schurken zum Schamanen. "Was meint ihr? Ist das umsetzbar?" Der Kriegshäuptling ließ sich mit der Antwort Zeit. "Wir müssen äußerst leise und schnell vorgehen, dann ist es machbar. Lady Lichtsprung, was meint ihr wie lange wir brauchen um den Reinigungszauber zu kanalisieren?" Marialle starrte abwesend auf einen unsichtbaren Punkt hinter Thrall, während sie überlegte. "Schwer zu sagen. Ich weiß ja nicht mal mit Sicherheit, ob es funktioniert", gab die Priesterin zu. Da schaltete sich die Hochelfe ein. "Wir haben keine andere Wahl als es zu versuchen, Thrall. Ich werde zusammen mit Meister Bluthuf und einigen Truppen warten, falls die Reinigung fehlschlägt."

Cairne nickte dem Ork zustimmend zu. "Dann wird es so geschehen. Wir warten also bis der Mond hoch am Himmel steht und schlagen dann zu", sagte Thrall dann schließlich. Sein Blick zeugte von Sorge. Marialle war unschlüssig, ob es die Sorge um seinen Freund oder das mögliche Scheitern ihrer Mission war, was diese in ihm auslöste, aber es interessierte sie brennend, dass ein Ork zu solchen Gefühlsregungen fähig war. "Ruht euch alle etwas aus, unter Umständen werden wir unsere Kräfte brauchen", meldete sich nun auch Jaina abschließend zu Wort. Einvernehmliches Nicken war die Antwort und so verließen die Anwesenden das geräumige Zelt.

Draußen verabschiedeten sich Dolette und Marialle von ihren Gefährten. Die beiden gingen zusammen mit Jaina zielstrebig auf das große Feuer in der Mitte des riesigen Lagers zu, dass zu je einer Seite von Menschen, Orks, einigen Tauren und Trollen umringt wurde. Am Feuer stand eine einsame Gestalt mit blauer Haut in eine spärliche Lederrüstung gekleidet. Seine roten Haare schienen im Licht des Lagerfeuers förmlich zu brennen. Wache, winzige, gelbe Augen fixierten die drei Frauen, die zielgerichtet an seine Seite traten.
Der junge Häuptling der Dunkelspeertrolle straffte seine Statur und richtete sich zu seiner vollen, aber gebeugten Größe auf.

"Dürfen wir, Häuptling der Dunkelspeere?", sprach die Paladin den Troll ruhig an. "Das war mein Vater Sen'jin. Bitte nennt mich Vol'jin. Was kann ich für die Damen tun?" Marialle war überrascht, wie überaus höflich und korrekt dieser in ihren Augen Wilde war. Vielleicht hatte sein Stamm nur noch wenig mit den Trollen, der östlichen Königreiche gemein. Geistesabwesend strich er über seinen roten Kinnbart und taxierte nun wieder die züngelnden Flammen des Lagerfeuers. "Wir wollten euch gern von den Ergebnissen unserer Besprechung mit dem Kriegshäuptling unterrichten. Vielleicht möchtet ihr euch der Sache anschließen, Vol'jin?", fragte die Elfe und kam seiner Bitte nach.

"Da seine Orks mein Volk vor dem sicheren Tod durch euer Schwert bewahrt haben, ist ihm meine Unterstützung gewiss, Elflein." Seine Mundwinkel umspielte ein verschmitztes Lächeln und ließ seine gewaltigen Hauer in beide Richtungen abstehen. Offenbar war die unhöfliche Anrede scherzend gemeint. Dolette konnte nicht umhin kurz finster zu grinsen, bevor sie der Priesterin aufmunternd zu zwinkerte, so dass sie zu sprechen begann. "Meister Vol'jin, wir beabsichtigen den abtrünnigen Orkclan zu reinigen, unsere Priester werden sich dafür mit Thralls Schamanen zusammen tun und wir haben überlegt, ob eure Hexendoktoren auch über Möglichkeiten verfügen, uns in diesem Vorhaben zu unterstützen."

