I.II

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II.

Der Ritter brummte wieder hinter dem Baum, doch dem zum Wald hin gewendeten Hall nach blieb das nicht lange so.

Den Rücken gegen den Baum gepresst, spürte er, wie das Kettenhemd unter seiner etwas zu großen Jungenkleidung Abdrücke auf der Haut hinterließ. Sein Atem ging so flach wie möglich ein und aus, während seine großen, grünen Augen den massiven Ritter verfolgten, der mindestens doppelt so groß und drei Mal so schwer wog wie er selbst und dabei so schlendernd langsam an ihm vorbeischritt. Unter dem Helm brummte der Ritter weitere Dinge vor sich her, aber von ihm abgewendet und mit geschlossenem Visier, konnte er ihn einfach nicht verstehen.

"Verluchte RLE-Mod!*" , dachte der Junge im Stillen. "Es könnte wichtig sein, was er da redet."

Früher hätten die Gesetze des Spiels es ihm erlaubt den anderen Spieler - ganz sicher gehörte dieser Ritter nicht nur zu den Spielern, sondern zu den 'Altvorderen' oder fanatischer ausgedrückt 'der alten Rasse' - zu hören, auch wenn er 15 Meter entfernt gewesen wäre. Nach der Installation der Mod im Grundprogramm, konnten die Spieler frei wählen, ob sie die Mod auch wirklich aktiviert haben wollten.

Und das war gut und angemessen, denn realistisches Hören war nicht für jede Rasse ein Vorteil. Vor allem nicht als Mensch oder Oger, die von allen Rassen fast die niedrigsten Grundwerte hatten, wenn man nicht gerade spezifische Klassen ausgewählt hatte. - Oder man war Rollenspieler und gab all diese Bequemlichkeiten mit einem Eid auf um das Spiel so realitätsnah wie möglich zu gestalten. Aber für die breite Masse der Menschen- und Ogerspieler? Nein, da blieben so einige lieber in den alten Mods...

Das Ableben von Elryia, seiner 'Ziehmutter', würde allerdings durch keine Mod wieder herstellbar sein. Diesen Umstand in Gedanken bemerkte er mit wachsender Besorgnis, dass in offensichtlich reiner Tötungsabsicht der Ritter mit den Bären-Emblemen ihr hinterher schritt und plötzlich das massive Schwert verkehrt herum an der Klinge fasste und mit dem brummelnden Monolog aufhörte.

Ansatzlos täuschte der Braune einen Schlag an, woraufhin Elryia mit einem stummen Kreischen sich nach rechts rollte, um in Sicherheit zu gelangen und trotz der Wurfaxt in der Wade den Versuch unternahm, sich zu erheben. Der Ritter hatte das vermutlich erwartet und gab ihr einen Tritt in die Niere. Die etwas magere Frau klappte wieder zu Boden zusammen, der lange dunkelgrüne Mantel von ihr legte sich abermals über ihre Gestalt und die langen schwarzen Haare wie ein Leichentuch. Sie arbeitete sich nach vorne mit den Händen, hob den Blick zum Ritter und formte Worte mit dem Mund, doch nicht ein Ton verließ ihre ebenfalls sanft grün bemalten Lippen. Der Braune baute sich vor ihr auf...

Man roch regelrecht, dass er wohl lange genug mit ihr gespielt hatte.

Der Junge zog die Kapuze über den Kopf, quetschte sich, soweit es ihm möglich war, in die Kuhlen zwischen den Wurzeln der Eiche und drückte beide Daumen gegen seinen Kehlkopf. "Tnelant'iegma rehiel'nemmits efuts ierd, Rekriw Suämolohtrab!" , flüsterte er so laut wie der laue Wind vom Feld kam.

"Grinvillé!" , tönte die Stimme Lacroix's abermals klar vom Felde her.

"Der Bannerherr ist schon da. Wir werden erwartet!"

Grinvillé stutzte kurz, schnaufte und schlug in einer geübt sparsamen Bewegung einfach die offengelegte Achillessehne der Frau durch, zog die Axt aus dem Bein der vor Schmerz Gekrümmten, als wäre sie ein minderwertiges Futteral aus altem Schweineleder, und machte sich mi einem derben Fluch im beängstigend schnellen Laufschritt, bedachte man die Masse seiner Rüstung, wieder los zum Dorfe. Das Scheppern seiner Rüstung war das einzige Geräusch im Wald und Feld, was der Junge jetzt noch hören könnte. Ein paar Momente wartete er noch und musterte leidend seine sich hin und her wälzende Ziehmutter. Es hätte sein können, dass der Ritter wiederkam oder sein Verschwinden nur vortäuschte.... Doch nichts dergleichen geschah.

"Grüne Asche auf mein Haupt, alles gut Tante El'!?" , flüsterte der kleine Junge so laut wie möglich und hastete begleitet von einem leisen Rascheln der Kettenrüstung gleichzeitig auf Elryia zu, die stumm mit der Faust auf die nasse Walderde schlug und die Tränen des Schmerzes mit dem Ärmel ihres rechten Arms wegstrich. Der Zorn in ihren Augen sah echter aus als jede Träne davor. Ein Grinsen entglitt ihm, als er sah, wie sie lauter unflätige Handzeichen in die Richtung des Ritters warf. In nahezu absoluter Stille saß sie im Sommerwald, die stumme El', und warf die beleidigenden Gesten so inbrünstig und wild hinter dem Ritter drein, dass man schnell vergessen konnte, dass sie ernst zu nehmende Wunden davon getragen hatte.

Fast hatte dieses Bild ihn an alte Zeiten erinnert. Zeiten, wo sie noch ein fester NPC* war, den er ab und an zu den anderen Rollenspielern mitgenommen hatte. Gute Zeiten, wo sie gemeinsam Abenteuer erlebt hatten und sie sich nicht mit dem endgültigen Tod gegenüber sehen mussten - oder zumindest er nicht. Was hatten sich nicht schon für Situationen überlebt und schwere Verletzungen mit ganz persönlichen Eigenheiten versucht zu überschatten... Vergangene Zeiten, die zeigten...

Er schweifte mal wieder zu weit ab.

"Dann heil dich mal ein wenig, El'. Der Ritter wird sowieso etwas brauchen, bis er bemerkt, dass..."

*RLE-Mod= Real-life-emulator-modification

*Nicht-Spieler-Charakter

Dreikronenbund [Kapitel: Braungebrannt]Where stories live. Discover now