Kapitel 20

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Bevor er anfing mit seiner Erklärung holte er aus seiner Jackentasche eine Schachtel Zigaretten und zündete sich ebenfalls eine an.

Verständnislos schaute ich ihn an und schüttelte leicht den Kopf. Jedoch hatte ich jetzt keine Kraft dafür etwas darüber zu sagen.

Nach einigen Sekunden schweigen fing er an: „Das erste Mal als ich dich gesehen habe, im Flur als du gegen Tom gerannt bist, habe ich was gesehen in dir das mich dazu gebracht hat dich zu verteidigen. Normalerweise ist es mir ziemlich egal was meine Freunde zu anderen sagen, aber das war bei dir nicht der Fall. Der Gedanke daran, dass er dich so blöd anreden würde, machte mich schon wütend.
Dann am selben Abend im Park das gleiche wieder, jedoch hatte ich keine Ahnung warum das so war.
In der Nacht als ich vom Basketball Spiel heimkam, ich muss gestehen, ich freute mich sogar dich zu treffen, mit dir zu reden. Du kamst mir nicht so wie die ganzen andern Mädchen vor. Du himmelst mich nicht an oder flippst fast aus wenn ich mit dir rede. Dann der Anruf...", er stockte und wurde etwas verlegen. „Es war ein Kumpel, der schon seit längerem von einem Mädchen gestalkt wird, sie denkt sie wird beliebt wenn sie seine Freundin sein würde. In dem Moment hatte sie wieder eine dumme Aktion gestartet......als ich dich dann am nächsten Tag im Supermarkt wieder gesehen habe, musste ich daran denken und........maaan ich bin doch so ein VOLLIDIOT....", zum Schluss wurde er etwas lauter.

„Okay, aber warum dann der Blickkontakt auf dem Parkplatz?", unterbrach ich ihn leise.

„Ich hab keine Ahnung, deine Augen......, ach ich weiß es nicht. Als ich dich dann in der Schule mit der Jessica rumhängen sah, hat es mir gereicht. Ich dachte, ich habe mich komplett in dir getäuscht und du bist doch nur genauso wie sie."

„Sag mal, geht's eigentlich noch? Ich hab mit Sicherheit nicht freiwillig was mit der gemacht! Was sollte ich denn machen wenn sie plötzlich mit mir befreundet sein will und genau dann neben mir steht wenn du vorbei kommst?", jetzt hatte ich nicht einmal mehr ein schlechtes Gewissen ihn so anzureden, da ich wirklich empört über seine Aussage war und mich gar nicht zusammennehmen wollte.

„Ja, das hab ich auch erst im Nachhinein mitbekommen, dass ich die Situation einfach nur komplett falsch interpretiert habe.", gab er zerknirscht zu. „Ich kann echt verstehen, wenn du kein Wort mehr mit mir reden willst und mit mir nichts mehr zu tun haben willst......"

„Das habe ich nie behauptet."

Ein flüchtiges Lächeln streifte seine Lippen und seine Augen glänzten wieder so wundervoll.

„Eins will ich dir noch sagen, pass bitte auf mit dieser Jessica, sie ist die falscheste Person, die ich jemals getroffen habe.", fügte er wieder komplett ernst hinzu.

„Okay....ähm ich glaub, ich brauche erst mal Zeit zum Nachdenken. Das war einiges auf einmal.", murmelte ich, strich mir mit meinen Händen übers Gesicht und stand auf. Kurz vor der Ecke drehte ich mich nochmal um: „Danke.", ich lächelte ihn sanft an und ging in Richtung Schulgebäude.

Das war wirklich gerade etwas zu viel für mich. Ich war solche Erklärungen oder Entschuldigungen nicht gewöhnt und hatte auch ehrlich gesagt überhaupt keine Ahnung wie man auf so etwas reagierte.

Langsam ging ich durch das wie leergefegte Schulgebäude, anscheinend verbrachten die Schüler großteils ihre Freistunden auf dem Schulhof oder schwänzten die letzte Stunde und hatten sich schon auf den Weg nach Hause gemacht. Ich genoss die Ruhe hier, sie verschaffte mir Zeit zum nachdenken.

Einige Zeit später strömten Massen an Schülern durch den vor kurzem noch so leeren Gang. Einige auf dem Weg nach draußen, andere zu den Schließfächern oder in das breite Treppenhaus zum nächsten Kurs. So wie ich.
Wo ich auch wieder auf Selina traf, die mir mit einem missmutigen Blick entgegenkam.

„Hey, ist was passiert?", fragte ich sie sogleich besorgt.
„Argh, der hat grad einen unangekündigten Test geschrieben.....ich konnte gar nichts. Ausgerechnet in Deutsch muss ich mich um einiges verbessern da ich ja die letzten zwei Aufsätze richtig verkackt habe.", stöhnend warf sie ihre Tasche auf den Tisch und lies sich auf den Stuhl fallen.

„Das war schließlich nicht der letzte Test, du verbesserst dich bestimmt schon noch.". Ich versuchte sie ein wenig aufzumuntern, doch wusste selbst ,dass ich das gar nicht konnte. Entschuldigend lächelte ich sie an und strich ihr sanft über den Arm.

Als vorne die Tür aufging und unser Biologielehrer hereinkam richteten wir unseren Blick nach vorne und ich versuchte mit dem Ziel, dass das die letzte Stunde für heute war nicht einzuschlafen.
Was leichter gesagt als getan war, denn meine Lider waren ziemlich schwer, da ich die Nacht nicht mehr als drei Stunden geschlafen hatte.

***

Endlich.
Das erlösende Klingeln. Es wurde laut im Raum, da alle möglichst schnell ihre Sachen einpacken wollten um aus dem stickigem Raum zu fliehen.
Genau wie Selina und ich, der Tag hatte mich ziemlich ausgelaugt, obwohl ich die letzte Woche zuhause war.

Draußen angekommen machten wir uns zu Fuß auf den Weg nachhause.
Jeder versunken in die eigenen Gedanken. Doch genau das genoss ich so an der Freundschaft mit Selina. Wir verbrachten zusammen Zeit, doch wunderten uns nicht oder es störte uns auch nicht, wenn wir eine Zeit lang nur schweigend verbrachten.

„Chloe!"

Die Stimme riss mich sofort aus den Gedanken und meine Atmung verschnellerte sich. Selina warf mir einen Seitenblick zu und lächelte aufmunternd.
Langsam drehte ich mich um und sah in einigen Abstand hinter mir Jannik.

Zögerlich ging ich auf ihn zu und als ich vor ihm stand raubten mir seine grünen Augen erneut den Atem.

Anscheinend hatte ich ihn heute in der Freistunde nicht ins Gesicht gesehen, denn das Gefühl, das seine Augen in diesen Moment ausgelöst hatte konnte man nicht unterdrücken.

Reiß dich jetzt zusammen! Schau ihm ins Gesicht und lass dir auf keinen Fall etwas anmerken! Das wär jetzt noch das letzte was du gebrauchen könntest.

Auch ihm war die Anspannung anzumerken, doch er fand schneller wieder zurück und räusperte sich: „Hey, ähm was ich noch sagen wollte, da du gesagt hast du bräuchtest Zeit zum nachdenken, was ich auch vollkommen verstehe! Und ja also ich werde dir solange Zeit lassen wie du brauchst aber hoffe doch, dass du mich nicht allzu lange auf die Folter spannst!"
Er grinste mich an und drehte sich um.
Ich blieb noch kurz stehen und starrte auf seinen breiten Rücken bis Selina mich aus meinen Gedanken riss: „Also der mag dich wirklich sehr, ich kanns gar nicht glauben wie nett der sein kann. Ich hab ihn in der vergangenen Woche paar mal gesehen und er war einfach ganz anders."

Jetzt wurde ich aber neugierig und fragte gleich nach was er denn getan hatte.
Mit einem kurzen schmunzeln über meine Neugierde sagte sie: „Weiß auch nicht, wenn er dich sieht lächelt er meistens, und letzte Woche blickte er immer ziemlich ernst drein und wirkte manchmal auch wütend."

Ich dachte einige Zeit über Selinas Worte nach, doch stutzte als wir an der Kreuzung angelangt waren, wo sich unsere Wege trennten.
War ich jetzt so lange in meine Gedanken vertieft?
Verwirrt drehte ich mich zu Selina die mich lachend in eine Umarmung zog: „Falls du gerade fragen wolltest", sie machte eine kurze Pause,"Ja, du hast den ganzen Heimweg über etwas nachgedacht, was ich mir schon vorstellen kann."

Ich spürte, dass meine Wangen etwas rot wurden und schlug schnell den Weg in meine Straße ein. „Bis Morgen!", rief ich noch über meine Schulter.

Verlass mich nicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt