Taddl lässt mich wieder atmen

1 Betäubt

Die Zeit verging immer schneller. Einfach so. Und sie war froh darüber. Stundenlang saß sie auf ihrem blass- grünen, alten Sessel und sah der Welt beim Vorübergehen zu. Die Pflanzen wuchsen, blühten und verwelkten wieder. Nach einem weiteren stillen Sommer musste sie wieder zur Schule. Nur noch ein Jahr, nur noch ein Jahr, sagte sie sich immer wieder, um den Anfang zu überstehen. Die selben Gesichter. Die selben Wände. Die selben Routinen. Viel nachdenken musste man nicht. Letzte Reihe. Einzeltisch. Ihr Platz. Nicht viel reden müssen. Gut.

Irgendetwas passte nicht und sie zwang sich aus ihrer eigenen Welt in die Außenwelt und sah ein neues Gesicht. Nicht möglich. Neues Gesicht? Das bringt die Routine durcheinander und das bedeutet Anstrengung und Ungewissheit.

Der Lehrer kam hinein und bemerkte den Neuen natürlich sofort.

"Vielleicht stellst du dich der Klasse am besten selbst einmal vor." Natürlich. Er stand auf und schien kein Problem damit zu haben, dass alle Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet war.

" OK. Also mein Name ist Taddl und ich bin neu hier in Köln. Ich mache gerade mein Abi nach und freue mich auf ein cooles Schuljahr mit euch. Als Leistungskurs habe ich Informatik und Mathematik, weil ich später mal Informatik studieren will."

Manche Mädchen fingen angeregt an zu kichern. Haben die vorhin auch schon so begeistert gewirkt?

"Gut, da nur noch ein Platz frei ist, schlage ich vor, dass du dich neben Kimberley setzt." Moment mal. Das war ihr Name. Jetzt erst bemerkte sie, dass sie ihren Einzeltisch vom letzten Jahr gegen einen Doppeltisch getauscht hatten.

"Hi", sagte er und lächelte.

Sie nickte einfach nur.

Sie wollte nicht aufwachen aus ihrer Trance und hatte Angst vor dem Neuen, doch er war das genaue Gegenteil. Er war das Neue und auch sie schien es zu bemerken.