„Er hat eine Panikattacke!“, erklärte Jungkook, sobald wir in dem Sekretariat angekommen sind. Direkt stand eine Sekretärin auf und holte jemanden, während die andere auf mich zu lief. „Okay Junge, bleib ganz ruhig, okay? Versuche tief ein – und auszuatmen“, sagte sie und machte es mir dann auch noch vor, doch ich konnte mich absolut gar nicht auf diese Frau konzentrieren. Aus dem Nebenraum kam die andere Sekretärin wieder raus mit noch einer Frau. „Hör mir zu“, sagte sie und suchte anscheinend meinen Blick, während sie mit tiefer und beruhigender Stimme meinte „konzentriere dich auf mich. Schau mich an.“ Und irgendwie kamen die Informationen tatsächlich in meinem Gehirn an, so dass ich es tatsächlich schaffte ihr in die Augen zu blicken, aber ich atmete immer noch viel zu schnell. „Gut, siehst du meine Hand? Konzentriere dich auf sie. Atme ein wenn ich meine Hand hebe und atme aus, wenn ich sie wieder senke. Hast du das verstanden?“, fragte sie und ich nickte, bevor sie dann ihren Arm hob und ich es tatsächlich schaffte, normal einzuatmen. „Sehr gut“, kommentierte sie das und senkte ihren Arm wieder, woraufhin ich ausatmete. „War das deine erste Panikattacke?“, fragte sie mich und ich schüttelte den Kopf, weshalb sie überrascht die Augenbrauen hob. „Wann war deine letzte Attacke?“, fragte sie weiter und war gerade wieder dabei die Hand zu heben, weswegen ich erst einatmete, bevor ich ihr antwortete „Lange her, ich weiß es nicht mehr genau, da war ich noch ganz klein“, ich war selbst von mir überrascht, dass ich ihr das einfach sagte, aber sie hatte wirklich eine beruhigende Wirkung auf mich. „Hast du noch Panik?“, fragte sie mich weiter und ich schüttelte den Kopf. Ich hatte mich zwar nicht ganz beruhigt, aber ich hatte definitiv keine Panik mehr. „Komm, wir gehen in das Krankenzimmer. Jungkook, du bleibst auch hier, er sollte jetzt nicht alleine gelassen werden“, meinte sie dann und führte uns in den Nebenraum. Ich hatte Jungkooks Anwesenheit sogar total vergessen gehabt, was mich aber jetzt nur umso nervöser machte. Aber es war die normale Nervosität, die für mich eigentlich Alltag war. „Gut, wie heißt du?“, fragte sie mich, sobald ich mich auf die Liege gesetzt hatte. „Park Jimin“, flüsterte ich. Sie seufzte, bevor sie meinte „Wie gut, dass wir mehr als fünf Park Jimins auf der Schule haben. In welche Klasse gehst du? Dann ruf ich deine Eltern an.“ „Nicht!“, erwiderte ich laut, bevor ich wieder leiser fortfuhr „Nicht meine Eltern anrufen. Rufen Sie Jisoo an. Choi Jisoo“, sagte ich. Denn Kim und Kyusung mussten wirklich nicht wissen, dass ich es nicht einmal schaffte, einen normalen Schultag zu überstehen. „Choi Jisoo, der Name sagt mir doch was“, überlegte die Frau, bevor sich ihr Gesicht erhellte „Ah, du bist also der Park Jimin, der heute seinen ersten Schultag hat?“ Woraufhin ich zustimmend nickte. Stimmt, Kyusung hatte erzählt, dass die Lehrer über mich Bescheid wussten und die Schulärztin musste natürlich sowieso alles über mich wissen. „Ich werde Ms. Choi anrufen, warte bitte hier. Und Jungkook, lass ihn jetzt nicht alleine und rede am besten mit ihm“, erklärte die Frau und ich sah wie Jungkook nickte.
„Warum willst du nicht, dass sie deine Eltern anruft?“, fragte er mich neugierig. „Du weißt schon“, stotterte ich ein wenig, fand aber keine gute Ausrede und ihm jetzt meine komplette Lebensgeschichte auf die Nase zu binden musste nicht sein. „Ja ich weiß was du meinst, Eltern können manchmal so schrecklich übervorsorglich sein, was?“, meinte er grinsend und erleichtert über diese gute Vorlage nickte ich.
P.O.V Jungkook
Wie ich es mir dachte, er nickte viel zu schnell und zu erleichtert, als dass ich ihm glauben könnte. Aber ich wollte ihn jetzt nicht unter Druck setzen eine passende Ausrede zu finden wegen meiner doch sehr privaten Frage, daher habe ich ihm eben eine gute Ausrede geliefert. Noch mehr Druck konnte er jetzt glaube ich wirklich nicht gebrauchen. Aber neugierig war ich dennoch. Warum war er so eingeschüchtert die ganze Zeit? Und was genau war der Auslöser für seine Panikattacke? Er saß mit gesenktem Kopf auf der Liege, so dass ihm die schwarzen Haare ins Gesicht fielen, aber das Bild wie er kurz davor aussah, hatte sich in meiner Kopfhaut eingebrannt. Gereizte rote Augen, erst knallrot danach leichenblass im Gesicht, beziehungsweise mit blauen Lippen und er war grün um die Nase. Das Zittern, welches seinen kompletten Körper befallen hatte und wie er kotzend auf dem Boden kniete, mich schüttelte es. Ich wollte ihn in dem Moment einfach nur in den Arm nehmen, aber erstens habe ich irgendwann mal gehört, dass man Leute bei einer Panikattacke nicht in den Arm nehmen sollte, da sie sich dann ihrer Bewegungsfreiheit beraubt fühlen, außerdem hatte ich das Gefühl, dass Jimin nicht so wirklich auf Körperkontakt stand, so wie er auf Tae und Hobi reagiert hatte.
„Weshalb hast du die Schule gewechselt?“, fragte ich also als Nächstes, in der Hoffnung ein weniger empfindliches Thema zu finden, doch auch da zog er die Schultern hoch und schüttelte den Kopf. „Schon gut, du musst es mir nicht sagen“, sagte ich dann, bevor er sich den Kopf zerbrach, um eine Ausrede zu finden. „Tut mir Leid“, flüsterte er dann, weshalb ich ihn verwirrt musterte, „Warum entschuldigst du dich?“ „Du bist so nett zu mir und ich kann dir keine Antworten auf deine Fragen geben“, flüsterte er nach wie vor mit gesenktem Blick, woraufhin ich sofort schnell abwinkte. Dass er sich jetzt auch noch Schuldgefühle gab, dafür, dass er einfach schüchtern war, musste ja nicht sein. „Dann schlag du mal ein Gesprächsthema vor“, versuchte ich also den Kleineren aufzumuntern, damit er mal was von sich aus sagte und vor allem, damit ich nicht wieder in Gefahr lief, irgendwas Unangenehmes zu sagen. „Ähm“, meinte er verunsichert und vermied mit gefühlt allem was er hatte meinen Blick. Genervt stupste ich mir mit der Zunge gegen meine Wange und musste es mir verkneifen, nicht auch noch zu seufzen. Es war ja nichts Schlimmes daran, schüchtern zu sein, aber ein wenig frustrierte es dennoch, wenn man sich einfach überhaupt nicht auf ein Gespräch einließ. Aber so schnell gab ich es nicht auf. Sein Verhalten hatte mich zur Neugier verleitet, ich war neugierig auf seinen Charakter, wenn er mal nicht so schüchtern war oder gerade eine Panikattacke hatte. ich lehnte mich gegenüber von ihm an die Fensterbank und verschränkte meine Arme, während ich ihn eindringlich musterte, was er sowieso nicht mitbekam, da die Farbe des Bodens anscheinend doch sehr interessant war. Er war kleiner als ich, sogar um einige Zentimeter und das obwohl er zwei Jahre älter war. Seine Haut war extremst blass und zart, selbst für einen Koreaner war das schon sehr heftig. Sein Gesicht hatte irgendwie kindliche Züge an sich und dennoch wirkte es müde und gestresst. Was auch nicht überraschend war, nach einer Panikattacke. Im nächsten Moment fragte ich mich, warum ich sein Gesicht sehen konnte und es nicht von seinen Haaren verdeckt war, bis ich merkte, dass er mich ebenfalls anstarrte. Ich war so überrascht davon in seine dunklen Augen zu blicken, dass mein Mund leicht offen stand und meine Arme sich gelöst hatten. „Woran denkst du?“, fragte er dann mit leiser Stimme und ich war so verwirrt davon, dass er tatsächlich mich etwas fragte, dass ich nur meinte „Wie, was?“ „Du wolltest, dass ich ein Thema vorschlage zum Reden. Und mich interessiert es, was du gerade denkst“, sagte er ganz direkt, wovon ich dann doch ziemlich baff war.
Er wirkte auf mich immer noch genauso schüchtern wie davor, weshalb es mich nur noch mehr verwunderte, warum er so eine direkte Frage stellte. Wobei er irgendwie auch so aussah, als wäre es für ihn eine ganz normale Frage, nur die Tatsache, dass er selbst sprechen musste schien ihn zu beschäftigen.
Da er mich nach wie vor neugierig ansah, war ich diesmal derjenige, der meinte „Ähm…“, denn ihm zu sagen, dass ich nur über ihn nachgedacht hatte, wäre wohl zu viel für ihn gewesen. Und vielleicht wollte ich das auch einfach nicht zugeben. Nur vielleicht. „An die Matheprüfung nächsten Monat“, sagte ich dann einfach. Hatten wir nächsten Monat überhaupt eine Prüfung? „Wir haben nächsten Monat eine Prüfung?“ fragte er mich geschockt mit großen Augen. „Öh, keine Ahnung“, gab ich dann zu und musste über meine eigene Dämlichkeit grinsen, er jedoch war nur verwirrt. Naja, kein Wunder bei dem was ich gerade von mir gab. „Ich habe wohl zu viel Zeit mit Tae verbracht“, seufzte ich dann und winkte ab. „Taehyung und die anderen zwei“, fing Jimin plötzlich wieder an zu reden und schien schon weniger verschüchtert zu sein als zuvor „Sind das deine Freunde?“ Ich war über die Frage reichlich verwirrt, was sollten sie sonst sein? Dennoch antwortete ich normal „Ja, zusammen mit Yoongi und Jin, die aber bereits studieren.“ Jimin nickte und blickte mich weiterhin an, doch diesmal war ich wieder derjenige, der ihn fragte „Warum fällt es dir jetzt leichter zu reden?“ „Diesmal liegt die Aufmerksamkeit von nur einer Person auf mir“, antwortete er und seine Stimme war schon viel fester als noch am Anfang und es verwirrte mich reichlich. Vor allem als er sich dann auch noch durch die Haare fuhr, was ihn plötzlich so selbstbewusst erscheinen ließ. Ich meine, man veränderte seine Verhaltensweise normalerweise nicht innerhalb eines Tages. Doch bevor ich weiter reden konnte, wurde die Tür wieder aufgemacht, und eine Frau Ende zwanzig mit dunkel-lilanen Haaren betrat den Raum und trat direkt auf Jimin zu.
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Zeig mir die Welt - Jikook
FanfictionNach elf langen Jahren, die Jimin in der Psychiatrie verbracht hatte, konnte er endlich zurück zu seiner Mutter ziehen. Doch es hinterließ Spuren, wenn man elf Jahre lang von der modernen Gesellschaft getrennt war. Zum Einen wusste Jimin nichts über...