29 - Ungewohntes Vertrauen (✔️)

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Eine Weile schwieg ich, brachte es nicht übers Herz weiter zu sprechen. Immer wieder überkamen mich die Tränen beim Versuch meinem Dad zu erzählen, womit ich mich täglich rumschlagen musste. Ich war gut darin meine Tränen zu unterdrücken, ich weinte selten.
Nicht einmal an seiner Beerdigung hatte ich geweint. Es war zu persönlich, ich wollte alleine trauern und nicht dabei beobachtet werden. Ich wollte keine Umarmungen, keine Mitleidsbekundungen, alles was ich wollte war allein zu sein.
Die Dinge für mich klären und mich selbst damit zurechtfinden.

„Es tut mir so leid", begann ich schließlich doch mit angeschlagener Stimme und starrte auf den Stein vor mir. Normalerweise würde ich mir komplett irre vorkommen, mit einem Stein zu sprechen, doch glücklicherweise war der Friedhof überschaubar klein und bis auf eine alte Dame, die selbst mit einem Grabstein sprach, war ich alleine.

„Du weißt, dass ich nicht sonderlich religiös bin. Eigentlich glaube ich nicht daran, dass du tatsächlich irgendwo im Himmel sitzt und auf mich runter schaust oder hörst, was ich dir gerade erzähle. Falls es doch so ist und du mich beobachtest, musst du wohl wahnsinnig enttäuscht von mir sein", erzähle ich und kann ein leises, ironisches Lachen nicht unterdrücken. Dad hätte mich ausgelacht, wüsste er, dass ich mit einem Stein sprach.

„Andererseits würde es bedeuten, dass du Alles gesehen hast, weißt was in meinem Leben los ist und ich es gar nicht erst erklären müsste. Bei jedem Anderen müsste ich es erklären und ich weiß nicht wie ich das anstellen soll.

Mal ehrlich, nach Allem was ich verbockt habe, kann ich doch nicht auf Verständnis hoffen oder? Stell dir vor, wie sie mich ansehen würden. Ich weiß ehrlich nicht, ob ich das ertragen würde, Dad.
Reicht es denn nicht, dass ich mich selbst genug dafür verurteile? Ich bereue es, nach Kalifornien gegangen zu sein und noch mehr bereue ich es, diesem Menschen vertraut zu haben. Aber ich kann die Schuld nicht komplett von mir schieben, stimmt's? Ich hab mir all das selbst eingebrockt und trotzdem bin ich naiv genug zu hoffen, Irgendjemand würde mir da jetzt raus helfen.
Dabei ist das Gegenteil passiert, hörst du? Er ist einfach hier aufgetaucht und schleicht sich in mein Leben, wie ein lästiger Parasit. Was soll ich denn dagegen tun? Er wird nicht einfach aufgeben und dahin zurückgehen, wo er hergekommen ist. Er tickt nicht ganz richtig, er hakt die Sache zwischen uns nicht einfach so ab. Was bleibt mir also für eine Wahl?
Ich muss sein beschissenes Spiel mitspielen, er hat es doch selbst gesagt. Was ist, wenn er all diese Dinge an die Öffentlichkeit bringt? Das würde möglicherweise Cameron's Zukunft zerstören und kann ich das wirklich verantworten? Oder noch schlimmer, was ist, wenn er einem meiner Freunde was antut? Oder Mum? Das ist das Letzte, was ich will. Sie sollen nicht für meine Fehler bezahlen. Ach fuck!", ich versuchte die Tränen aus meinem Gesicht zu wischen, die unaufhörlich folgten. Doch einfach still zu sitzen, brachte ich nicht fertig, ich musste irgendetwas tun, wenn es auch nur das Wischen durch mein Gesicht war.

„Ich wünschte du wärst noch hier. Und damit meine ich, hier bei uns. Keine Ahnung wieso du einfach abgehauen bist, es wird seine Gründe gehabt haben. Jetzt wissen wir zumindest Beide, dass es keine Lösung ist, abzuhauen", murmelte ich und zupfte an den weißen Mageriten rum, die auf seinem Grab wuchsen. Mum kümmerte sich beinahe täglich um Dad's Grab und pflegte es.

„Ich hab mich ziemlich heftig mit Cameron gestritten und weißt du was? Er hat sogar recht. Er kann es nicht verstehen, wenn ich nicht mit ihm rede. Aber auch das geht nicht.
Im Augenblick ist der Hass auf mich selbst so groß wie nie zuvor. Natürlich hasse ich Danny, er ist ein schrecklicher Mensch und ich weiß nicht, wie man so mit seinen Mitmenschen umgehen kann. Aber hätte ich mich nicht auf ihn eingelassen, wäre das nie passiert. Wie konnte ich nur so dumm und naiv sein?
Mein Leben geht gerade den Bach hinunter und ich kann nichts dagegen tun. Wenn ich die Wahrheit sage, bringe ich die Menschen die ich liebe in Gefahr. Wenn ich nichts sage, bringe ich mich in Gefahr. Aber ich habe es zu verschulden also muss ich es wohl einfach ertragen oder?", fragte ich, bevor meine Stimme endgültig brach und sich die Tränen in einen reißenden Fluss verwandelten, der mit erstickten Schluchzern zu Boden fand.

S.M.|| I know what you did last Summer - Shawn Mendes FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt