Damals

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Erinnert ihr euch noch daran, als ihr damals in der Schule immer wieder auf die Uhr gesehen habt und gehofft habt, dass die Zeit schneller vergeht?
Es hat sich immer angefühlt als wären Minuten vergangen, doch es waren immer nur ein paar Sekunden. Nicht einmal der Zeiger hat sich bewegt.
Es ist ein bekanntes Phänomen. Wenn wir unbedingt wollen, dass etwas passiert zieht es sich Ewigkeiten. Wollen wir es aber so weit wie möglich hinauszögern, ist es schneller da als wir wollen.

Damals. Wann ist eigentlich damals? Es ist ein ziemlich undefinierbarer Begriff. Ähnlich wie "gleich". Erstaunlich wie dehnbar diese Zeiträume für verschiedene Menschen sind. Damals kann alles sein. Damals im Mittelalter? Damals vor 100 Jahren, vor 50, vor 10? Damals vor drei Tagen? Damals als wir dabei waren oder damals als es noch nicht einmal einen Gedanken an die Menschheit gab?

Aber "damals" war ja alles viel einfacher. Was war einfacher? Ihr kennt das bestimmt, eure Großeltern erzählen euch von vergangenen Zeiten, dass sie ohne Elektrizität und Mobilität leben konnten und wir nur noch unsere eigenen Sklaven sind. Wir beschäftigen uns mehr mit unseren Handys, Laptops und wissen gar nicht mehr wie es ist, mit anderen zu reden. In Zeiten von Sms, ach nein das gibts ja auch nicht mehr, in Zeiten von Whatsapp, muss man nicht mehr reden. Hab ich doch neulich erst gehört, dass einer sagte, wie cool es doch wäre wenn man direkt hören könnte wenn jemand eine Sprachnachricht aufnimmt und man so direkt Anworten könnte. Ja traurig.  Aber ich kann euch beruhigen. Wir sind gar nicht Schuld daran. Wir sind so aufgewachsen, sie sind so aufgewachsen. Evolution nennt man das Ganze. Passiert so im Laufe der Jahre. Aber "damals" kannte man auch das nicht. Sagen sie. Ich habe es aufgegeben mich zu rechtfertigen.

Ja, das erste, das ich am Morgen mache ist, auf mein Handy zu schauen. Ich muss ja wissen was in den letzten sieben Stunden in denen ich weg war passiert ist. Wie wird denn das Wetter heute? Ein Blick aus dem Fenster reicht da schon lange nicht mehr. Während man sich dann für den Alltag fertig macht tauscht man die neusten Geschehnisse aus, das kann nicht warten bis man sich persönlich sieht. Warum auch? Schreiben ist entspannter. Du musst dich nicht darauf konzentrieren ob Gestik und Mimik zu gesagtem passt. Emojis werden hinzugefügt obwohl unser Gesichtsausdruck eher dem Gegenteil entspricht.

Damals...damals ist man bestimmt nicht so schnell vom Thema abgekommen wie ich hier. Meine Oma würde jetzt wieder sagen das liegt daran, weil ich zu viel in den sozialen Netzwerken unterwegs bin und mich nicht mehr auf etwas konzentrieren kann. Vielleicht schaffe ich es aber auch mich nicht nur auf ein einziges Geschehen zu polarisieren. Multitaskingfähig.  Ganz große scheisse wenn ihr mich fragt.

Ich habe einmal ein Selbstexperiment durchgeführt. Zwei Tage kein Handy. Internet aus. Alles aus. Für mich war das kein Problem, habe sogar gelesen. Habe aber nicht mehr und nicht weniger mit anderen geredet als zuvor. Aber die Nachrichten als ich wieder "online" war, waren erstaunlich. Nachrichten und Anrufe. Viel zu viele Fragen wo ich sei ob es mir gut ginge. Ist es so erstaunlich, einmal nicht durchgehend erreichbar zu sein?

Damals und heute findet man auch in anderen Aspekten wieder. "Früher sind wir nicht zweimal in der Woche zum einkaufen gefahren. Wir haben unser essen selbst angebaut oder geschossen." Ja Oma ich weiß. Aber ich denke es ist nicht all zu gut wenn ich mir mein Mittagessen erst noch schiessen muss und dann mit dem noch nicht filetieren Stück Fleisch durchs Dorf gehe. Da haben bestimmt einige Leute was dagegen. Aber damals ging das.

Damals haben sich bestimmt die Leute keine Gedanken darüber gemacht wie die Zukunft aussehen wird. Das war plötzlich da. Sie mussten damit leben. Es war einfach egal, irgendwie ging das schon. Und wir? Wir machen uns bereits in der Grundschule gedanken darüber was wir einmal tun wollen. Und wehe man studiert nicht. Schlimm diese ganzen Leute die nur eine Ausbildung machen. Wer braucht schon Leute die Ahnung von der Praxis haben? Nein die Theorie reicht vollkommen. Ist schon okay wenn plötzlich Autos explodieren oder ein Flugzeug eine Turbine verliert. Immerhin waren es Leute die studiert haben, die es verbockt haben. In 20 Jahren braucht man keine Leute mehr. Roboter machen das schon. Wir werden alle in unserer Strandvilla in Bali sitzen weil wir zuviel Geld haben. Und zu viel Zeit. Und was ist mit den sozialen Berufen? Nein wir brauchen niemanden der sich um die Kinder kümmert während die Eltern vollzeit Arbeiten gehen müssen weil schon eine 2-Zimmer-Wohnung unbezahlbar geworden ist. Wir brauchen auch niemanden der sich um unsere "Alten" kümmert. Für was denn auch? Krankenschwestern braucht doch auch niemand. Gibt ja Ärzte. Ja ja liebe Gesellschaft uns braucht niemand. Wir brauchen kein Geld, keine Anerkennung und auch keinen Urlaub. Urlaub gibts sowieso nicht zwecks Personalmangel. Für was sollten wir denn auch bezahlt werden. In der Arbeit trinke ich sowieso nur Kaffee, bastel irgendeine Deko und schau den Kindern beim schlafen zu. Gibt keinen Grund. Hab ja Zeit dafür.

Ja die Zeit ist auch so eine Sache. Wir haben zu viel aber eigentlich auch viel zu wenig. Zu viel Zeit für nutzlosen, unwichtiges und zu wenig für das was wir wirklich tun sollten. Da sind wir aber selbst Schuld. Wir sollten uns einfach auf das Wesentliche konzentrieren. Wir sollten uns auf uns konzentrieren. Was willst Du? Wie geht es dir? Funktioniert alles so wie du es dir vorgestellt hast? Willst du etwas ändern? Was willst du ändern? Die Zeit reicht aber nicht für diese Fragen. Du musst nur funktionieren. So viel wie möglich in so kurzer zeit wie möglich.

Wir machen uns selbst kaputt. Uns, unsere Mitmenschen, unsere Gesellschaft, unsere Welt. Wir gehen unter und sehen uns dabei zu.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 18, 2018 ⏰

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