Die stechenden gelben Augen musterten die Priesterin, mit einer Mischung aus Amüsement und unverhohlener Neugierde. "Werdet ihr diesen Reinigungstrupp anführen, kleines Menschlein?" Er zwinkerte der Priesterin zu und lächelte. Komischerweise irgendwie charmant, fand sie. "So wird es sein, Meister Vol'jin." Er klatschte erfreut in die Hände. Aus den Augenwinkeln konnte Marialle denmittlerweile leicht genervten Blick der Paladin erhaschen, was ihr ein Schmunzeln abverlangte. "Na wenn das so ist, Mylady. So werden meine Hexendoktoren und meine bescheidene Wenigkeit selbst, euch äußerst gern bei diesem Vorhaben unterstützen.", ließ er hochtragend verlauten und verbeugte sich tief vor der schlanken Gestalt der jungen Menschenfrau.

"Dann ist es abgemacht Vol'jin?", mischte sich nun auch Jaina ein, die ebenfalls amüsiert schmunzelte. Einzig die Paladin blickte mürrisch drein. "Bei meiner Ehre, magisches Menschlein." Und auch vor ihr deutete er eine Verbeugung an. "Also dann, Vol'jin. Wir brechen auf, sobald der Mond am höchsten steht, um die Orks im Schlaf reinigen zu können. Haltet euch bereit." Dolettes Stimme klang unterkühlt und ihre Augen wirkten, außer dem Schimmer des Feuers der darin lag, bedrohlich und beinahe schwarz. Sie wandte sich zum Gehen, als der Troll erneut zu sprechen begann. "Kleine Priesterin, habt ihr unter Umständen noch einen winzigen Augenblick für einen neugierigen jungen Häuptling?"

Die Paladin erstarrte, doch konnte Marialle die Bitte nicht ausschlagen, zu instabil war das frische Bündnis der verschiedenen Völker. Als die Elfe ihre Schritte fortsetzte, war der Priesterin klar, dass dies auch ihr bewusst war. "Ach, auf einmal doch Häuptling, Meister Vol'jin?" Sie zog eine Augenbraue hoch. "Aber ja...selbstverständlich habe ich einen für euch über", fuhr sie fort. Sie vernahm das leise Schnauben der Hochelfe und spürte den überraschten Blick Jainas auf sich, aber sie konnte einfach nicht aus ihrer Haut. Sobald sie heraus gefordert wurde, saß ihr Zunge überaus locker. Vol'jin wartete mit seiner Antwort bis die beiden Frauen außer Hörweite waren.

"Für ein Menschenweibchen, seid ihr überaus gewitzt und vorlaut, Mylady." Er lächelte wieder so, als wäre er der Meinung, es wäre unwiderstehlich.
"Ich lasse mich einfach nicht durch Titel blenden." Sie lächelte ebenfalls und doch hingen ihre Gedanken ihrer Liebsten nach, so aufgebracht hatte sie die Paladin wahrlich noch nicht gesehen. Und sie musste leicht schmunzeln, als sie daran dachte, dass Dolette offenbar auf einen Troll eifersüchtig war. Wie überaus abwegig, dass die Priesterin sich mit ausgerechnet so einem Wilden einließe. "Weise Worte für ein so junges Wesen. Das ehrt euch, Priesterweibchen." Mit den Gedanken noch immer bei der Elfe, nahm ihre Geduld nun langsam ab.

"Genug des Schmalzes, Troll. Was kann ich für euch tun?" Das Grinsen des Dunkelspeerhäuptlings wurde breiter und augenblicklich bereute sie diese Richtung eingeschlagen zu haben. Er lachte herzhaft. "Es steckt ja eine Raubkatze in euch, mein kleines Menschlein!" Er hofft auf eine weitere spitze Antwort, aber sie ließ ihn warten, also sprach er weiter: "Schon gut, schon gut, Mylady. Ich wollte euch bitten, euch bevor wir aufbrechen, einmal mit mir und meinen Hexendoktoren zusammen zusetzten und eine Vorgehensweise abzusprechen. Vielleicht ist es euch möglich, eure Priesterchen und die orkischen Schamanen dazu zu holen."

Sie fand überhaupt nicht, dass das nötig wäre, doch wollte sie nicht unhöflich sein, darum antwortete sie schlicht: "Ich werde mit meinen Priestern eine Weile vor Aufbruch am Treffpunkt sein. Wenn ihr Wert darauf legt, dass Thrall und seine Schamanen ebenfalls daran teilnehmen, dann fragt ihn gefälligst selbst! Bis dahin." So drehte sie sich um und setzte sich in Gang. Sie spürte deutlich die stechenden, gelben Augen auf sich ruhen, während sie davon eilte.

Die dunkle RitterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt