Ich raffte mich dennoch auf und machte mich müde im Bad fertig, auch wenn die kurze Dusche zumindest ein wenig auffrischte.
„Guten Morgen Jimin, gut geschlafen?", fragte Kim mich als ich an den Frühstückstisch kam und ich nickte, doch mein herzhaftes Gähnen direkt danach zeigte, dass es nicht ganz die Wahrheit war. Zum Glück wurde das ignoriert und ich setzte mich hin um mir was von dem Müsli zu nehmen, das dort stand. „Ich habe für heute Mittag Jaebum hierher eingeladen", sagte Kyusung plötzlich und schaute an seiner Zeitung vorbei zu mir, „ich dachte mir, er könnte dir vielleicht mit dem Schulstoff helfen, ich habe gestern gesehen dass du noch lange gelernt hast." Wirklich erpicht war ich nicht darauf, mit einer mir fast fremden Person einen kleinen Raum zu teilen, dennoch nickte ich. Ich hätte es eh nicht verhindern können.
Auch heute fuhr Kyusung sofort wieder weg, nachdem er mich an der Schule abgeliefert hatte. Ich wusste zwar noch, wo sich der Klassenraum befand, allerdings waren mir viel zu viele Schüler hier, durch die ich mich irgendwie hätte kämpfen müssen. Also wartete ich ein paar Minuten nachdem es geklingelt hatte, bis ich ohne Probleme die Gänge entlang laufen konnte. Leider hatte ich in der ersten Stunde anscheinend Herr Lee, der mich missbilligend musterte „Ich hoffe doch das wird für dich nicht zu Angewohnheit." „Entschuldigung, natürlich nicht", erwiderte ich schnell und verbeugte mich tief, bevor ich zu meinem Platz huschte. Ein kurzer Blick durch die Klasse zeigte mir, dass Jungkook nicht da war. War er krank?
Doch zwanzig Minuten nach Unterrichtsbeginn öffnete sich die Tür erneut und er trat ein. „Welche Ausrede hast du diesmal?", fragte Herr Lee und Jungkook erwiderte mit seinem verdammt niedlichen Kaninchengrinsen „Ein Krokodil hat mich auf dem Weg angegriffen." „Setz dich einfach", fauchte der Lehrer fast schon und Jungkook setzte sich wieder neben mich. „Woah, hast du wirklich alle Hausaufgaben gemacht?", fragte er mich, als er auf meinen Block sah. Ich nickte verwirrt, natürlich hatte ich sie alle gemacht, schließlich sollte ich alle machen. „Also meine hat ja das Krokodil gefressen", erklärte er mir todernst, was mich nur noch mehr verwirrte. Ich wusste zwar, dass reden während des Unterrichts verboten war, aber jetzt musste ich einfach leise nachfragen „Wurdest du wirklich von einem Krokodil angegriffen?", woraufhin Jungkook plötzlich in lautes Lachen ausbrach. „Jeon Jungkook! Ruhe da vorne!", empörte sich Herr Lee und ich blickte schuldbewusst auf den Tisch, da ich schließlich der Grund war, dass Jungkook jetzt so angeschnauzt wurde. Im nächsten Moment sah ich dort ein Stück Papier liegen, auf dem stand „Natürlich nicht! Ich habe verschlafen, aber Herr Lee weiß das, deswegen überlege ich mir immer schöne Geschichten, um ihn zu nerven ;)" Ungläubig sah ich zu ihm rüber, er wollte den Lehrer nerven? Wieder grinste er mich nur frech an. Langsam konnte ich jedenfalls verstehen, warum Herr Lee nicht gut auf ihn zu sprechen war.
Sobald es zum Ende der Doppelstunde geklingelt hatte, war Herr Lee schneller aus dem Klassenraum, als man schauen konnte. Da Jungkook es nicht eilig hatte den Platz zu verlassen, so wie er sich zurücklehnte und erstmal seine Arme nach oben streckte, machte auch ich langsamer mit dem Einpacken. „Mathe ist echt das...", fing er an zu reden, wurde allerdings von Baekhyun unterbrochen, der sich vor uns auf den Tisch setzte „Na, was war denn vorhin so lustig?", grinste er. „Baekhyun, verpiss dich", erwiderte Jungkook, während ich mich möglichst klein in meinem Stuhl machte. Er hatte irgendwie eine angsteinflößende Präsenz. „Halt doch mal deine Klappe, du Clown. Seit wann sitzt du eigentlich wie ein Streber in der ersten Reihe?", keifte er Jungkook an, welcher schulterzuckend meinte „Man muss doch immer mal was Neues ausprobieren, oder nicht?" „Wie auch immer", winkte er ab und blickte dann plötzlich mich an, weshalb ich schnell den Kopf senkte und auf meine Finger sah, die nervös mit dem Saum meines Pullis spielten, „du musst nicht mit so einer Schwuchtel abhängen. Das tut einem nicht gut." Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, schon wieder jemand, der mir davon abriet etwas mit Jungkook zu machen. Aber er und Baekhyun mochten sich ja nicht wirklich, das würde jedem auffallen. Nicht nur weil Jungkook es mir schon gesagt hatte. Allerdings stolperte ich in meinen Gedanken immer wieder über das eine Wort, Schwuchtel. Es war eindeutig als Beleidigung gemeint, aber was bedeutete es? Vor Baekhyun traute ich mich aber nicht, nachzufragen, da die Gefahr zu groß war, deswegen ausgelacht zu werden. Jungkooks Augenbrauen zogen sich sauer zusammen und diesmal wirkte er wirklich verärgert, als er völlig ernst sagte „Ich denke Jimin kann ganz gut selbst entscheiden, mit wem er was machen möchte und was nicht." Ich war ihm so unglaublich dankbar für diese Aussage, denn es stimmte. Jeder versuchte die ganze Zeit mir weis zu machen, wer ein guter Umgang für mich wäre, außer Jungkook. Er sagte zwar was er über die Leute dachte, aber er hatte mit keinem mal erwähnt, dass ich mich deswegen von ihnen fernhalten sollte. Und so ängstlich ich mich auch gab, ich wollte mir meine Meinung selbst über die Leute machen.
„Sicher?", erwiderte Baekhyun mit hochgezogener Augenbraue „auf mich wirkt er ja, als könnte er keine einzige Entscheidung selbst treffen. Dafür müsste er schließlich auch mal den Mund aufmachen", zum Ende hin lachte er gehässig. „Baekhyun, halt dich zurück", sagte Jungkook warnend und ich biss mir nervös und ängstlich auf meine Unterlippe. „Sag doch mal was Jiminie", Baekhyun ignorierte Jungkook völlig und stattdessen spürte ich plötzlich eine Hand an meinem Kinn, die meinen Kopf ruckartig hoch drückte. Geschockt starrte ich in sein grinsendes Gesicht und versuchte meinen Kopf wegzuziehen, allerdings hielt er mein Kinn fest im Griff. „Komm sag was", dabei kam er mir mit seinem kompletten Oberkörper immer näher und ich merkte schon wieder, wie die Panik langsam meinen kompletten Körper übernahm. „Baekhyun, hör auf!", fauchte Jungkook. „Erst wenn er es selbst sagt", grinste er weiter, weswegen ich panisch wie ich war stotterte „Bitte lass mich los." „Oh?", kam es erstaunt von ihm, machte aber keine Anstalten sich irgendwie von mir zu entfernen und aus dem Grund traten mir plötzlich Tränen in die Augen, „Ich dachte wirklich, du wärst komplett stumm. Aber du bist einfach nur ein Feigling", fuhr er fort. Ich schloss meine Augen, zum Einen um Baekhyun nicht mehr anschauen zu müssen und zum Anderen um mich zu beruhigen, denn ich wollte definitiv nicht das gleiche Theater wie gestern haben. Ich konzentrierte mich also darauf ruhig zu atmen um genug Sauerstoff in meine Lungen zu bekommen.
„Er hat es gesagt, also lass ihn verdammt nochmal los", trat Jungkook wieder für mich ein, „er ist immer noch älter als du Idiot." „Jetzt komm mir bloß nicht mit dem Zug. Der Junge verhält sich wie ein kleines ängstliches krankes Kind", erwiderte er und plötzlich merkte ich, wie die Hand sich plötzlich von meinem Gesicht entfernte, weswegen ich erleichtert ausatmete, bis ich ein lautes Rumpeln hörte. Erschrocken öffnete ich wieder meine Augen und sah Baekhyuns Oberkörper auf dem Tisch liegen, da Jungkook ihn an seinem Nacken dort festhielt. „Man hält sich an Abmachungen", sagte Jungkook kalt und ich merkte die Adern die an seinen Armen heraustraten, da er vermutlich sehr viel Kraft aufbringen musste, um Baekhyun auf dem Tisch festzuhalten. „Und jetzt wiederhole ich mich mal, verpiss dich", er stand auf und zog Baekhyuns Körper mit einem Ruck vom Tisch hoch um ihn daraufhin kräftig wegzuschubsen. Baekhyun schien im ersten Moment ziemlich erschrocken von Jungkooks Tat zu sein, doch er sammelte sich schnell wieder und zischte „Das wird noch ein Nachspiel haben, Schwuchtel." Jungkook ging darauf gar nicht ein sondern blickte besorgt zu mir „Alles in Ordnung?" Ich reagierte nicht, da ich immer noch dabei war zu verarbeiten, was eben überhaupt passiert ist. Seufzend ließ sich der Schwarzhaarige wieder neben mich sinken und meinte „Baekhyun ist noch nie körperlich geworden, genau so wenig wie ich. Eigentlich ist es bisher immer nur bei Beleidigungen geblieben. Tut mir Leid, dass gerade du das abbekommen musstest." Schnell schüttelte ich den Kopf „Du kannst doch nichts dafür", flüsterte ich. „Würde ich mich dir nicht die ganze Zeit aufdrängen, hätte er es mit Sicherheit nicht so auf dich abgesehen, aber Baekhyun und ich haben uns halt schon seit wir uns kannten gegenseitig gepiesackt", seufzte er und blickte bedrückt auf den Tisch. „Aber wie du bereits sagtest", meinte ich und blickte ihn diesmal fest an, „ich entscheide selbst, mit wem ich etwas mache."
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Über Kommentare würde ich mich sehr freuen :)
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Zeig mir die Welt - Jikook
FanfictionNach elf langen Jahren, die Jimin in der Psychiatrie verbracht hatte, konnte er endlich zurück zu seiner Mutter ziehen. Doch es hinterließ Spuren, wenn man elf Jahre lang von der modernen Gesellschaft getrennt war. Zum Einen wusste Jimin nichts über...