26. Immer an deiner Seite

1.7K 64 14
                                    

7 Uhr Morgens
Toni und Betty traten gemeinsam in das Krankenhaus und steuerten auf den Empfangsbereich zu. Vor etwa einer Stunde hatten sie den Anruf erhalten, dass Cheryl in ein Zimmer verlegt worden war. Sie hatten sich in der Schule für den Tag entschuldigt und sofort auf den Weg gemacht, nachdem sie noch einen Strauß rote Lilien besorgt hatten.
„Guten Morgen, wir möchten zu Cheryl Blossom", sagte Betty höflich und lächelte die Dame am Empfang an.
„Natürlich. Zimmer 301, im dritten Stock gleich die erste Tür rechts."
„Vielen Dank."
Während sich die Fahrstuhltüren gemächlich schlossen, tippte Toni ungeduldig mit den Fingernägeln auf das silberne Geländer und starrte die orange leuchtende Zahl an, die das aktuelle Stockwerk anzeigte. Sie war erschöpft. Nachdem sie zwei Stunden im Tiefschlaf verbracht hatte, war sie beinahe die gesamte restliche Nacht wach gewesen. Um sich von den schrecklichen Bildern in ihrem Kopf abzulenken, hatte sie die Wäsche erledigt, die Küche geputzt und eine Tasche für Cheryl gepackt, bevor Betty ebenfalls aufwachte und sie gemeinsam eine Kleinigkeit aßen. Ihren Appetit hatte Toni zwar noch nicht wieder erlangt, doch sie zwang sich zumindest etwas zu sich zu nehmen, um bei Kräften zu bleiben.
Als die Türen des Aufzugs sich langsam öffneten, schob sich Toni durch die entstehende Lücke und lief eilig auf das erste Zimmer rechts im Gang zu. Beinahe wäre sie mit dem Arzt zusammen gestoßen, der gerade aus Cheryls Zimmer kam.
„Entschuldigen Sie", sagte sie überrascht.
„Ah, Miss Topaz. Guten Morgen", lächelte der Arzt und gab ihr freundlich die Hand.
„Morgen. Wie geht es ihr denn?"
„Sie ist noch sehr schwach, aber die Werte waren die ganze Nacht über stabil. Ich habe grade eben noch mal Puls und Atmung überprüft, sieht alles okay aus. Miss Blossom schlägt sich wirklich sehr gut. Sie können ruhig zu ihr gehen, sie schläft allerdings gerade", erwiderte er und legte Toni beruhigend eine Hand auf die Schulter.
„Dankeschön."
„Gerne. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag."
Mit diesen Worten schüttelte der Arzt noch ein mal die Hände von Betty und Toni, bevor er den Gang herunter verschwand.
„Warte kurz", sagte Toni, als Betty auf die Tür zu trat und sie öffnen wollte.
„Ich brauch noch einen kurzen Moment um mich vorzubereiten."
Sie hatte Angst davor, dass Cheryl genauso weiß und leblos aussehen würde, wie direkt nach dem Unfall. Sie wusste nicht, ob sie diesen Anblick noch ein mal ertragen konnte. Um sich einen weiteren Schock zu ersparen, atmete sie also mit geschlossenen Augen ein paar mal tief durch und stellte sich auf das Schlimmste ein.
„Hey, der Arzt hat doch gesagt es ist alles gut gelaufen. Ich bin sicher sie ist okay", sagte Betty aufmunternd.
Toni nickte, öffnete die Augen wieder und atmete ein letztes Mal hörbar aus, bevor sie an Betty vorbei ging und den Raum betrat.
Die Wände des Zimmers waren weiß gestrichen und es roch nach Desinfektionsmittel und Seife. Durch das große Fenster gegenüber der Tür fielen Sonnenstrahlen hinein. Cheryls Bett stand an der linken Wand, das Fußende ragte weit in den Raum herein. Als Toni den Körper ihrer schlafenden Freundin sah, löste sie sich aus ihrer starre. In einer einzigen, flüssigen Bewegung ließ die die Tasche zu Boden fallen, lief sie um das Bett herum, setzte sich auf den Stuhl daneben und nahm vorsichtig Cheryls Hand in ihre.
Erleichtert stellte Toni fest, dass das Gesicht der rothaarigen wieder seine normale Farbe angenommen hatte. Lediglich um die Platzwunde an ihrer Stirn herum war die Haut in ein kräftiges dunkelblau getaucht. Eine durchsichtige Beatmungsmaske bedeckte Nase und Mund und ein leises Piepen ließ ihren gleichmäßigen Herzschlag verlauten.
Ihr Körper war von einer dicken weißen Decke verhüllt, lediglich ihre Arme und das eingegipste Bein lagen frei.
„Sie sind besser aus", sagte Betty, die sich hinter Toni gestellt und ihr beide Hände auf die Schultern gelegt hatte, nachdem sie den Blumenstrauß in eine Vase gesteckt und auf dem Nachttisch abgestellt hatte.
Nickend lachte Toni leise auf, ein Laut der puren Erleichterung. Ihre Brust füllte sich zum ersten Mal seit Stunden mit etwas Wärme und sie spürte, wie ihr ein paar Tränen die Wangen herunter liefen, als sie Cheryls Hand zu ihrem Gesicht zog und sanft ihren Handrücken küsste.
In diesem Moment wurde sie sich erneut der tiefen Liebe bewusst, die sie für Cheryl empfand und dankte jeder erdenklichen göttlichen Macht dafür, dass sie sie nicht verloren hatte.

Choni ~ You Bring Out The Best In Me 🐍🍒Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt