Tränen standen in meinen Augen, mein Blick auf den Boden gerichtet. Ich wollte ihre Gesichter nicht sehen. Nicht den Hass, den sie aufeinander hatte. Nicht das verkrustete Blut, das ihnen im Gesicht klebte. Ich wollte es einfach nicht sehen. Was war aus ihren sarkastischen Streitereien geworden, die sie immer hatten, nach 20 Minuten aber wieder vergessen waren? “Hört auf. Bitte”, flüsterte ich mit zittriger Stimme. Die Eiswände zerflossen langsam. Meine Gefühle übermannten mich komplett, sodass ich keine Kontrolle über meine Fähigkeiten mehr hatte. Ich ließ meine Arme sinken. Steve ergriff als Erstes wieder das Wort. “Seit wann kannst du das? Du hast es nie irgendwie auch nur erwähnt”, sagte er. Ein misstrauischer Unterton schwankte in seiner Stimme. Na toll. Es war doch immer das Gleiche. Ich machte einen Schritt von beiden weg. “Ich kann das, seit ich 17 bin. Ich… Ich bin Mutantin. Aber das sollte nie jemand erfahren…”, antwortete ich ihm.
Am Liebsten wäre ich einfach von der Klippe gesprungen. Die letzten Monate schienen einfach nie passiert zu sein. Keine Freundschaft, nichts. Nur Misstrauen. Wie immer. Ich sah kurz zu Bucky. Er brauchte ganz offensichtlich medizinische Hilfe. Die Frage war nur, ob Steve mir überhaupt noch genug vertraute. Ich machte einen weiteren Schritt zurück, keiner sonst rührte sich auch nur. Die ganze Situation war extrem unangenehm. “Wie lang wollt ihr mich noch anstarren?”, schrie ich sie an, die Unsicherheit war klar in meiner Stimme zu hören. Die Tränen, die ich bis jetzt erfolgreich zurückgehalten hatte, kullerten nun über meine geröteten Wangen. Ich musste echt einen erbärmlichen Anblick bieten. Steve war sichtlich von meiner Reaktion überfordert, Tony hingegen war wirklich nicht glücklich.
“Alles Verräter”, knurrte er.
“Sie wird ihre Gründe haben”, versuchte Steve ihn zu beruhigen.
“Du brauchst da gar nicht erst reden, verstanden?! Du warst es doch, der mir verschwiegen hat, dass dein ach so toller Freund meine Eltern kaltblütig ermordet hat! Wessen schuld ist das Ganze also?” Jetzt rastete Tony komplett aus. Er richtete seine Blaster direkt auf Steve, der den Strahl gerade so noch mit seinem Schild abwehren konnte. Ich konnte nichts machen, außer zusehen. Irgendwie musste ich Bucky raus schaffen, hier drinnen würde sich sein Zustand nur noch mehr verschlechtern. Aber wie? Er war viel zu schwer für mich. Auch ohne zweiten Arm wog er bestimmt das Doppelte von mir. Ich brauchte Steves Hilfe, aber der war damit beschäftigt, Tonys Angriffe abzuwehren. Verdammt. Aber vielleicht… Vielleicht konnte ich doch helfen. Es war riskant, aber mit etwas Glück funktionierte es bestimmt. Aber dafür musste ich erst Steves Aufmerksamkeit bekommen. Hoffentlich spielte er mit.
“Steve! Bitte hör mir nur einen Moment zu! Dieser Kampf wird nie enden, so lange keiner von euch beiden zurück zieht. Bucky braucht dich jetzt. Also bitte, hör auf. Gib ein einziges Mal in deinem Leben nach!”, rief ich, in der Hoffnung, dass er mich durch den Lärm hindurch hörte und auch wahrnahm. Er zögerte. Perfekt. Mehr brauchte ich gar nicht. Ich konzentrierte mich auf die Bewegung der Wasserteilchen, die ich für die Richtige hielt. Der Schnee von draußen schmolz augenblicklich. Im nächsten Moment schlang sich das eiskalte Wasser um Tonys Körper, gefror sofort und verhinderte damit jede weitere Bewegung. Trotzdem hatten wir nicht viel Zeit. Tony war immer noch Tony und das Eis würde ihn bestimmt nicht sehr lange zurück halten, aber dieses kurze Zeitfenster mussten wir ausnutzen.
“Los jetzt”, drängte ich Steve, der seine Überraschung nicht einmal wirklich unterdrückte. Trotzdem half er Bucky auf und verließ schnell, wenn auch leicht humpelnd den Raum. Ich blieb jedoch zurück. Irgendjemand musste Tony immerhin zumindest für ein paar Minuten zurück halten. Ich ließ das Eis schmelzen und hob beide Hände.
“Lass mich erst ausreden, bevor du mich angreifst”, sagte ich ruhig. Er antwortete nichts, sondern starrte mich nur wütend an. Hoffentlich ging das nicht nach hinten los.
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A Story of Winter and Water (Bucky FF)
Fanfiction{Abgeschlossen} Lilly ist Ärztin. Nach außen hin wirkt sie ganz normal, vielleicht etwas schüchtern, aber das stimmt nicht. Sie birgt ein Geheimnis, an dem sie nur ihre engsten Freunde teilhaben lässt. Doch nachdem sie zur Einsatzärztin der Avengers...