Kurz danach kam Jungkook auch schon wieder der sich neben Taehyung setzte und damit mir direkt gegenüber. Er nahm einen Teller mit dem Kantinen-Essen und reichte ihn mir mit dem Besteck rüber. „Danke", meinte ich und begann zögerlich zu essen. Das Essen schmeckte genau so wie in der Psychiatrie, nichts im Vergleich zu Kims Essen.
„Da hier am Tisch jetzt Totenstille herrscht gehe ich davon aus, dass ich über mich geredet habt?", fragte Jungkook, nachdem wir eine Zeit lang schweigend unser Essen gegessen hatten und blickte seine Freunde abwartend an. „Nein haben wir ni...", begann Taehyung wurde aber von Namjoon unterbrochen „Wir haben nur darüber geredet, dass du eindeutig was für hilfsbedürftige Jungs übrig hast." Da Jungkooks Blick direkt auf mich fiel, blickte ich verlegen runter auf meinen Teller. Kam ich wirklich so hilfsbedürftig rüber? Okay, ich hatte eine Panikattacke und mir machte an dieser Schule fast alles Angst, aber trotzdem. Ich wollte nicht wie jemand rüber kommen, der nichts auf die Reihe bekam, auch wenn das im Moment tatsächlich so war. Ich bekam momentan ja absolut nichts auf die Reihe.
„Stimmt gar nicht!", verneinte Jungkook dann aber Namjoons Aussage und blickte ihn genervt an. „Kann gar nicht sein Joonie", grinste Hoseok plötzlich und feixte „Schau ihn dir mal an, er ist doch selbst noch ein Baby." Ich machte was Hoseok sagte und sah zu Jungkook, der beleidigt mit verschränkten Armen auf dem Stuhl saß und dabei Hoseok böse anstarrte. „Jetzt rede ich nicht mehr mit dir", sagte er patzig, zog sich seine Kapuze tiefer ins Gesicht und wandte sich von Hoseok aber, der überlegen kicherte. Und auch bei mir machte sich ganz kurz ein Schmunzeln breit, denn jetzt wirkte Jungkook tatsächlich wie ein kleines beleidigtes Kind. Da er mir gegenüber saß sah er das auch und entgegen seiner eben noch wütenden Miene breitete sich jetzt ein Grinsen in seinem Gesicht aus, dass nur ich sah, da er etwas schräg auf dem Stuhl saß und Taehyung und Hoseok ihm deswegen nicht in das Gesicht sehen konnten.
Nach dieser Mittagspause hatten wir dann noch zwei Stunden, in denen Jungkook sich wieder ungefragt neben mich gesetzt hatte, bevor wir dann mit dem Klingeln in den Ohren das Gebäude verließen. „Wo musst du jetzt hin?", fragte der Schwarzhaarige mich neugierig. „Ich werde abgeholt", flüsterte ich und versuchte so gut es ging, den vielen Schülern auf den Gängen auszuweichen, die so schnell sie konnten aus dem Gebäude verschwinden wollten. Jungkook bemerkte das und griff nach meinem Handgelenk, wahrscheinlich wollte er mich so sicher durch die Menge dirigieren, doch ich entriss ihm meine Hand direkt und könnte mich selbst schlagen, als er mich verwirrt ansah. Verdammt, ich hatte das doch eigentlich auch abgelegt, diese Angst vor Körperberührungen. Zumindest diese große. Als Jungkook dann auch noch „Entschuldige", sagte, biss ich mir schuldbewusst auf die Lippe. Er sollte sich nicht schlecht fühlen, nicht wegen mir. „Mir tut es leid, aber...", stotterte ich denn wieder fiel mir keine gute Ausrede ein. „Jimin, schon gut", meinte er dann und ich war abermals überrascht, wie ernst er plötzlich war, „du musst mir nichts sagen, ehrlich. Du sollst dich auf keinen Fall von mir bedrängt fühlen", dabei hob er sogar abwehrend die Hände, um zu verdeutlichen, dass er von mir Abstand halten würde, wenn ich das brauchte. Ich wusste ehrlich gesagt nicht wie ich auf die Aussage reagieren sollte und blickte hilfesuchend über den Schulhof, auf dem wir mittlerweile angekommen waren und fand auch meine Rettung. „Ähm, ich muss jetzt, bis morgen", sagte ich leise zu Jungkook und das nervte mich an. Mir machte im Moment einfach alles Angst, so dass ich es einfach nicht schaffte, eine normale Unterhaltung zu führen. Ich ging auf den schwarzen Wagen von Kyusung zu und hörte noch ein lautes „Bis morgen Jimin!", bevor ich in den Wagen stieg. Ich sah noch aus dem Fenster und sah Jungkook, wie er sich Kopfhörer in die Ohren steckte, die ihm aber sofort von Taehyung wieder rausgerissen wurde, da er und seine Klasse jetzt anscheinend ebenfalls aus dem Unterricht entlassen worden sind. Jungkook drehte sich lachend zu ihm um und er legte einen Arm um Jungkook, während sie gemeinsam von dem Schulgebäude runterschlenderten. So eine Freundschaft musste schon toll sein.
„Und wie war dein erster Schultag?", fragte mich Kyusung. Unsicher schielte ich zu ihm rüber, aber er war komplett auf die Straße fixiert. „Ganz okay", antwortete ich und kratzte mir mit meinem Fingernagel über den Stoff meiner Hose. „Hast du dich mit Jaebum unterhalten?" „Ja, er hat mir gezeigt wo ich hin muss", erzählte ich ihm wahrheitsgemäß. „Das ist schön, Jaebum ist wirklich ein netter und hilfsbereiter Junge", sagte er mit einem aufmunternden Lächeln. Ich musste an die Worte von Jungkook denken, der Jaebum nicht ausstehen konnte.
Den Rest der Fahrt verbrachten wir in einvernehmlichen Schweigen und ich bestaunte mal wieder die Stadt. Es war nach wie vor überwältigend, aber langsam hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass mein Kopf deswegen platzen müsste. Das Auto gab mir zumindest noch ein Gefühl der Sicherheit, auch wenn ich mich an das Vibrieren und Brummen nicht gewöhnt habe. Allerdings fragte ich mich, wie ich es schaffen sollte rauszugehen und durch die Stadt zu laufen. Ich würde erschlagen werden von einfach Allem. Wenn ich nicht tatsächlich erschlagen werde von diesen riesen Gebäuden, die plötzlich einstürzen oder so. Ich seufzte leise. Ich vermisste die Isolation der Psychiatrie.
Wir kamen wieder bei der Wohnung an, in der ich jetzt lebte und Kyusung schloss mir die Tür auf, während er sagte „Du bekommst bald deinen eigenen Schlüssel, der ist nur noch nicht fertig. Ich kann dich nämlich nicht immer von der Schule abholen. Sobald du den Schlüssel hast, wirst du mit dem Bus fahren." Mir wurde jetzt schon mulmig zumute, bei dem Gedanken an einen Bus voller fremder Menschen.
In der Wohnung wurden wir direkt von Kim begrüßt, die ihrem Mann einen Kuss aufdrückte und mir die Hand sanft auf die Schulter legte und mich anlächelte. Immerhin schaffte ich es nicht zurückzuschrecken, auch wenn ich mich bei der Berührung deutlich unwohl fühlte. Sie nahm sie auch schnell wieder weg und fragte „Habt ihr Hunger? In einer Stunde gibt es Essen." „Ja, danke Schatz", antwortete Kyusung und ich nickte. „Du kannst in dein Zimmer gehen und mit den Hausaufgaben anfangen", sagte sie dann noch zu mir und wieder nickte ich, bevor ich mir meine Schuhe und Jacke auszog und in das Zimmer ging.
Meine Schulsachen breitete ich auf dem Schreibtisch aus und sah verdrießlich auf die ganzen Schulbücher. Jisoo hatte mir bereits gesagt, dass ich für eine normale Schule weitaus mehr tun musste als für den bisschen Unterricht den ich in der Psychiatrie hatte, aber der Unterricht war mir ehrlich gesagt schon genug. Dennoch griff ich mir das Mathebuch und wiederholte erst den Stoff, den wir im Unterricht gemacht hatten, damit ich überhaupt erst die Hausaufgaben machen konnte.
Nach dem Essen, das für mich ziemlich schweigsamablief, da Bao die ganze Zeit von seinem Schultag erzählt hatte, habe ich nochbis spät in die Nacht gelernt und Hausaufgaben gemacht. Ich musste versuchen,so schnell wie möglich zu dem Wissen der Klasse aufzuholen. Dementsprechend müde war ich am nächsten Morgen.
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Zeig mir die Welt - Jikook
FanficNach elf langen Jahren, die Jimin in der Psychiatrie verbracht hatte, konnte er endlich zurück zu seiner Mutter ziehen. Doch es hinterließ Spuren, wenn man elf Jahre lang von der modernen Gesellschaft getrennt war. Zum Einen wusste Jimin nichts über...