Erzählung 82

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„Du liebst mich also? Komische Art mir das zu zeigen. Bruder." Das letzte Wort hatte er mit einer Verachtung ausgesprochen, die ich noch nie in seiner Stimme gehört hatte. Ich stolperte ein paar Schritte zurück und kniff meine Augen zusammen in der Erwartung eines Schlages, doch bevor Chris sich richtig hätte bewegen können hörte ich wie die Zimmertür aufging. Ich öffnete meine Augen und blickte über meine rechte Schulter, wo ich sah wie Eva ihren Kopf ins Zimmer streckte. „Ich habe euch doch gesagt ihr sollt leise sein! Wenn ich noch einen Mucks höre könnt ihr was erleben", zischte sie uns wütend zu und schloss dann die Tür so, dass es zwar nicht knallte, aber fest genug um uns Evas Stimmung deutlich zu machen. Ich drehte meinen Kopf wieder nach vorne und begegnete Chris' Blick, der mich kurz hasserfüllt anstarrte, bevor er sich wegdrehte und erneut aufs Bett legte. Natürlich mit dem Rücken zu mir. In meinem Kopf schwebte der Gedanke Chris noch einmal anzusprechen, doch irgendwie wusste ich das das nicht gut ausgehen würde. Also schlurfte ich zurück zu meinem Platz vor dem Kleiderschrank und ließ mich neben meiner Frau nieder. Ich wagte nicht sie anzusehen, doch es war als könne ich ihren besorgten Blick auf mir spüren. Lange saß ich so da und versuchte meine Gedanken zu ordnen, doch sie änderten sich so schnell, dass ich sie nicht richtig zu fassen bekam. Alles stürmte auf mich ein: Angst, Verzweiflung, Liebe, gute und schlechte Erinnerungen, Hoffnung, Glaube, Ratlosigkeit und viele weitere Gefühle, bis ein lauter Knall meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich schreckte hoch und blickte zur Tür, die gerade von der Wand abprallte. Mit vor Wut verzerrtem Gesicht stand Eva im Durchgang, schlug ihre Hand auf die Tür und drückte sie fest gegen die Wand damit sie ihr nicht erneut entgegenkam. „Ihr", knurrte sie und trat auf uns zu. Ich hörte wie Chris sich bewegte, doch schaute nicht zu ihm. Zu sehr fesselten mich Evas funkensprühende Augen. „Wieso. Schafft ihr es nicht mal den einfachsten Befehlen zu folgen?" Ihre Stimme nahm einen strengen Ton an und wurde so laut, dass ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte. Als sie weiter sprach war ihre Stimme wieder gefasster und sie massierte sich mit Zeigefinger und Daumen und geschlossenen Augen die Nasenwurzel. „Eine Sache. Ich wollte nur eine verfickte, kleine Sache von euch und selbst dazu seid ihr nicht im Stande." Sie seufzte, ließ ihre Hand sinken und schaute uns enttäuscht an. „Eure Strafe dafür werdet ihr noch bekommen, aber ich denke erstmal müssen wir uns um ein anderes Problem kümmern." Ich fragte mich was sie meinte, doch sie sprach schon weiter: „Ich habe ja verstanden das ihr euch wegen dem Schlag auf die Nase gerade nicht leiden könnt, aber es geht mir gerade echt auf die Nerven. Und ich habe auch schon eine Idee wie wir das Problem lösen können." Mit einem süffisanten Lächeln blickte sie noch einmal jeden von uns an und verließ unser Zimmer wieder. Panik und Angst kamen in mir auf, denn wenn Eva dieses Lächeln aufgesetzt hatte war das für uns nicht gut ausgegangen. Ich fragte mich was sie diesmal mit uns vorhatte. Würde sie uns in den Räumen mit dem Fenster foltern? Uns auspeitschen oder erneut mit dem Messer bearbeiten? Würde sie uns vielleicht wieder in den kleinen Keller draußen unter der Erde sperren? Alles Mögliche malte ich mir aus, während es draußen allmählich dunkler wurde. Ob es daran lag, dass es Abend wurde oder einfach eine dunkle Wolke aufgezogen war konnte ich von meiner Position nicht direkt ausmachen. Weder Chris noch ich sprachen ein Wort und das änderte sich auch nicht als sich unsere Zimmertür öffnete und Eva hereintrat. Ihr fröhliches Lächeln und ihre gute Laute trugen nicht gerade dazu bei meine Nerven zu beruhigen. „So meine Lieben. Da ich echt keine Lust mehr auf euren Streit habe dachte ich mir ich beschleunige eure Aussprache mal etwas." Mit diesen Worten drehte sie sich um und trat auf den Flur. Verwirrt schaute ich ihr nach. Dann blickte sie uns über die Schulter an und sagte: „Hop hop." Schnell sprangen wir beide auf. Ich war gleichzeitig mit Chris an der Tür und ließ ihm den Vortritt. Ich hatte keine Lust jetzt noch irgendwie mit ihm aneinander zu geraten. Nicht jetzt, wenn wir beide uns aussprechen sollten oder was auch immer Eva für uns geplant hatte.

Ihr. Entkommt. Nicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt