Remember me ♛ VKook「50% Texting」

CHAT 40

Die Stille hatte sich über uns gelegt wie dichter Nebel und die Anspannung wuchs mit jeder Sekunde. Ich weiß nicht, was genau los war, doch ich fühlte mich irgendwie... bedrückt. Mein Blick folgte meinem Willen nicht, denn mit ernsten Zügen sah ich auf seine Hände – und beobachtete, wie er an seinem Ring drehte. Mit diesem Ding spielte er immer, wenn er sich Pläne überlegte. Wenn es eine ernste Angelegenheit war und er sich in aller Ruhe Gedanken zu machen brauchte.

Doch woher wusste ich das? Wer war er? Wieso konnte ich nicht in sein Gesicht blicken?

Meine Hände waren über meinen Knien verschränkt und ich spielte stumm mit meinen Daumen, rieb sie aneinander, verschränkte meine Finger und löste sie wieder, ohne damit aufhören zu können. Ich hatte keinerlei Kontrolle über meinen Körper. Es war, als würde alles nach Skript geschehen, und ich konnte mich dem Regisseur nicht widersetzen – oder als wäre ich hilflos im Körper eines anderen gefangen. Besagter Körper seufzte und irgendwie übertrug sich seine Laune auf mich. Ich fühlte, was diese Person fühlte, ohne zu wissen weswegen.

„Kooks", hörte ich eine recht ernste, aber auch sanfte Stimme zu mir sprechen. „Wann genau sagtest du, würde es regnen?"

Ich wollte aufblicken. Ich wollte sehen, wer diese Person war, zu wem diese Stimme und dieser Ring gehörten, doch noch immer blickte ich auf meine Daumen.

Und plötzlich hörte ich mich sagen: „Laut den Nachrichten... nach Mitternacht. Wir haben nicht mehr viel Zeit."

Jungkook rümpfte die Nase in halber Bewusstlosigkeit.

Nach und nach kehrte Leben in seinen Körper zurück; er begann seine schmerzenden Gliedmaßen wieder wahrzunehmen, spürte seinen Kopf pochen und begann dank seinem trockenen Mund nach Wasser zu dursten. Sein Magen fühlte sich schrecklich leer an und gemeinsam mit Hunger überkam ihn die Übelkeit. Mit jedem Gedanken an eine ausgewogene Mahlzeit machte er sich jedoch noch mehr Sorgen um sein Geld. So langsam war er knapp bei Kasse, die Scheine in seiner Jeans nahezu aufgebraucht und noch immer hatte er seine Adresse nicht ausfindig machen können – noch immer musste er in koreanischen Trockensaunen übernachten, in Freibädern duschen und sich in billigen Zeltrestaurants versorgen.

Die Sonne kitzelte seine Lider und er drehte seinen Kopf in eine andere Richtung, nur um vor Schmerz nahezu wieder der Bewusstlosigkeit zu verfallen. Er wollte seinen Arm heben und sich mit der Hand durch die Haare fahren, doch als er es versuchte, überkam ihn eine Schmerzenswelle und sein Arm begann wie verrückt zu pulsieren, fühlte sich außerdem so schwer an als bestünde er aus purem Blei. Richtig... da war ja was. Ein... Auto... und ein Unfall...

Jemand hatte ihn verfolgt und er war aus den Gassen gerannt, geradewegs den Bürgersteig entlang und über eine Kreuzung. Er hatte sich durch den beschäftigten Fußverkehr Seouls zwängen müssen und die Fußgängerampel musste auf grün gestanden haben – denn ansonsten würden nicht haufenweise strikte Verwaltungsarbeiter und Banker in Anzügen sowie Studenten mit ihren vollgestopften Schultertaschen diese Streifen überqueren.

Und zum ersten Mal war ihm vollends bewusst geworden, was es hieß, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Der Fahrer war nämlich offensichtlich betrunken gewesen, so wie er schlängelnd über die Straße gefahren, halb auf den Bürgersteig gestiegen und dann zurück auf die Straße und mitten über die belebte Kreuzung gerast war. Jungkook hatte mit seiner Position weniger Glück als viele Passanten, aber mehr Glück als so manche andere gehabt.

Bei dem Gedanken an diese Tragödie kniff er seine Augen zusammen und konnte es sich gerade noch rechtzeitig verkneifen, den Kopf zu schütteln. Am besten er bewegte sich gar nicht; das weiche Kissen unter seinem Haupt, die wunderbar riechende, sanfte Bettwäsche sowie die weiche Matratze vermittelten ihm ein zu hohes Gefühl der Wärme und Geborgenheit, welches er so sehr zu vermissen glaubte, dass es ihm nicht im Traum einfiele diese Einbettung zu verlassen. Es war um so viel besser als diese unbequemen Schlafmatten in der Trockensauna, schmiegte sich viel angenehmer an seinen Körper als diese billigen, blaugrauen Shirts und Shorts für Männer, die sie dort verteilten.