Du bist mir fremd

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„Sie müssen dann Ms. Choi sein, richtig", wendete meine Mutter dann den Blick ab und wandte sich Jisoo zu, die die ganze Zeit nichts gesagt hatte. „Ja, schön Sie persönlich kennen zu lernen", lächelte meine Therapeutin und hielt meiner Mutter die Hand hin, welche sie auch annahm. „Kommt doch rein. Wollt ihr was zu trinken haben? Tee, Kaffee, Orangensaft?", bot uns meine Mutter, Kim an. „Ein Kaffee wäre jetzt perfekt!", meinte Jisoo während ich meinte „Ein Wasser reicht." „Setzt euch doch hier in das Wohnzimmer, ich bin sofort da", erklärte Kim, zeigte noch schnell zum entsprechenden Raum und ließ Jisoo und mich dann alleine um in die Küche zu gehen. 

„Jimin, zieh deine Jacke aus, das ist jetzt immerhin dein Zuhause", meinte Jisoo zu mir und ich befolgte was sie sagte, bevor wir dann das Wohnzimmer betraten. In der Mitte des Raumes lag ein weißer Flusenteppich auf dem hellen Parkettboden. Die Couch und die Sessel waren mit beigem Leder überzogen, die Wände waren weiß mit einigen Fotos. Alles in allem sehr hell und freundlich. Neugierig geworden trat ich an die Bilder ran und hob überrascht meine Augenbrauen. Auf allen Bildern war meine Mutter zu sehen, im Disney-Land, am Meer, in Frankreich, aber überall waren auch ein kleiner Junge und ein Mann zu sehen. 

„Ja, du hast einen Stiefvater und einen Halbbruder." Ich zuckte verschreckt zusammen als ich die Stimme von Kim hörte und ertappt drehte ich mich zu ihr. In der einen Hand hielt sie die dampfende Tasse Kaffee für Jisoo und in der anderen war mein Glas Wasser. „Bao ist gerade in der Schule und danach bei Freunden, Kyusung auf der Arbeit. Du lernst die Beiden heute Abend kennen", erklärte sie mir dann und mir war klar, warum sie das sagte. Das hatten Jisoo und meine Mutter bestimmt so abgesprochen, um mich nicht zu überfordern. Nach elf Jahren erkannte man nun mal die Tricks der Psychiater beziehungsweise Therapeuten. „Ich freue mich sie kennen zu lernen", sagte ich und meinte das auch ehrlich. Sie schienen schon lange zusammen zu sein, den Bildern nach zu urteilen war Bao mindestens sieben Jahre alt, und das war mehr als gut, denn ich wusste, dass es meiner Mutter damals womöglich noch schlechter ging als mir und ich war einfach nur froh, dass sie jemanden hatte der ihr womöglich geholfen hatte darüber weg zu kommen.

„Ah, genau das brauche ich jetzt, vielen Dank!", meinte Jisoo, nachdem wir uns alle gesetzt hatten und sie aus ihrer Kaffeetasse den ersten Schluck genommen hatte. „Das ist doch selbstverständlich", lachte meine Mutter. Ich starrte nur nervös in mein Wasserglas. Es war ein mehr als komisches Gefühl, die Frau meine Mutter zu nennen. Ich hatte kaum noch Erinnerungen an sie und es fühlte sich eher an, als würde ich eine alte Bekannte wieder treffen. Meine Mutter sah das wohl ähnlich, denn sie wusste nicht wie sie mit mir umgehen sollte. Daher wandte sie sich hauptsächlich an Jisoo und die Beiden redeten über mich, meinen Zustand und wie es in Zukunft weiter gehen sollte. Da war nichts Neues für mich dabei, da wir das bereits in der Psychiatrie alles durchgesprochen hatten. Ich würde morgen schon auf die Schule gehen, um mir die Chance zu geben mich direkt wieder in die Gesellschaft zu integrieren und Schule dafür der beste Weg war, ich sollte auf keinen Fall zu lange in dieser Wohnung bleiben, da das meine Angst vor der Gesellschaft nur noch mehr steigern würde. Außerdem gab Jisoo meiner Mutter eine Dose Tabletten, die ich nur im äußersten Notfall, wenn es mir richtig scheiße ging, nehmen sollte. Und am besten auch erst, nachdem Kim mit Jisoo oder einem anderen Arzt der sich um mich gekümmert hatte gesprochen hatte. Außerdem musste ich zweimal die Woche in die Therapie und ich war erleichtert zu hören, dass Jisoo die Therapiestunden übernahm.

„Also dann, wie gesagt, falls es Fragen gibt oder Sie einfach jemanden brauchen um zu reden, Sie haben meine Telefonnummer und die Adresse meines Arbeitsplatzes. Das Gleiche gilt natürlich für dich Jimin", Jisoo sah mich lächelnd an, „wir sehen uns am Dienstag. Und ich bin mir sicher, du schaffst das", sie legte mir eine Hand auf die Schulter und strich ein bisschen mit dem Daumen. Die Geste und ihre Worte entlockten mir ein kleines Lächeln und ich rang mich dazu ab, sie kurz in den Arm zu nehmen. Ich war Jisoo so unglaublich dankbar und ich wollte ihr das auch zeigen. Aber dennoch wurde ich immer noch nervös bei Körperkontakt, weshalb ich mich schnell wieder löste, aber es hatte sich gelohnt, denn Jisoo strahlte über das ganze Gesicht. „Danke Jisoo, wirklich", sagte ich dann auch noch. „Wir sehen uns!", verabschiedete sie sich dann und ging durch die Tür. Ein beklemmendes Gefühl überfiel mich, jetzt war ich alleine in einem fremden Haus mit einer mir fast fremden Person.

Zeig mir die Welt - JikookWhere stories live. Discover now