44. Die Kraft, die jeder in sich trägt

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„Das Ganze wird zu heikel! Wir sollten umkehren", sagte Urbosa, die von ihrer Sandrobbe zu Raisa gezogen wurde. Doch Raisa dachte nicht im Entferntesten daran zu gehen. Das wäre eine Schande, erbärmlich und ehrlos! Ein Krieger floh nie vor einem Kampf!
„Wenn du gehen willst, dann geh. Ich weigere mich wegzulaufen", sagte sie zu Urbosa. Die Gerudokönigin wollte grade etwas erwidern, doch Raisa ließ sie an Ort und Stelle stehen und ging auf das Monster, welches sich ihr rasant schnell näherte, zu. Ihr Schwert hielt sie fest umschlossen in der rechten Hand.

Niemals... Nie im Leben würde sie vor einer Herausforderung davon laufen. Und egal wie oft sie fallen sollte, sie würde wieder aufstehen. Immer und immer wieder. Das Wort 'Aufgeben' existierte in ihrem Wortschatz nicht. Deshalb... Deshalb würde sie immer weiter kämpfen. Und wenn es sie das Leben kosten sollte.

Da auf ihre Drecksfähigkeit kein Verlass war, vertraute sie auf ihren Instinkt. Sie blieb stehen, schloss die Augen und wartete den Moment ab. Die Bestie kam wieder rasant schnell aus dem Boden geschossen, doch sie konnte zur rechten Zeit zurück weichen. Und dank Urbosa's Blitz war das Vieh kurzzeitig außer Gefecht.
Da sie ihre Taktik ändern musste, versuchte sie erst gar nicht das Monster irgendwo aufzuschlitzen. Nein, sie suchte sich die empfindlichste Stelle heraus, die sie bei dem Monster erreichen konnte. Die Augen. Mit einem gezielten Hieb von Raisa verlor das Moldora seine Sehkraft. Mit einem ohrenbetäubenden Schrei verschwand es wieder im Boden. Bei den hektischen und unkontrollierten Bewegungen des Monsters machte Raisa wieder Bekanntschaft mit dem sandigen Boden. Das Vieh hatte sie mit dem letzten Ende seiner Flosse erwischt. Zwar flog sie diesmal nicht allzu weit weg, dennoch war dies nichts Angenehmes und nichts worauf sie erpicht war es zu wiederholen.

Aber wie sie bereits erwähnt hatte, sie würde immer wieder aufstehen. Deshalb stand sie auf, spuckte das Blut, welches sich in ihrem Mund gesammelt hatte aus und Griff erneut nach ihrem Schwert. Und da kam dieses Ungeheuer wieder, diesmal aber noch unberechenbarer. Raisa hatte eine Idee, wusste aber nicht, ob diese ihr zu Sieg oder Niederlage verhelfen würde. Die Zeit zum Nachdenken ging ihr aber aus und eine bessere Möglichkeit sah sie grade nicht. Also würde sie alles auf eine Karte setzen.

Ihr Schwert bekam sie nicht aus eigener Kraft in dieses Monster. Das bedeutete aber nicht, dass es nicht trotzdem irgendwie möglich war es zu verletzen. Ein letztes Mal kam das Moldora aus dem Boden gesprungen, ein letztes Mal wich Raisa aus. Das Monster kam mit geöffnetem Maul wieder nach unten gestürzt. Raisa wich nicht zur Seite und hatte ihr Schwert nach oben gerichtet. Den Griff hielt sie mit beiden Augen fest umschlossen, während sie die Augen schloss.

Urbosa sah dem Ganzen von großer Entfernung aus zu. Von einer Sekunde auf die andere war Raisa verschwunden. Verschwunden im Schlund dieses Monsters. Und im selben Atemzug, noch bevor man daran zweifeln könnte, dass sie noch lebte, tauchte sie wieder auf. Zwar war sie mit Blut und Schleim überzogen, doch sie stand da – lebendig. Mit dem Schwert in der Hand hatte sie dieses Monster mit nur einem Hieb vernichtend geschlagen. Wie hieß es noch? Harte Schale, weicher Kern. Raisa hatte sich dies wohl zunutze gemacht.

Diese riesige Bestie war in zwei Hälften geteilt und zwischen ihnen stand Raisa. „Du wolltest doch das Herz, oder?", fragte sie unbekümmert und zeigte Urbosa, welche zu Raisa kam, das grüne Herz. Doch die Gerudokönigin fehlten grade die Worte, um dem irgendwas beizutragen.
Ohne mit der Wimper zu zucken hatte Raisa sich entschlossen, ganz gleich, ob sie leben oder sterben würde, dieses Biest zu bekämpfen. Und egal wie oft sie zu Boden gegangen wäre – sie wäre aufgestanden und hätte weiter gemacht. Was war das für eine Kraft? Ganz gleich was für eine, mit denen von uns Recken hatte, das nichts zu tun. Diese junge Frau hatte mehr Stärke als alle Soldaten Hyrules gezeigt.

„Nimmst du das jetzt oder soll ich damit versauern?", fragte Raisa schroff. „Nein, warte", sagte Urbosa und wickelte das Herz in ein Tuch und steckte es schließlich in einen Beutel, den sie bei sich trug. „Lass uns von hier verschwinden. Das ist widerlich", sagte Raisa und deutete auf die Grütze, die ihren Körper benetzte.
„So wie der dich verschlungen hat, muss der dich gern gehabt haben." Urbosa hatte ein hämisches Grinsen aufgesetzt, was Raisa selbstverständlich nicht entgangen war. Sie stand einen Moment lang unbeeindruckt da, bis der Groschen bei ihr gefallen war.

„Du bist so ekelhaft. Als wenn das in irgendeiner Art und Weise lustig war", erwiderte sie angewidert. „Aber deine Reaktion war schon amüsant." Sie tat das mit einem Augenverdrehen ab. Es hatte keinen Sinn darüber jetzt zu diskutieren. Da wäre ein Gespräch mit einer Wand noch effektiver.

Somit beließ sie das unkommentiert und machte sich auf zu ihrer Sandrobbe. Diese befand sich, wie sollte es auch anders sein, weit entfernt.
„Du bist mit einer Entschlossenheit und einem Kampfgeist in dieses Gefecht, als wärst du nicht von dieser Welt. Ich zweifle langsam wirklich daran. Sag mir, was ist das für eine Kraft?", fragte Urbosa. Raisa wischte sich den Schleim und das Blut aus dem Gesicht und sah zu Urbosa herüber.
„Ist das deine Fähigkeit als Recke?", stocherte die Gerudokönigin weiter. Sie gab daraufhin nur einen abwertenden Laut von sich.

„Das ist die Kraft, die jeder in sich trägt. Die Willenskraft! Nichts auf dieser Welt ist stärker, nicht einmal das Bannschwert. Der Wille ein Monster zu besiegen, der Wille nicht zu verlieren, der Wille stark zu sein... Das ist das einzige, woran ich glaube. Selbst wenn die Welt, um mich herum niederbrennen sollte, mein Wille wird mich dazu bewegen weiter zu kämpfen."
Urbosa hatte es in Gedanken ja bereits erwähnt. Raisa war eine unglaublich interessante Person.

„Eins noch... Jetzt da du nun schon seit einiger Zeit ein Recke bist, hast du bereits eine Fähigkeit entwickelt?" Raisa antwortete Urbosa daraufhin nicht und nahm die Zügel ihrer Sandrobbe, welche sie endlich erreichte, in die Hand.

„Dein Schweigen sagt" – „Gar nichts aus", fiel sie Urbosa ins Wort. Unter anderen Umständen hätte sie Urbosa's Frage ja noch bejaht oder verneint, aber die Tatsache, dass sie von ihrer eigenen Kraft im Stich gelassen wurde, machte sie sauer und frustrierte sie. Und da sie nicht alleine war, musste sie sich zusammenreißen, um ihren Frust und ihre Wut nicht irgendwo auszulassen.
Und der Glaube, dass sie ihre Fähigkeit bereits gut beherrschte, hatte sich damit auch als falsch bewiesen.

Wortlos trieben die beiden Frauen ihre Sandrobben durch die Gerudo Wüste. Mittlerweile war es Abend und deutlich abgekühlt. Nicht so, dass es unangenehm war, im Gegenteil. Es war perfekt und ließ Raisa schon fast vergessen, dass in Hyrule der Winter vor der Tür stand.
Aber... Auch diese perfekte Temperatur änderte die Tatsache nicht, das sie voll von Moldora-Rotze war und sie im Stich gelassen wurde. Und egal wie sehr sie sich dem Kopf darüber zerbrach, sie kam zum Verrecken nicht darauf, warum dem so war. Nichts war anders als in den sonstigen Kämpfen.

Kurzzeitig kam ihr noch der absurde Gedanke, dass ihre Fähigkeit nur funktionierte, wenn sie jemanden beschützen wollte. Und leider fiel ihr auf, dass sie dies in letzter Zeit schon oft getan hatte – ungewollt! Aber sie hatte es getan.
Wie dem auch sei, dass konnte aber auch nicht des Rätsels Lösung sein. Schließlich gelang es ihr den Angriff von Revali in ihrem Kampf vorauszusehen.
Woran fehlte es ihr also dann?

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt