If we meet again... [Wattys 2018 Longlist]

The last famous gentleman...

Louise spürte ein eiskaltes, aber gleichzeitig wohlig warmes Gefühl an ihrem Hals und breitete sich langsam noch wärmer in ihrem Magen aus. Ein herbsüßer Geschmack benetzte ihre Lippen und eine aufregende Schärfe prickelte leicht auf ihrer Zunge - der erste Schluck des Vodka Martini war für Louise ein Segen. Nicht, dass sie Alkohol brauchte um runter zu kommen oder locker zu werden, jedoch war ein Drink in dem Moment genau das, was sie am allermeisten brauchte. Das typische Elixier, was ihre Nerven und schlussendlich sie ganz beruhigen sollte. Louise fuhr sich mit der Zungenspitze nochmals über die Lippen, um den Hauch des Geschmacks nochmals zu spüren und stellte ihr Glas beiseite. Als sie wieder aufblickte, sah sie, wie Tom sie mit einem schwachen Lächeln musterte.

"Is it strong enough?" fragte Tom sie, als ihre Augen sich nach der kurzen Schweigeminute für einen Schluck hochprozentigen wieder trafen. Gekonnt aber dennoch ein wenig verträumt schwenkte er sein Scotchglas in seiner rechten Hand, dessen Flüssigkeit einen dezenten, öligen Film auf der Glasinnenseite hinterließ. Louise lächelte auf diese Frage hin verschmitzt auf.

"It will do. " versuchte Louise knapp aber freundlich einen Scherz, den Tom schnell realisierte und leise kicherte. Langsam realisierte Louise die ganze Situation, die sich gerade vor ihr und um sie herum abspielte. Es war mitten in der Nacht an einem lauen frühherbstlichen Werktag in der Stadt der Schönen, Reichen und Berühmten - und Louise saß in der Bar ihres Hotels auf einem halbwegs bequemen, hochwertigen Loungesofa. Ihr gegenüber saß jedoch nicht die zufällige Bekanntschaft, mit dem sie einige Earl Grey und ein paar flüchtige Worte gemeinsam hatte, sondern ein Leinwandheld namens Tom Hiddleston. Louise ließ ihren Blick über den Mann ihr gegenüber schweifen. Er wirkte erschöpft - dunkle Ringe begannen sich unter seinen Augen abzuzeichnen, die länger gewordenen Haare, die noch am Abend so locker aber akkurat zurückgekämmt waren, schienen sich mit jeder Minute etwas selbstständiger und unbändiger zu machen und seine Haut glänzte leicht. Trotz der etwas bröckelnden äußerlichen Fassade, sprühte Tom jedoch nur vor Sympathie und Attraktivität - typisch Schauspieler eben, dachte Louise. In ihrem Kopf mischte sich nun ein weiterer Gedanke: Warum hatte Tom sie angelogen, als sie ihn indirekt nach seiner Profession gefragt hatte? Warum hatte er nicht einfach gesagt, dass er Schauspieler ist? Vielleicht hätte er sie belächelt, da sie ihn nicht kannte. Vor allem, konnte er nicht sicher sein, ob sie ihn kannte - was die Situation noch verwirrender machte. Sie konnte in ihren Gedanken nicht auf einen geraden Pfad finden. Denn trotz der zumindest äußerlichen sehr vernünftigen Fassade, die er verkörperte, wusste Louise nicht, was das ganze sollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein namhafter Hollywoodschauspieler einfach mit ihr einen netten Plausch bei einem Drink halten wollte.

"So, Tom Hiddleston..." Louise erschrak innerlich ein wenig vor sich selbst, als sie ihre eigene Stimme plötzlich hörte und traf sofort auf Toms Augen, die sich in ihren verfingen. Ein vorsichtiges, etwas schüchtern anmutendes Lächeln huschte über seine Lippen.
"That's me." witzelte er. Louise betrachtete ihn nochmals genau, wohl nicht genau wissend warum, vielleicht aber um einen Ansatz zu finden, wo genau sie ihn hinsortieren sollte. Ob sie ihn vielleicht doch irgendwann einmal in einem Film gesehen hatte, oder in einem Magazin - oder vielleicht eher doch, um zu versuchen, aufgrund seiner Körpersprache herauslesen zu können, welche Absichten er zu pflegen schien an diesem Abend.

"I am kind of embarrassed that I honestly can't think of any movie or any magazine where I might have seen you before." antwortete Louise und es war ihr wirklich ein wenig unangenehm, denn Tom schien anscheinend alles andere als ein junger Newcomer zu sein.

"It's totally okay!" widersprach Tom ungebremst, "As I said, most people I meet by chance demote me to my roles. Don't get me wrong. I love my job, I live my job and I can't imagine doing anything else, but in the past years it became almost impossible to enjoy carefree moments like this."